Verantwortung ist zentral - keine totale Determination

Fenrizwolf, Sauerland, Donnerstag, 29.12.2022, 08:17 (vor 455 Tagen) @ ebbes3945 Views
bearbeitet von Fenrizwolf, Donnerstag, 29.12.2022, 08:23

Lieber ebbes,

vielen Dank für die Eröffnung dieses philosophischen Themas!

Mich treiben solche grundlegenden Fragen über das menschliche Dasein seit meiner späten Kindheit um, ohne daß mir diese von meinem Umfeld aufgezwungen wurden.

Übergriffig und irreleitend fand ich dabei aber stets den christlichen Einfluß auf mein Leben, welcher zwar nie diktatorisch war, aber aus einer verblassenden Tradition heraus, immer noch eine Deutungshoheit über diesen Themenkomplex beanspruchte.

Ich bin eigentlich geneigt, diese parasitierende Religion in Bausch und Bogen zu verdammen; wären nicht Nächstenliebe und Vergebung ihre beiden Gallionsfiguren.

Das menschliche Leben auf Erden hat so einige seltsame Besonderheiten an sich, die beflissentlich ignoriert werden, oder als derart selbstverständlich gelten, daß es in einer vermeintlich aufgeklärten Zivilisation nicht mehr zum Grübeln anregt.

Unser astronomischer Platz befindet sich in einem derart delikaten Gleichgewicht der Kräfte, in einer ansonsten gigantischen, schier unfaßbaren Größe lebensfeindlichen Raumes.

Auch zeitlich haben wir es sehr bequem. Unsere Sonne wird uns, wenn sie einst zum roten Riesen wird, schlußendlich zwangsweise final erleuchten und verschlingen.

Die geistigen und emotionalen Regungen der uns umgebenden Tiere sind vermutlich immer noch, aus einiger gewissen Hybris heraus, unterschätzt – doch ist Distanz vom Menschen zu anderen biologischen Säugetieren frappant, vergleicht man das gegenwärtige Machtpotential innerhalb der Tierwelt.

Rein naturwissenschaftlich darf man schon mal staunen und in Demut verfallen, wenn man sich vergegenwärtigt, welch besondere Stellung wir auf dem Planeten innehaben, mit dem wir Karussell fahren, in einer Welt, in der sonst Distanz, Dunkelheit, Kälte und zerstörerische Energie dominiert.

Ist man gläubig, muß man schon Glück haben, im richtigen Kulturkreis geboren zu sein, sonst ist man Angehöriger einer falschen Glaubenslehre, und damit vermutlich der ewigen Verdammnis anheimgegeben.
Um von wesentlichen Inhalten religiöser oder okkulter Information nicht gänzlich entkoppelt zu sein, bedarf es erst einmal eines gesellschaftlichen Zuganges dazu, zweites könnte man die erlesenen Inhalte nicht dechiffrieren, wen man nicht die Sprache oder deren Kodex beherrscht, und drittens ist elitäres Wissen etwas, das rein statistisch einen Großteil der Erdgeborenen per se ausschließt.

Sollten wir nun annehmen, daß nur etwa 144.000 würdige Menschen sind, und der Rest quasi als Abfall, als Mißgeburt, als Kanonenfutter zu Welt kommt?
Nur ein Leben – und das ist nach einer Stunde vorbei?

Die aus der Aufklärung erwachsenen Naturwissenschaften mögen beeindruckendes leisten und in sich selbst schwer beeindruckend sein, aber sie vermögen uns nicht das Dasein zu ergründen oder gar zu erklären, wenn sie das Allerwichtigste – das Bewußtsein – quasi als Abfallprodukt beliebiger Irrwege der Materie darstellen.

Meine Sicht der Dinge ist komplentativ inkludierend. Da mir nichts anderes übrigbleibt, versuche ich, naschhaft wie ein Reh, aus Puzzlesteinen ein Mosaik zu formen, das bei Durchsicht, vermutlich immer noch deutlich verzerrt ist, aber immerhin die „Himmelsrichtung“ erkennen lassen sollte.

Momentan gehe ich davon aus, daß ich mich, wie fast alle anderen auch, in einer forcierten Froschperspektive befinde, die aus sich selbst heraus nicht dazu geeignet ist, die letzten Fragen zu ergründen, da sie hinter der Schwelle namens Tod verborgen sind.

Und es ist anzunehmen, daß dies ein wesentlicher Bestandteil der Gesetze ist, unter denen sich ein Menschenleben vollzieht.
Wären wir uns des ganzen Dilemmas bewußt, wären wir vermutlich einvernehmlich kollektiv todessehnsüchtig.

Um endlich zum Thema zu kommen: Es gibt kaum harte Fakten, die Metaphysik entzieht sich dem harten Zugriff; aber wer nicht allzu ignorant ist, findet insbesondere in den Berichten Nahtoderfahrener sehr viel Wertvolles.

Sähe ich mich gezwungen, das seicht-schwüle (Un-)Wissen meinerseits in eine Form zu gießen, schlösse ich wie folgt:

Wir leben öfter; wir sähen und ernten dabei quasi; ein Plan liegt wohl jeweils zugrunde, aber Handlungsfreiheit ist uns prinzipiell gegeben.

Das Thema Entscheidungsfreiheit und Verantwortung ist wohl essentiell, wenn man einen Sinn des Lebens extrahieren möchte.

Da in höheren Formen des Daseins, der Gedanke mit einem Schöpfungsakt gleichbedeutend sein soll, ist auch das Thema Gedankenhygiene von äußerster Bedeutung.

Ich fürchte, wir kommen aus der Verantwortung nicht heraus, da sie absolut zentral ist.

Aus meiner derzeitigen Perspektive ist ein vorherbestimmtes Leben, ohne Nuancen der Entscheidungsfreiheit, nahezu grotesk; ist doch das Leben als Erfahrung selbst, allein dazu ausgelegt, eben das zu erproben.

Manche Haltestelle, mancher Fixpunkt ist vermutlich determiniert, aber nicht alles.

Ich weiß, es gibt auch andere Stimmen.

Mit lieben und erbaulichen Grüßen

Fenrizwolf


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