Amis in Dirdl und Lederhose
Hallo BB -
vielen Dank für Deine Überlegungen!
Die eine betrifft die gegenseitige (?) Befruchtung
nacheinander aufscheinender Zyklen
Diese Sache ist einfach ein Fakt. Auch wenn @Mephisto meint, dass 'die Merowinger' Analphabeten waren, so haben sie doch Bücher und Buchmalereien hinterlassen. Das Buch ist eine Erfindung der Christen, die Buchstaben übernahmen sie von den Lateinern und die Texte waren griechische Autoren oder wiederum christliche. Bei der Übernahme haben sie ihre eigenen Gedanken, Ideen und Gefühle mit eingebracht - wodurch eine einzigartige und individuelle neue Kunst entstand.
https://de.wikipedia.org/wiki/Merowingische_Buchmalerei
Ich habe in meinen vorangehenden Beiträgen hoffentlich hinreichend klar ausgedrückt, dass Kulturen Individuen sind. Aber sie nehmen selbstverständlich Dinge aus ihrer Umwelt auf und verwerten sie (natürlich in anderem Kontext!), ja sie sind am Anfang der Kultur geradezu neugierig und besessen nach dem Neuen und Großartigen. Die Goten hätten auch Zentralasien ziehen können und dort Pferde züchten und Gemsen jagen. Aber mit ihren Schwertern vor der Stadt Rom auf die Schilde zu schlagen, war offenbar interessanter. In Zentralasien hätten sie keine Hochkultur aufbauen können, in Italien konnten sie - und Andere - es gemeinsam tun. Eine Hochkultur ist nämlich immer ein Konzert von Völkern, bei dem das eine Volk ein anderes ablöst, wenn das vorangehende sich erschöpft hat - doch bleiben sie alle auf dem gleichen Pfad, im gleichen Schwarm.
Zum anderen die Schwierigkeit eine/die Nachfolge
des abendländischen Zyklus zu erahnen:
Ich gehe davon aus, daß ein solcher Zyklus originär
aus "unverbrauchten" Völkern herauswachsen muß.
Ja, das ist auch nach meiner Auffassung zwingend. Und im Augenblick gibt es keine "unverbrauchten Völker" mehr. Deswegen rechne ich für die gesamte Zukunft der Menschheit mit keinem weiteren Hochkulturzyklus. Was m.M. nach passieren wird, ist folgendes, und es gibt hierfür zwei Optionen:
Erstens wird der gegenwärtige Hochkulturzyklus, wenn er gegen 2300-2400 auslaufen wird, immer noch etwa 1000 Jahre nachwirken. Es ist, wie wenn man dem Auto den Motor abstellt und es auf ebener Strecke im Leerlauf ausrollen lässt. Der beste historische Vergleich ist Byzanz, das eine wenig kreative "Verlängerung" der spätantiken Situation war (machtpolitisch und kulturell gesehen). Westeuropa, nur 1000 km entfernt, stand schon in voller Blüte seines neuen Hochkulturzyklus, da war Byzanz nur noch ein trockener Stamm - aber es hatte das Kulturinventar, das nach der Gründung von Konstantinopel dort versammelt worden war, über 1000 Jahre hinweg bewahren können.
Die andere Option lässt sich sehr schön am Beispiel Chinas veranschaulichen. Nach dem Ende des Hochkulturzyklus im Jahr 200 AD (Ende der Han-Dynastie) sehen wird dort - parallel zur Weiterführung der alten Tradition (siehe 'Beamtenprüfung, die noch 1900 abgehlaten wurde!) - immer mal wieder ein regionales Aufflammen der kulturellen und politischen Kreativität. Nach Jahrzehnten von Chaos findet plötzlich eine neue Dynastie die Kraft, erneut ein Großreich zu formieren. Trotz allem Reichtum und aller Macht, die dann akkumuliert werden können, bleibt man aber in gewissen Traditionen verhaftet (Kaiser, Eunuchen, Beamten). Zur Zeit des Columbus hatten die Chinesen viel größere Schiffe als wir in Europa und sind bis Afrika gesegelt - aber dann plötzlich hat man entschieden, dass das nicht den Traditionen des Reiches der MITTE entsprach, und hat das Unternehmen wieder abgeblasen.
Ich gehe davon aus (auch im Hinblick auf etwaig anstehende größere Naturkatastrophen), dass mindestens über die nächsten 1000 bis 2000 Jahre auf der Basis der gegenwärtig vorhandenen Kulturgüter (vor allem im Bereich Technik) es regional und phasenweise zu solchem mehrfache Nachblühen oder Nachglühen des aktuellen Kulturzyklus kommen wird.
Verbleiben die Russen!
Die Frage ist, in wieweit die Jahrzehnte des Kommunismus
in der Seele des Volkes einen derart tiefen, zerstörerischen Impakt
hinterlassen haben, daß die sich dort bereits originär entwickelnde
und eigenständige Phase der Kultur dauerhaft geköpft wurde.
Der Kommunismus hat Russland weder genetisch noch geistig geschadet. Nur populationsdynamsich. Sie könnten heute vielleicht 200 Mio Bevölkerung haben, wenn es den Kommunismus und die beiden Weltkriege nicht gegeben hätte.
Im übrigen:
Grundsätzlich gleicht das Verhältnis Griechenland - Rom
demjenigen Westeuropa - Rußland.
Würde ich anders sehen. Die USA entsprechen in Bezug auf Europa den Kolonien der Griechen im westlichen Mittelmeerraum, die eben Neugründungen waren und (genetisch-geistig) daher mehr Energie und einen längeren Atem hatten - und am Ende den greisenhaften östlichen Mittelmeerraum 'übernahmen'. Wie die USA das eben mit uns gemacht haben. Ich sehe die Russen (Slawen) ebenso als einen Teil von Europa, der aber viel länger schon mit uns verflochten ist, etwa 1000 Jahre. Er hat noch mehr (genetisch-geistige) Reserven als wir, aber er hat nicht die Kraft, einen neuen Hochkulturzyklus zu starten. Es steht aber außer Frage, dass Russen und andere Slawen/Eurasier eine eminente Rolle in den oben beschriebenen Prozessen spielen werden. Sie werden die Deutschen (und die Juden) ablösen, aber werden mit einem großen globalen Potential/Reservoir an Talenten konkurrieren müssen, voran chinesischen, nahöstlichen und südamerikanischen.
Es wäre davon auszugehen, daß Rußland die Hand auf Europa legt.
Daß Russen einst - den Baedecker als Vademecum auf der Faust -
in Heidelberg promenieren, vor dem Kölner Dom, auf Neuschwanstein.
Das "Hand auf Europa legen" wird nur ein Wimpernschlag sein. Im übrigen sind sie schon lange da, siehe Dostojewski in Baden-Baden. Aber während die primitiven Amis auf dem Oktoberfest in Dirndl und Lederhose rumlaufen, tanzt nebenan in der Staatsoper ein Russe so wundervoll, dass Katerina Tichonowa, eine Roch'n Roll Akrobatin, sich in ihn verliebt. Sie heiraten schließlich und bekommen ein Kind - und der eine Großwater heißt nun Putin, der andere Selenski.
https://de.wikipedia.org/wiki/Katerina_Wladimirowna_Tichonowa
Geschichte ist manchmal auch sehr witzig.
Beste Grüße von dem Weiner!