Das sind Fragen, auf die ich auch schon oft eine Antwort gesucht habe

helmut-1, Siebenbürgen, Freitag, 11.12.2020, 15:39 (vor 1230 Tagen) @ Zürichsee5923 Views

"Der Mensch kann sich doch mit seiner Willenskraft durchaus gegen solche Automatismen stellen…"

Das hängt aber (auch) davon ab, wie er erzogen wurde, besser gesagt, welchen Samen die Eltern in das fertile Element eines jungen Menschen gelegt haben.

Ich sehe den Unterschied bei meinen Kindern. Zwei aus der 1. Ehe und eins aus der 2. Ehe. Logischerweise war ich bei der Geburt der ersten zwei wesentlich jünger. Unreifer, vielleicht, aber mit Sicherheit konnte ich nicht die Notwendigkeit der Maßnahmen ermessen, die notwendig sind, um einem Kind den richtigen Weg zu zeigen. Ich habe mich damals mehr auf die Erziehung als "Selbstläufer" verlassen, in der Kombination mit meiner Frau und bin meinen Interessen nachgegangen, die sich vornehmlich um den Aufbau meiner beruflichen Existenz drehten.

Letzteres war ja auch irgendwie meine Rechtfertigung für meine äußerst begrenzte Zeit, die ich der Familie widmete, - schließlich war ja das Brötchen-Verdienen die Grundlage dafür, dass meine Familie gut leben konnte und sich nicht nur den neuen Daimler, der erst grade frisch auf den Markt gekommen ist, einschl. des jährlichen Urlaubs im Klub Méditerranée leisten konnte.

Viel zu spät bin ich draufgekommen, worums bei den Kindern im Wesentlichen geht. Das Lied von Udo Jürgens bringts auf den Punkt.

https://www.youtube.com/watch?v=NEiEU3aH5Bo

Die Großen sind weit über 40, sie haben zwar schon die Zusammenhänge verstanden, nach den vielen Diskussionen, die wir gehabt haben,- und ich habe mich auch nicht gescheut, Fehler zuzugestehen, ja, auch mehrere Entschuldigungen gabs von meiner Seite. Aber dafür braucht man Reife, um das zu erfassen. Mein Jüngster hat davon profitiert, - der nicht im Konsumdiktat aufgewachsen ist, sondern in Siebenbürgen. Klar habe ich ihm einen anderen Zeitfaktor gewidmet, viel habe ich ihm gezeigt, viel hat er schon als Jugendlicher in der Schulzeit von unserem Beruf mitbekommen.

Manchmal habe ich ihn gerufen, um ihm die Schönheit eines Spinnennetzes und die perfekte Zeichnung auf dem Rücken der Kreuzspinne zu zeigen, - und so vieles andere auch. Er aber ist der Einzige von meinen Kindern, der an dem Beruf, den sein Vater ausgeübt hat, Gefallen findet. Es war seine Entscheidung, obwohl ich ihn zur Probe auch in anderen Berufen ein Praktikum ermöglicht habe.

Die immense Bandbreite in unserem Beruf des Garten- und Landschaftsbaues hat ihn angesprochen, dass niemals wie in einer Fabrik etwas im selben Muster verläuft, jede Baustelle ist anders, - nur wenige Elemente wiederholen sich.

Warum habe ich das so ausführlich erklärt. Ich kenne viele kleine Unternehmer, die einfach nicht verstehen können, warum sich ihre Kinder nicht mit dem identifizieren können, was für sie "die Welt" bedeutete. Der springende Punkt ist der Faktor "Zeit". Die Kinder verbinden den Beruf des Vaters mit der zeitlichen Abstinenz für ihre persönlichen Belange, die sie oftmals in die Kategorie "Probleme" hochschaukeln, - ganz einfach deshalb, weil das Vorbild, zu dem sie aufschauen, keine Zeit hat, das im Gespräch mit ihnen in die richtige Schublade abzulegen.

Ich hab auch lange gebraucht, bis ich das gerafft habe. Aber beim dritten hab ichs kapiert. Zum Glück.


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