Ich argumentiere die debitistische Systemlogik, weil sie ja selten ausgesprochen wird

Miesepeter, Mittwoch, 25.11.2020, 12:08 (vor 1220 Tagen) @ Amos2509 Views
bearbeitet von Miesepeter, Mittwoch, 25.11.2020, 12:13

Hi Amos,

Unterhalb der Transzendenz ist es natürlich unvermeidbar, im Trommelfeuer den unablässigen Erzählungen im Sapienshirn wie von einem Magneten dahingezogen zu werden, wo bisherige Wahrnehmungen bereits einen dicken Pfad ausgelegt haben......

Den Chris Martensen verfolge ich deshalb gern, weil er ganz ähnliche ausgelegte neuronale Verarbeitungsmuster hat wie ich.

Erzählung Nr. 1: > Wachstum ist immer gut, mehr Wachstum ist immer besser.
Erzählung Nr. 2: > Wachstum ist ab einer bestimmten Stelle eine bösartige Krankheit

In der Logik des Debitismus gibt es Erzählung Nr.2 nicht. Ausbleibendes Wachstum bzw. sogar Schrumpfung führt zum schnellen und vollständigen Kollaps des Systems. Der Debitismus ist darauf ausgelegt, Mehr-Leistung und Wachstum zu erzwingen.

Für weniger Leistung braucht es ein verändertes System, in welchem der Schuldendruck stark abgeschwächt und das Profitmotiv eingeschränkt wird, eventuell durch weniger aktivierende altruistische Motive ersetzt wird. Schwächere Motive => weniger Leistung => weniger Wachstum.

Momentan sehe ich da im Westen durchaus Tendenzen in diese Richtung (zb Aufhebung des Insolvenzdrucks, Übernahme von Schuldenrisiken durch Notenbanken, massive Staatsneuverschuldung), aber die Gesamterzählung bleibt auf Systemerhalt und Wachstum ausgerichtet - nur soll es halt grünes Wachstum sein, d.h. das Profitmotiv soll genutzt werden, um möglichst viel Leistung zu aktivieren, welche in regenerative Technologien und Infrastruktur geleitet wird. Wenn man viel in kurzer Zeit erreichen will, ist dies vermutlich auch der richtige Ansatz. Kompetent umgesetzt, wird das eine einmalige Nachhaltigkeits-Bonanza. Das System, und damit auch die bestehende Hierarchie, wird dadurch nicht in Frage gestellt, sondern gefestigt.

Darüber hinaus ist doch jedem klar, dass längerfristig sowohl Bevölkerung wie auch Ressourcenverbrauch nicht so weiter wachsen können wie in den letzten 150 Jahren. Die Natur hat ihr eigenes Vorgehen, um das sicherzustellen: Zusammenbruch und Massensterben.

Für die Politik stellen sich somit zwei grosse Herausforderungen:

Entweder ein System zu entwickeln, welches Schrumpfung von Bevölkerung und Ressourcenverbrauch zulässt, fördert und ermuntert, in welchem Schrumpfung nicht in einen Zusammenbruch mündet. Die bisherige Strategie der Verstädterung kann zwar das Bevölkerungswachstum eingrenzen, aber nicht den Resourcenverbrauch.

Oder, wenn dies nicht gelingt, nach entsprechenden Möglichkeiten zu suchen, dass möglichst der ferne Andere von dem Zusammenbruch und Massensterben betroffen ist, und nicht die eigene Umwelt.

Mit einem debitistischen System ist nur die letztere Variante kompatibel.

In diesem Dilemma liegt die Erzählung ihres Lebens für die Generation Greta.

Beste Gruesse!
mp


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