Anteilige Finanzierung der Staatsverschuldung durch Direktkredite der Zentralbank in den Jahren 1948-52 ..

Beo2, NRW Witten, Donnerstag, 14.09.2023, 13:05 (vor 353 Tagen) @ paranoia2464 Views
bearbeitet von Beo2, Donnerstag, 14.09.2023, 13:25

-> In welchem relativen Umfang diese direkte Staatsfinanzierung erfolgte, kann ich nicht zuverlässig beurteilen, da mir genaue Zahlen fehlen.

Das ist aber zufällig die Kernfrage.

Ja, es ist eine zwischen uns umstrittene Frage, welche ich aber inzwischen, nach recht eingehender Recherche vermutlich zufriedenstellend beantworten kann ...
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Anteilige Finanzierung der Staatsverschuldung durch Direktkredite der Zentralbank in den Jahren 1948-52

Habe mir einige summarischen Monatsberichte (MB) des damaligen deutschen Zentralbankensystems (.. analog zu FED!) - d.h. der "Bank deutscher Länder" (BdL) sowie der ihr unterstehenden (damals elf?) "Landeszentralbanken" (LZB) - angeschaut und versucht, die mich interessierenden Zahlen herauszufiltern. Diese Monatsberichte wurden übersichtlich von der Bundesbank archiviert und zugänglich gemacht. Meine Durchsicht betraf die MB von Januar 1049, Dezember 1949, Dezember 1950 und November 1952:
+ https://www.bundesbank.de/resource/blob/690212/3e13d1071de8502d2c75c76a249d3f54/mL/1949...
+ https://www.bundesbank.de/resource/blob/690238/f3ad85688d6138ecca0d74008b2b297e/mL/1949...
+ https://www.bundesbank.de/resource/blob/690276/01023fffa37d1e8e37fe14d9ebee3b8b/mL/1950...
+ https://www.bundesbank.de/resource/blob/690304/0eae742ab17508e6e9304ce02fa41741/mL/1952...

Das war für mich keine einfache Aufgabe, da erstens die von mir gesuchten Zahlen in diversen Gesamtsummen enthalten sind und zweitens ich als finanztechnischer Laie nicht die genaue Bedeutung einiger dabei vorkommenden bankenspezifischen Fachbegriffe kenne. Zugute kommt mir aber, dass ich die grundsätzlichen Zusammenhänge in der Geld- & Finanzwirtschaft ohnehin verstehe, so dass ich recht zuverlässig finden kann, was ich suche .. wenn auch "ohne Gewähr". Jeder Leser hier kann meine Ausführungen anhand meiner Quellenangaben überprüfen und mich gerne korrigieren! Es geht los ...
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Die Währungsreform in den westdeutschen Besatzungszonen bzw. in der damaligen BRD - sprich: "Initialemission" der Deutschen Mark (DM) - begann im Juni 1948 und kann als "Ende 1950 im Großen und Ganzen abgeschlossen" gelten:
+ https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4hrungsreform_1948_(Westdeutschland)

_ 1) Hierbei wurden vom Staat bzw. seinem Zentralbanksystem bis Ende 1949 ca. 10,3 Milliarden DM als ZB-Geld (als Deutsche Mark) emittiert; davon ca. 7,74 Milliarden als Bargeld. Der Rest, d.h. ca. 2,48 Milliarden verteilten sich als ZB-Buchgeld auf den zahlreichen ZB-Konten des Staates (Bund & Länder) sowie staatseigener und privater Unternehmen und Organisationen.
_ 2) Diese Geldemission des Staates war einmalig! - ich bezeichne es gerne als: "Initialemissiom von gZM bei einem kompletten Reset der VW". Sie erfolgte erstens durch Umtausch der nun ungültigen Reichsmark und anderer alter Guthaben von Banken, Unternehmen und Organisationen, und zweitens durch andere einmalige Emissionen der BDL an die Regierung und Private, wie z.B. das "Kopfgeld" an die Bürger u.a.m..
_ 3) Diese einmalige, "initiale" Geldemission des Staates wurde auf zweierlei Art und Weise im Zentralbanksystem verbucht: zum einen als ganz normal (verzinslich?) zu tilgende (kurzfristige und längerfristige) Kreditforderungen gegen die jeweiligen Begünstigten, und zum anderen als sog. "Ausgleichsforderungen aus der Geldreform gegen die Öffentliche Hand", die unbefristet und unverzinst waren. Die Höhe dieser "Ausgleichforderungen gegen den Staat" betrug Ende 1949 ca. 5,2 Milliarden DM. Sie sind bis Ende 1950 noch auf ca. 7,8 Milliarden hochgekletert.
_ 4) Diese sog. "Ausgleichsforderungen aus der Geldreform gegen die Öffentliche Hand" können als: zinsloser und unbefristeter Kredit des Staates bzw. der Bürger "an sich selbst" bezeichnet werden, um nämlich eine initiale Geldmenge zu erzeugen und in das System der VW hinein zu kippen. Dieser Anteil an der initialen Geldemission erfolgte OHNE jegliche Vermittlung oder hilfreiche Beteiligung privater Banken; d.h. war eine rein interne Angelegenheit des Staates.

