Es sind die Schulden, die die Staatsquote treiben.

Naclador, Göttingen, Mittwoch, 15.03.2023, 10:23 (vor 400 Tagen) @ Morpheus4227 Views

Lieber Morpheus,

in Deiner Modellrechnung stecken sehr viele sehr willkürliche Parameter. Wie kommst Du gerade auf 22% Lohnausgleich für Mehrarbeit? Warum setzt Du 20% als akzeptable Staatsquote an? Warum rechnest Du aus, wie viele Arbeitnehmer man von dem gleichen Gehalt bei geringerer Staatsquote bezahlen könnte, wenn Du doch ursprünglich nur Geld und Arbeit für 1000 hattest? Wo kommt das zusätzliche Geld für die 22% Lohnanpassung her?

Aber wie dem auch sei, Fakt ist, dass selbstverständlich dringende gesellschaftliche Aufgaben nicht mehr finanzierbar sind, wenn die Staatsquote zu hoch ist. Die reale Produktivität wächst schon lange nicht mehr, die derzeit noch auf dem Papier stehenden Produktivitätszuwächse sind ein Symptom der schleichenden Geldentwertung.

Warum steigt die Staatsquote unaufhörlich? Weil die Staatsausgaben unaufhörlich wachsen.

Warum steigen die Staatsausgaben unaufhörlich? Weil Schulden zu bedienen sind.

Dabei sind Staatsschulden derzeit für die Bundesrepublik der kleinere Faktor. Staatsanleihen des Bundes lassen sich noch immer zu sehr niedrigen Zinssätzen an den Käufer bringen.

Aber jeder andere Posten der Staatsausgaben ist mit Schulden belastet. Alle Produktion von Waren und Dienstleistungen muss vorfinanziert werden, und die Summe der Gesamtverschuldung muss in einem Kreditgeldsystem stetig steigen, was bedeutet, dass ein immer größerer Anteil der gesamten Wirtschaftsleistung für Zinsen aufgewandt werden muss. Das setzt sowohl den Staat als auch jeden anderen Nettoschuldner im System einem wachsenden Druck aus.

Es sind die Schulden, die die Staatsquote antreiben, weil alles immer teurer wird, weil von allem ein wachsender Anteil an Renten abgezogen wird, die denjenigen zugute kommen, die die Vorfinanzierung der Produktion ermöglicht haben. Es ist nicht die Gier des Staates oder der Regierung, die die Staatsquote nach oben treibt, denn der Staat ist selbst in erster Linie Schuldner.

Das ist vielleicht der entscheidende Unterschied der heutigen Zustände zum klassischen debitistischen Modell: Der Staat erhebt die Steuern, aber der größte Teil der Staatsquote ist nur direkt Steuerschuld. Indirekt, nämlich über den Umweg der Staatsausgaben, sind es die Nettogläubiger, denen das zusätzlich eingetriebene Geld zugute kommt. Die privaten Vermögen steigen mit der Staatsverschuldung und konzentrieren sich dabei auf immer weniger Gläubiger. Während zu Beginn eines debitistischen Durchlaufs, also z.B. kurz nach einer Währungsreform, die privaten Guthaben und Vermögen klein sind und der Staat hauptsächlich "auf eigene Rechnung" arbeitet, ist der Staat heute hauptsächlich Eintreiber für am Ende private Schulden. Es sind die privaten Verbindlichkeiten, die heute mehrheitlich zu Privatinsolvenzen führen, nicht die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt. Das "haben müssen zum Termin" ist damit großteils privatisiert, nicht das öffentliche Finanzamt sondern die private Bank oder der private Investor sitzt dem Schuldner im Nacken.

Gruß,
Naclador

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"Nur die Lüge benötigt die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht."
Thomas Jefferson


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