Vom Schopi zum Hopi

Kurz_vor_Schluss, Donnerstag, 05.01.2017, 19:34 (vor 2666 Tagen) @ trosinette6814 Views

N, Abend,

Radikal unpolitisch bei radikaler Gelassenheit. Das Ganze funktioniert
natürlich nur mit einer gewissen Dosis geistiger Entrücktheit. Zu diesem
Zweck sollte man beispielsweise die „Frohe Botschaft“ oder eine wie
auch immer geartete hoffnungsvolle Interpretation der Selbigen im Auge
behalten oder sich die Glücksphilosophie eines gewissen Arthur S. oder
Meister Eckhart zu Eigen machen. Mit Musik wird die ganze Angelegenheit
abgerundet.

Das ist ein guter Schritt. WENN es nicht Entschuldigung für ein „Nicht-mehr-Sehen-wollen“ ist. „Ach, ich bin so gelassen – was solls auch….“. Eckhart und Schopi sind Zwischenschritte – da kommt noch mehr….. Von daher: Wenn die Gelassenheit von Mitgefühl und dem Bedürfnis nach Wahrheit begleitet ist - welcome! Wenn sie als Entschuldigung für „so isses gemütlich“ benutzt wird – dann sollte man nochmal hinschauen.


Ich muss aber zugeben, dass es das Schicksal bisher wahnsinnig gut mit mir
meinte. So wurde mir z.B. ein sicherer IT-Admin-Job an die Hand gegeben,
der mich mit hinreichend Netto nach Hause gehen lässt und der es mir
erlaubt, den sogenannten Ernst des Lebens die meiste Zeit in untätiger
Freude und kontemplativer Gelassenheit an mir vorbeiziehen zu lassen.
Darüber hinaus erlaubt mir meine Gesundheit mein neues Geheimprojekt
„Berliner Meister ü50 über 200m Freistiel“ zu starten. Ich habe keine
Ahnung, womit ich so viel Glück verdient habe und sehe mich außer Stande,
mich übergebührlich über zerfallende Infrastruktur, schmutzige
Bürgersteige und randalierende Nafris und verplemperte Steuergelder
aufzuregen. Es ist doch sowieso vollkommen klar, dass alles was ist und
alles was kommt auch wieder vergehen muss, was insbesondere für den Tand
aus Menschenhand gilt.

Du regst Dich nicht drüber auf, u.a. weil es Dir so gut geht – was Dir zu gönnen ist. Wenn ich mit dem Kioskbesitzer um die Ecke, dem Pizzaboten oder Taxifahrer rede, höre ich anderes. Denen geht es halt nicht so gut. Und Wohlstand ist – in meinen Augen zumindest - auch eine Verpflichtung. Man kann damit gutes tun – oder nicht. Fortentwicklung geht aber nur über’s Hinsehen oder Sehen-wollen. Wie sagte Kurt? Lass mich sehen. Das Unrecht ansprechen OHNE darin emotional so tief verstrickt zu sein, dass man nicht mehr klarsieht – oder schlimmer, dass man die Wahrheit um des Vorteils willen verbiegen will. Deswegen sind Deine Einlassungen hier ja so wichtig, weil Du es ansprichst, wenn sich jemand verrennt. Das befreit aber nicht vom Blick in den Spiegel.

Von dieser Bürde habe ich persönlich noch nichts mitbekommen. Diese
Bürde kenne ich nur aus Erzählungen. Es scheint mir aber, dass sich Viele
mit dieser Bürde, dem politischen Drumherum und die Sorge um Deutschland
dermaßen beladen, dass sie von dem eigenen kleinen Glück nichts
mitbekommt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir Deutschen in dieser
Beziehung besonders gut sind. Weil den Leuten im englischsprachigen Raum
für gewisse deutsche Eigenarten die Worte fehlen, haben die sich sogar den
Begriff „German Angst“ ausgedacht.

Das ist ein wahres Wort – das Glück ist im Augenblick. Vorhin dappelte ich müde durch den Supermarkt, sprach ne Verkäuferin wegen Schokolade, die ich suchte, an – und aus dem Gespräch wurde ein Lachen, ein kleiner Flirt – und beschwingt ging ich nach Hause. Sowas kann ja jeder – genauso wie sich an Wind, Sonne, Lachen, Kindern etc. erfreuen. Aber wie gesagt: SEHEN wollen! Das sehen wollen, was ist! Das isses – alle sind Sklaven, aber jedes Land hat seine persönliche Form der Sklaverei. Die hier bei uns aufzuzeigen – das tun Gottseidank noch einige und werden’s hoffentlich weiter tun. Wir sind die super-duper-gepamperten Sklaven – uns geht’s Gold, im Vergleich zu vielen anderen. Aber wir sind dennoch Sklaven. Und det kann man erkennen, Old Schneiderhand. In Dir ist nicht nur Gelassenheit, da unter der Maske ist auch noch Feuer – „trinkt noch Glut und schlürft noch Licht“.

Mit freundlichen Grüßen
Schneider

Schee Abend
K_v_S

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Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.
Karl Valentin


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