ein paar Gedanken dazu
Hallo Miesepeter!
Prinzipiell teile ich Deine Antworten an @Plancius, aber hier sehe ich es etwas anders.
Du schreibst: Mein Fazit: Ein Interview über 2 Stunden, das dann eher einem Vortrag gleicht, ist ganz offensichtlich propagandatechnisch in der heutigen Zeit im Westen völlig untauglich. Die Aufmerksamkeitsspannen werden heute in Minuten bemessen. Seine Adressaten sind vielleicht die Historiker und einige wenige restneutrale Rationalisten, aber sicher nicht das breite westliche Publikum.
Er hat sich sicherlich auch nicht an die Generation Z gewandt, sondern an die, die nach Verständigung suchen und eben auch einmal etwas länger zuhören können bzw. wollen.
Das da nicht 100 % erreicht werden, dürfte klar sein – auch in Russland, das genauso von der Technik-Revolution überrannt wird – hört da nicht jeder zu.
Aber darum geht es auch nicht.
Es wurde ein Signal gesetzt von einem mutigen US-Journalisten für einen Neubeginn.
Hier liegt die grösste Schwäche Putins - er glaubt anscheinend, er könnte mit seinem argumentativ-erzählerischen Ansatz und seinen Einladungen zu jahrhundertealten Verfahren von Diplomatie und Interessensausgleich eine Verständigung auf gemeinsamen, weil allgemein gängigen Kommunikationsprinzipien bewerkstelligen.
Nein, darin liegt seine besondere Stärke.
Vor allem auf diplomatischer Ebene schätzt man Sachverstand und Verläßlichkeit.
Das hat ihm mit Sicherheit die Türen in Ankara, Riad, Peking, Dehli usw. geöffnet und den BRICS-Verbund eher gestärkt als geschwächt.
Die Amerikaner werden darüber hinaus sehen, daß Putin geistig erheblich fitter ist, als der senile Biden und er rhetorisch auf der Höhe Trumps anzusiedeln ist.
Das Interview wird unschlüssige US-Bürger wohl eher zu Trump als zu Biden führen, was geopolitisch ja auch nicht zu verachten wäre.
Wenn Carlson es clever anstellt, wird er später die einzelnen Themen sezieren und auf Plausibilität abklopfen.
Und dann, lieber Miesepeter, wird Carlson das in 5 bis 10 Minuten Spots an die Zuhör-Gestörten in appetitliche Häppchen verpacken.
Aber "Audiatur et altera pars" ist längst ein weitgehend überholtes Prinzip, vermutlich 90% der Zuschauer haben bereits nach 15 Minuten seines Monologs aufgrund mangelnder Reize oder Sensationen abgeschaltet, und so erreicht er letztendlich im Westen kaum jemanden.
Wir werden sicher in den nächsten Tagen die Einschaltquoten mitgeteilt bekommen.
Übrigens, so ganz unbedarft ist Wladimir auch nicht, als er auf die Frage von Carlson nach seinem letzten Treffen mit Biden, antwortete, er könne sich nicht erinnern.
Carlsen brach danach in Gelächter aus. Jeder ahnt, was damit gemeint war.
Statt dessen formt sich ein Image eines alten, schwatzhaften, verblendeten Autokraten, der in seiner eigenen, längst überholten Welt lebt.
Kann es sein, daß Du auch schon ein Opfer der aktuellen Hysterie geworden bist?
Wir sahen nicht eine Folge von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“, sondern ein Gespräch über Weltpolitik.
ABER, wo ich Dir zustimmen kann, ist, er hätte seine Argumente (Landkarten und Wirtschaftsdaten visuell über Videowand oder Einblendungen) aufbereiten können, was das Ganze etwas effektreicher gestaltet hätte.
Doch das hätte dann wieder Carlson in schiefes Licht gesetzt mit der Frage: War denn das Interview schon vorher abgesprochen?
Wie man es auch macht, man macht es immer verkehrt.
mfG
nereus