Es ist nicht alles schlecht auf dem Mars.

Naclador, Göttingen, Dienstag, 06.07.2021, 11:22 (vor 996 Tagen) @ Steppke3367 Views

Moin Steppke,

1. Die Schwerkraft auf dem Mars ist so gering, dass der menschliche Organismus auf Dauer daran zugrunde geht. Selbst Intesivtraining kann den Muskel-, und Knochenschwund nicht aufhalten.

Dafür gibt es eine Lösung: rotierende Habitate. Dabei bewohnen die neuen Marsbewohner die Innenfläche einer "Schüssel", die um ihre Symmetrieachse rotiert. Natürliche Gravitation und Zentrifugalkraft addieren sich dann zu einer höheren Gesamtgravitation.

Der Muskel- und Knochenschwund ist übrigens nur dann ein Problem, wenn die Kolonisten jemals zur Erde zurückkehren sollen.

2. Das fehlende bzw. schwache Magnetfeld sorgt dafür, dass harte (kosmische) Strahlung bis auf die Oberfläche gelangt. Auf dem Mars ist es, überspitzt formuliert, so als wenn in 30 Metern Höhe ein offener Kernreaktor strahlt, während Menschen sich darunter bewegen und "leben". Menschen müssten auf dem Mars den Großteil der Zeit in verbunkerten Anlagen verbringen, da die Strahlung sie ansonsten schnell umbringen würde.

"Überspitzt" trifft es ganz gut. Die kosmische Strahlung verliert an Intensität mit dem Quadrat des Abstandes zur Sonne. Das macht immer noch eine Abschirmung erforderlich, aber man könnte z.B. natürliche Krater auf der Marsoberfläche mit selbsttragenden Kuppeln überbauen und diese unter einem halben Meter Marsstaub begraben. Oder man nutzt natürliche Höhlen, die es auf dem Mars ebenfalls gibt.

3. Bisherige Analysen haben ergeben, dass praktisch die gesamte Marsoberfläche von Perchloraten durchzogen ist. Diese sind sehr giftig. Dieser feine Staub gelangt über kurz oder lang in jede "Wohnbehausung", sodass Menschen selbst innerhalb solcher Wohnquartiere in Schutzanzügen umherlaufen müssten.

Nein, das müssten sie nicht. Man braucht ohnehin Luftschleusen. Staub ist in der dünnen Marsatmosphäre ein eher kleines Problem, da es praktisch windstill ist und Staub sich durch den geringen Luftwiderstand sehr schnell absetzt.

Kommen sie über längere Zeit mit Perchloraten in Kontakt, ist das Leben schnell vorbei. Auch der Anbau von Nahrungsmitteln (in Gewächshäusern) wäre problematisch, da der gesamte Boden von Perchloraten gereinigt werden (immer wieder) und sämtliche Anlagen, Chemikalien dazu von der Erde eingeflogen werden müssten. Vom Wasser und Nährstoffproblem ganz zu schweigen. Alleine der Aufbau einer Nahrungsmittelproduktion (Planung, Fertigung, Transport zum Mars etc.) für eine handvoll Menschen würde BILLIONEN kosten.

Ja, das wäre eine der größeren Herausforderungen. Aber es gibt gefrorenes Wasser auf dem Mars. Am Boden mancher Krater gibt es richtige Gletscher, da könnte man sich bedienen. Perchlorate sind gut wasserlöslich und können aus dem Marsboden ausgewaschen werden, sobald man genug Wasser hat. Die Frage ist nur, wie fruchtbar der verbleibende Boden ist.

4. Der Transport von technischen Anlagen, Filtern, Maschinen, Energie-, und Wasserversorgung, Lebenserhaltung & Co. zum Mars ist so teuer, dass jede Kosten-Nutzen-Analyse im Absurden endet, besonders, weil man ja weiß, dass die Menschen, die dort landen, eh nicht lange leben werden.

Das ist der entscheidende Punkt, und der Grund warum ich nicht an eine dauerhaft bewohnte Marskolonie glaube. Die Energiekosten sind astronomisch. Und auch wenn eine Kolonie auf dem Mars für das Überleben unserer Spezies eines Tages unschätzbar wertvoll werden könnte, auf kurze Sicht sehe ich keine Möglichkeit, Profit aus einer solchen Unternehmung zu ziehen.

Und vor allem steht die Frage im Raum was man auf dem Mars überhaupt machen will? Steine anbohren oder Reste von früherem Leben suchen, können auch Roboter tun, dazu braucht man keine Menschen.

Nein, es geht um einen fundamentalen Nutzen: Eine Zuflucht zu haben, falls unsere Erde eines Tages unbewohnbar werden sollte, aus welchem Grund auch immer. Spezies, die mehr als einen Himmelskörper besiedelt haben, sind praktisch durch nichts mehr auszurotten außer durch mutwillige Vernichtung. Wenn wir davon ausgehen, dass wir entweder die einzige technologische Zivilisation in der Galaxis sind oder alle anderen gutwillig sind, denn sie hätten uns sonst längst auslöschen können, dann wären wir mit einem Standbein auf der Erde und einem auf dem Mars dauerhaft vor dem Aussterben sicher.


Die menschliche Besiedlung des Mars ist und bleibt ein Märchen.

Das vermute ich auch, auch wenn es mich ein bisschen wehmütig macht.


Das einzige, was passieren wird, ist, dass ein neuer Tourismuszweig entsteht, in den Erdorbit oder vielleicht Mondorbit (und zurück). Aber nur für Superreiche, da der Energieaufwand, das Schwerefeld der Erde zu verlassen, für Normalbürger für immer unbezahlbar bleiben wird.

Man muss kein SciFi-Freak oder Astro-Nerd sein, um das gewaltige Potential zu erkennen, >welches mit der kommenden Expansion in das All brach liegt.


Die Entfernungen alleine im Sonnensystem sind einfach zu groß und der Raum ist zu leer. Für den menschlichen Organismus und seiner Lebenszeit einfach ungeeignet.

Die Vorfinanzierung ist das Problem. Die möglichen Gewinne sind gewaltig, aber es wird viele Generationen dauern, bevor sich erste Gewinne einstellen, und bis dahin wird das Ganze unfassbar viel Energie und andere Ressourcen fressen.

Sollte nicht irgendwann eine "Stargate-Technolgie" (o.ä.) entdeckt werden, wird es keine Expansion ins All geben, da der Energie-, Kosten-, und Zeitaufwand für den Transport von Menschen, Lebenserhaltung & Co. einfach zu groß ist und der Mensch, physisch wie psychisch, nicht für das Leben auf anderen Planeten ausgelegt ist (nicht einmal für die Reise dorthin, eingeschlossenen in einer kleinen Metallröhre).

So klein müssten die Röhren gar nicht sein, und bis zum Mars schafft man es relativ flott. Interstellare Reisen sind allerdings eine ganz andere Hausnummer.

Wer sich für diese Themen interessiert, den möchte ich auf "Science and Futurism with Isaac Arthur" aufmerksam machen: https://isaacarthur.net/

Viele Grüße,
Naclador

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"Nur die Lüge benötigt die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht."
Thomas Jefferson


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