Katechon: Der Aufhalter der Apokalypse

Talleyrand ⌂, Mittwoch, 13.01.2021, 16:49 (vor 1199 Tagen) @ Weiner2557 Views
bearbeitet von Hausmeister, Donnerstag, 14.01.2021, 11:50

[Korrektur der Verlinkung zum Podcast. HM]

Die größte Ausdehnung des "Dritten Reiches" dürfte im Oktober 1942 gewesen sein. Und danach ein erst arroganter, am Ende nur noch verzweifelter Widerstand (1 Deutscher gegen 6 Russen an der Ostfront) über weitere zweieinhalb Jahre hinweg. Korrigiere entsprechend Deine Rechnung.

Es gibt verschiedene Methoden, den Kulminationspunkt des Hitlerreiches zu bestimmen:
1. Die von Dir benutzte geographische, die den Moment der größten räumlichen Ausdehnung bestimmt.

2. Die von mir genannte Jahreszahl 1940, nach dem Sieg über Frankreich. Sie bezieht sich auf das politische Prestige. 1940 war das NS-Reich unumstrittener Hegemon, und wäre es ohne "Barbarossa" vermutlich länger geblieben. Das NS_Reich entschied Grenzstreitigkeiten unter Balkan-Staaten, und in England gab es Kreise, die einen Friedensschluss befürworteten. Ohne die Person Churchill – „Englands finest Whisky-nose“ – wäre es vermutlich dazu gekommen.

3. Eine dritte und die mich gerade am meisten überzeugende Methode ist, den Verlauf der Börsenkurse zur Kenntnis zu nehmen. Die New Yorker Börse begann, nach einer langen Baisse, im Grunde seit 1929, und einem neuen Zwischentief im Oktober 1941, mit einer neuen Aufwärtsbewegung noch vor dem Scheitern der deutschen Offensive gegen Moskau im Dezember 1941. Diese Aufwärtsbewegung hielt nicht nur bis Kriegsende an, sondern war der Startpunkt des langen Bullenmarktes bis in die Ende 1950er Jahre des US-Marktes. Somit wäre der Oktober 1941 als Kulminationspunkt anzusehen: der Moment, als einige kluge Köpfe begannen, auf ein Scheitern von "Barbarossa" zu wetten.

Ehrlich - hat Carl Schmitt von einem 'Parakleten' geredet? Das wußte ich nicht. Das wäre fast eine Gotteslästerung - und das hat er dann wohl absichtlich gemacht. Denn das ist ein hochgeistiger Begriff aus dem Johannes-Evangelium (und nicht aus der Politik).

Er hat. Aber mir ist hier trotzdem eine Verwechslung unterlaufen, und zwar mit dem "Katechon." Er hat einige Male vom Paraklet als Verteidiger des Opfers/Angeklagten gesprochen. Ich sehe darin nichts Blasphemisches, schließlich war Schmitt von Anfang bis Ende gläubiger Katholik.
Wichtiger im hier diskutierten Zusammenhang ist aber der Begriff des Katechon bei Carl Schmitt: Katechon ist der „Aufhalter.“ Er verhindert den Anbruch der Herrschaft des Antichristen, also Satans. Katechon ist das Reich bzw sein Kaiser. Also der christliche Staat. Aber schon Octavian wird von Schmitt als Katechon gesehen.
Zitat Carl Schmitt: „Ich glaube an den Katechon; er ist für mich die einzige Möglichkeit, als Christ Geschichte zu verstehen und sinnvoll zu finden.“

Der Anarch bei Jünger ist in meinen Augen ein Trittbrettfahrer, der sich in der Nähe des Diktators aufhält, zwar aufsässige Meinungen hat, aber geduldet wird, weil er gute Drinks servieren kann. Auf solche und andere Anarchen ist kein Verlass, jedoch könnte man sich bei ihnen in Hinsicht guter Tarnungbzw. Unterwerfung *) ein Beispiel nehmen ...

Gegenüber Jünger in herablassendem Ton zu sprechen, gehört in der Bundesrepublik zu den Erkennungszeichen, um öffentlich kundzutun, „dazuzugehören.“ Man bekennt sich als Teil der „Kathedrale.“
(zum Begriff der 'Kathedrale:' Krautzone-Podcast Nr. 41: Moldbug, Dark Enlightment und die Kathedrale
https://www.kraut-zone.de/podcast/2020/7/5/krautzone-podcast-nr-41/2021/01/kathedrale

In den meisten Fällen geht damit einher eine profunde Unkenntnis des Werkes. Deine ausführlichen Zitate aus dem „Waldgang“ zeigen mir aber, dass Du Jünger, wenigstens in Teilen, gelesen hast.

Jüngers „Anarch“ dagegen glaubt im Gegensatz zu C. Schmitt nicht mehr an den Staat. Weiterentwickelt, noch vorzüglicher getarnt als der „Waldgänger,“ bewegt der Anarch sich durch den Machtbereich der Staaten, „wie durch eine Flucht von Sälen, ohne anzustossen.“ (Er steht damit auch in der Tradition der Gnostiker.) Er entschlüpft den Maschen der staatlichen Netze, ausgelegt, um die freien Geister und potentiellen Nachfolger (in der Herrschaft) zu fangen.
Der „Anarch“ ist eine Figur, die sich nicht engagiert, weil die historische Substanz verbraucht ist, es also keine Legitimität von Herrschaft mehr gibt, weder konservativ noch bei der Linken.

Ich bin mir sicher, dass Jüngers Anarch nur einige Individualisten, Libertäre und Anarcho-Konservative anspricht, während Schmitts Konzeption des Katechon massentauglich sein wird. Der neue Augustus wird sich selbstverständlich dadurch legitimieren, dass er als Aufhalter der Apokalypse und des Anti-Christ tätig ist, oder gar gerufen wird, eben als Katechon.


Gruss
Talleyrand

--
https://talleyrandssudelbuch.art.blog


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung