Hat mich nachdenklich gemacht, Dein Kommentar

helmut-1, Siebenbürgen, Mittwoch, 14.09.2022, 22:04 (vor 587 Tagen) @ Dionysos1695 Views

Erst einmal danke für die Offenheit und gleichzeitig mein Mitgefühl für das, was Du in der letzten Zeit durchgemacht hast. Sowas geht einem nicht am A. vorbei, das geht an die Nieren. Schließlich sind es die Eltern. Mutter hat man nur einmal im Leben, und wenn der Vater stirbt, wird einem plötzlich klar, dass nun die Reihe an einem selbst ist. Hab das alles mitgemacht, ich weiß, wovon ich rede.

Generell spreche ich jedem Menschen das Recht zu, selbst zu entscheiden, wenn er/sie genug vom Leben hat. Das ist natürlich für die Zurückgebliebenen oftmals schwer, das zu akzeptieren. Es ist nun mal die bekannte Problematik des Reisenden. Derjenige, der in den Zug einsteigt, der freut sich auf das, was ihn erwartet, und derjenige, der auf dem Bahnsteig zurückbleibt, den überfällt die Wehmut. Die Freude des Reisenden kann er nicht auf sich übertragen.

Es ist schön für die Nachfahren, wenn man weiß, dass die Eltern auch schöne Zeiten erlebt haben. Es trifft nur auf einen Teil der Generation zu, die noch den Krieg erlebt hat. Aber es erleichtert den Rückblick.

Als ich kürzlich zu Besuch bei unserm Jüngsten in Deutschland war, habe ich das auch von meiner Sichtweise angesprochen, als die Rede darauf kam. Meiner Frau und meinem Sohn kamen meine Worte zwar nicht so sehr gelegen, aber da ich schon einiges getrunken hatte, interessierte mich das nicht. Meine Argumentation ging in die Richtung, was denn ein Mensch vom Leben erwarten möchte. Wenn es für mich morgen vorbei wäre, worüber könnte ich mich beklagen? Über gar nichts.

Ich hatte zwei wunderbare Frauen, um die mich jeder beneidet hatte, und drei exzellente Kinder, die alle ihren Weg gegangen sind und auf die ich stolz bin. Ich konnte die 70er Jahre als Jugendlicher miterleben, ich war in der Lage, mit Schubkarre und Schaufel und einer Wasserwaage, mit Null am Konto, meine Firma zu gründen, und ich habe Erlebnisse, aufgrund meiner Verrücktheiten, die ich mit meinen Freunden begangen habe, worüber ich ein Buch schreiben könnte. Welchen logischen Grund gäbe es für mich, traurig zu sein, weil es vorbei ist? Überhaupt keinen. Ein Leben lang gesund zu sein, das ist doch was. Oder soll ich deshalb weinen, weil das letzte Hemd keine Taschen hat? Das, was ich alles erlebt habe, dafür bräuchte Otto Normalo üblicherweise zwei Leben.

Deshalb habe ich bei diesem Gespräch schon allen eine Absage erteilt, die sich in der Stunde des Abschieds den Tränen und der Trauer hingeben würden. Es ist unbegründet und nur eine Form des Selbstmitleids, weil man denjenigen, an den man gewöhnt war, nicht mehr zur Verfügung hat. Mein Leben war vielleicht arbeitsreich, aber von Gott begnadet. In meinem Testament wird verfügt, dass auf meiner Trauerfeier Walzer getanzt wird. So geht ein Musiker, so geht ein Wiener von der einen auf die andere Welt.

Das nur als Kommentar dazu, dass man sich rechtzeitig auf sein Ableben einstellen soll. Es ist gut, dass ich Wiener bin. Unsereiner hat ein sehr lockeres Verhältnis zum Tod, er gehört gewissermaßen zum Leben. Das resultiert auch aus vielen traditionellen Wienerliedern.

Das andere ist das Materielle. Meine Eltern haben das frühzeitig geregelt, und deshalb gibt es keinerlei Streit oder Konflikte mit den Nachkommen. Genau dasselbe mache ich auch. In weiser Voraussicht, dass der Staat nur das bekommt, was man bei aller Vorsicht nicht verhindern kann.

Aber eines wird in meinem/unserem Fall niemals ein Problem werden: Probleme mit einem Heimplatz. Meine Frau und auch ich ziehen es vor, in unserm Bett zu sterben. Diese Grundbedingung ist durch die Übergabe derImmobilien schon bei unseren Lebzeiten notariell manifestiert. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass unerwartet aufgrund einer akuten Erkrankung ein Krankenhausaufenthalt notwendig wird. Aber man wird mich im Ernstfall , wenns mal soweit ist, nach Hause bringen, eine suspekte Covid-Infektion wird man bei mir nicht abstempeln können, die mich dann in einem sterilen Sack zur Beerdigung bringt.

Das alles ist in einem detailierten Ablauf notariell festgelegt, wie in einem Marshallplan, - denn wäre das nicht der Fall, würden die Immobilien an einen Kanickelverein fallen.

Soviel zum Thema, sich rechtzeitig auf den Abgang vorzubereiten. Das Ganze von meiner Seite vielleicht emotionslos aufgearbeitet, gemäß meinem Naturell - aber trotzdem kann ich das in etwa nachvollziehen, was Du in der letzten Zeit erlebt und durchgemacht hast. Nochmal meine Anteilnahme!


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