Weder Goethe noch Spengler sind sakrosankt

Tempranillo, Mittwoch, 03.06.2020, 09:12 (vor 1421 Tagen) @ Taurec2535 Views

Goethe ist allerdings nicht sakrosankt.

Natürlich nicht. Niemand ist sakrosankt, auch Spengler nicht.

Spengler darf das Faustische im Rahmen seiner Philosophie getrost so bestimmen, wie es innerhalb dieser Philosophie schlüssig ist.

Selbstverständlich. Allerdings provoziert er mit seiner Definition, die nichts mit Goethes Dramatischem Gedicht zu tun hat, erhebliche Mißverständnisse. Ich dachte immer, Definitionen seien dazu da, Klarheit zu schaffen, nicht Unklarheit und sollten auch nicht dazu dienen, eine sehr individuelle *Theorie* zu bepflastern, auf die ihr Urheber das weltweite Alleinpatent innehat.

Im übrigen würde mir eine Gegenüberstellung der entsprechenden Literaturzitate und Deine Interpretation derer entgegekommen, um hier vernünftig ansetzen zu können und ausschließen, daß ein Mißverständnis vorliegt oder inwiefern dieses vorliegt.

Ich beziehe mich ausschließlich auf die von Meph und Dir kopierten Zitate. Wenn meine Interpretation nicht paßt, kann das auch daran liegen, daß Ihr die falschen Textstellen ausgesucht habt.

"Volkstümlich" in mindestens lockerem Zusammenhange mit Demokratie kommt im Hauptwerk eigentlich nur an drei Stellen vor. Die anderen Werke habe ich nicht durchsucht, aber als Kritiker bist Du natürlich in der Bringschuld an belegenden Zitaten.

Ich habe mich auf Eure Beiträge bezogen.

"Aber es kennzeichnet allerdings den Weg der Demokratie, daß die Urheber volkstümlicher Verfassungen niemals die tatsächliche Wirkung ihrer Entwürfe geahnt haben, weder der Schöpfer der 'servianischen' Verfassung in Rom noch die Nationalversammlung in Paris." (S. 1131)

Spenglers Aussagen über die Pariser Verfassung ist einfach nur eine Frechheit, Blödheit oder glatte Lüge.

Die Schöpfer der Verfassung von 1789 wußten sehr genau, welche Wirkungen sie erzielen wollten, die dann ja auch eingetreten sind:

Sich selbst anstelle des Ancien Régime setzen, das Volk auf beispiellose Weise von allen Entscheidungen ausschließen, entrechten, der schrankenlosen Ausplünderung preisgeben und dem freimaurerisch-messianischen Globalismus die Tür öffnen (Chapelier-Gesetz, Bildungsreform Saint-Fargeaus, Deklaration der Menschenrechte).

Im vorgenannten Sinne ist "volkstümlich" hier, was die Ideologen und Demokratiegläubigen als Sinn der Demokratie begreifen, weil sie nicht unter die Oberfläche zu den eigentlichen Verhältnissen vordringen.

Es geht darum, was Spengler damit meint, nicht die Demokratiegläubigen, die nie vorgegeben haben, volkstümlich sein zu wollen, weder 1789, 1919 (Weimar) noch 1949 (OMF-BRD). Die Demokratiegläubigen gaben vor, demokratisch sein zu wollen.

Die "Urheber volkstümlicher Verfassungen", sind die weltfremden Sophisten, die mit hehren Idealen die Welt neu ordnen wollen und vermeinen, eine Verfassung "vom Volk für das Volk" zu schaffen.

Schreiender Blödsinn. Die Urheber der Pariser Verfassung hatten etwas ganz anderes im Sinn, u.a. wollten sie sich maßlos bereichern (Drumont). 1949 ging es darum, die Fremdherrschaft über Westdeutschland in einen Gesetzestext zu gießen (Carlo Schmid).

In diesem verächtlichen Sinne verwendet Spengler den Begriff "volkstümlich". Es ist, was der Masse schmeichelt. Als gewiefter Manipulator und Lenker der Masse muß man natürlich "volkstümlich" erscheinen und diejenigen lenken, die an die "volkstümlichen Ideale" glauben.

Tut mir leid, wieder nur unerträglicher Blödsinn, der überhaupt nichts mit 1789 zu tun hat, worin ich mich inzwischen vielleicht ein wenig auskenne.

Der 14. Juli war ein Putsch von Rechts, die Machtergreifung der Geldmacht. Das Volk hat überhaupt keine Rolle gespielt, war lediglich Zuschauer und wollte seinen König behalten, was die Demokraten verhindert haben und dafür in Paris die Guillotine aufstellten und in der Vendée ein Genozidmassaker veranstalteten.

Spenglers Gedanken sind durchaus vielschichtiger, ...