_ 5) Die laufende!, normal zu tilgende Staatsverschuldung bestand bis in das Jahr 1952 praktisch nur aus sog. Kassenkrediten, d.h. ständig schwankenden Überziehungen auf den ZB- und sonstigen Bankenkonten der Öffentlichen Hand. Sie betrug Ende 1950 insgesamt ca. 2,1 Milliarden DM; davon ca. 1,1 Milliarden auf ZB-Konten des Staates bei den Zentralbanken! Das sind etwas mehr als 50%. Der Rest der volatilen Kassenkredite Ende 1950 in Höhe von ca. 1 Milliarde erfolgte bei den (privaten? staatseigenen?) Geschäftsbanken & Sparkassen.
_ 6) Die allererste verzinste Bundesanleihe ("Staatsanleihe") der BRD bei privaten Gläubigern erfolgte erst im Jahr 1952, in Höhe von 0,5 Milliarden DM.
___ + https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesanleihe#Geschichte
_ 7) Spätestens nach der im Jahr 1952 begonnenen Emission von Staatsanleihen der BRD (bei privaten Gläubigern) wurden die sog. Kassenkredite der Öffentlichen Hand bei den Zentralbanken sowie den sonstigen Banken & Sparkassen rückläufig. Hierzu trug auch bei, dass der Staat (Bund & Länder) sich zunehmend neue Einnahmenquellen durch Einführung neuer Steuerabgaben, durch Steuererhöhungen u.ä. erschlossen hat.

_ 8) Auch nach der Gründung der Deutschen Bundesbank im Jahr 1957 gab es weiterhin Kassen- und sonstige Direktkredite der Zentralbank an den Staat, was der Paragraph 20 des "Gesetz über die Deutsche Bundesbank" aus Juli 1957 kundtut:
+ https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl157s0745...
___ Über die Höhe dieser Direktkredite liegen mir keine Zahlen vor. Sie sind sicherlich schwer zu finden - denn darüber "spricht man nicht"! Später wurde jegliche Direktfinanzierung der Öffentlichen Hand durch die Zentralbank verboten. Da war aber das Deutsche Wirtschaftswunder bereits im vollen Gange! Meine Meinung: Dieses Verbot war sicherlich dem Druck der Bankenlobby auf die Politik zu verdanken, die sich eine nicht enden wollende Ausweitung des für sie lukrativen "Staatsanleihen-Unwesens" gewünscht haben .. zu Lasten der Steuerzahler als die Zinsaufbringer.
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Mein FAZIT: All die genannten Geldemissionen, Kassen- und sonstigen Kredite der Zentralbank an die Öffentliche Hand, bis weit in die 1950er Jahre hinein, führten zu einer Geldschöpfung des gesetzlichen Zahlungsmittels (gZM) OHNE die Vermittlung durch private Gläubigerbanken, d.h. durch Direktfinanzierung des Staates durch die ZB. Diese Kreditierung machte einen Löwenanteil an der Staatsverschuldung der BRD in diesen Jahren aus. Sie kostete die Steuerzahler Nichts - und sie führten zum Aufkommen des Deutschen Wirtschaftswunders.

Einfach mal mit konkreten Sachverhalten beschäftigen, als mit abstrusen Geldschöpfungsfantasien!

Stichhaltige Argumente statt Polemik wären hilfreich! Ich sehe all meine Ausführungen in diesem Diskussionsfaden (und anderen) wieder einmal bestätigt. Es wurden hier von Niemandem überprüfbare FAKTEN & ZAHLEN vorgetragen, die meine Ausführungen widerlegen. Ich lasse mich aber gerne korrigieren, wie immer.

Ich werde ggfs. Ergänzungen oder Korrekturen zu diesem wichtigen Thema nachschieben.
Mit Gruß, Beo2


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