Vor allem sind sie völlig unklar, unverständlich und passen nie zur Wirklichkeit, was man anhand der Revolution von 1789 belegen kann.

als was Du ihm zum Vorwurf machst, der eher in dem von mir vermuteten Sinne ein grundsätzliches Mißverständnis darstellt.

Normalerweise gelingt es mir ohne große Anstrengung Texten den jeweiligen Sinn zu entnehmen. Nur bei Spengler nicht. Deute ich, was Du und Meph kopiert, heißt es jedesmal, ich hätte Spengler nicht verstanden.

Danach werden Erklärungen serviert, die es nicht besser machen, keinerlei Klarheit schaffen, lediglich versuchen, die Spengler'schen Texte immanent und zirkelschlüssig zu deuten (faustisch, volkstümlich, demokratisch) und weder zur historischen noch aktuellen Wirklichkeit passen.

Bleibe ich hartnäckig, wird wieder ein halber Meter Spengler gebracht und das Spielchen geht von vorne los.

Mag ja sein, daß ich zu blöd bin, Spengler zu verstehen, aber was von Euch kommt, besteht nur darin, dessen Werk unter völligem Verzicht auf die beobachtbare Wirklichkeit zu paraphrasieren, so daß die Diskussion sich immer nur innerhalb des von Spengler gezogenen Zirkels bewegt.

Es käme aber darauf an, Spenglers *Theorien* ersten auf Konsistenz zu prüfen und dann, das Wichtigste, sie anhand der Wirklichkeit zu überprüfen.

Du handelst wie ein gläubiger Marxist, dessen Argumentation bei Marx beginnt, wieder bei Marx endet, jede kritische Überprüfung anhand der Tatsachenwelt vermeidet und auf diese Weise irgendwie immer richtig ist.

Allerdings ist diese Richtigkeit wie bei einem Marxisten, katholischen Dogmatiker oder Imam Folge zirkelschließenden Vorgehens.

Die Demokratie ist "volkstümlich", was aus Spenglers elitärer Warte aus aber eher negativ erscheint, denn das Volk kann nie aus eigenen Stücken herrschen, stets nur scheinbar, von oben gelenkt.

Diese Feststellung ist unter allen denkbaren Varianten schreiender Blödsinn. Unter welcher Möglichkeit sie richtig sein könnte, ist schlicht und einfach nicht aussagbar. Demokratie und Volkstümlichkeit sind eine Contradictio in Adjecto, ein Widerspruch in sich.

Durch Volkstümlichkeit würde sich die Demokratie selbst aufheben!

Hier fehlen begründende Zitate, die diesen Vorwurf über ein bloßes Vorurteil hinausheben.

Meine Vorwürfe leite ich aus den von Dir und Meph gebrachten Zitaten ab.

- Mit seinem an keinerlei Bedingung geknüpften Plädoyer zugunsten von Imperialismus und Krieg unseren Todfeinden, Angloamerika, Hochfinanz, Großkapital und Eliten in die Karten zu spielen, für deren Interessen er Deutsche zum Kanonenfutter machen wollte.


Zitate bitte! Das ist dermaßen entstellt, daß ich nicht mal wüßte, nach welchen Schlüsselbegriffen ich in seinem nicht 850, sondern 1195 Seiten zählenden Werk suchen müßte.

Das ergibt sich völlig logisch und von dem von mir in repetitiver Stupidität laufend gebrachten Hinweis auf Spenglers bedingunglsosem (sic!) Eintreten für Krieg und Imperialismus. Meph hat die Zitate gebracht und damit ein herrliches Eigentor geschossen, was er noch immer nicht kapiert hat.

"Herrennaturen" sind Machtmenschen, die sich nicht durch Sentimentalitäten und Ideale verblenden lassen, sondern die Natur der Dinge (des Menschen und der Geschichte) begriffen haben, um sie nach ihrem Sinne zu gestalten. Über die moralische Qualität derer Ziele ist dadurch noch nichts gesagt.

Im organisierten Verbrechen wird Spenglerismus praktiziert. Kann man mögen, gutheißen oder rechtfertigen. Etiam si omnes ego non.

Geschichte wird immer durch Machtmenschen gemacht, auch in der Demokratie. Daß Du Spengler dies von Deinem moralisierenden Standpunkte aus vorwirfst, spiegelt Dein entstellendes Mißverstehen seines Werkes wider.

Hab' ich nie bestritten. Ich sage nur, daß Spengler inkonsistenten Unsinn schreibt, der nicht auf die Wirklichkeit paßt.

Das sind keine "sehr genau umrissenen Angriffsflächen", sondern verzerrte und unbegründete Vorwürfe, die lediglich unter dem Vorwand angeblicher Gedanken Spenglers Deine eigenen Urteile transportieren.

Eigenartig: kritisiert man Spengler ist jeder Vorwurf unberechtigt, die Folge von Vorurteilen oder mangelnden Verständnisses.

Islamisten argumentieren genauso.

Quod erat demonstrandum.

Tempranillo

--
*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).


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