Meine Lebenserfahrungen der letzten Wochen

Dionysos, Dienstag, 13.09.2022, 12:14 (vor 591 Tagen) @ NST3315 Views

Daher ist wichtig, sich auf den Tod im Leben gut vorzubereiten.


Das ist der Kern des Anliegens. Der Tod ist klar erkennbar das Endergebnis eines Lebens. Fast alles im Leben müssen wir lernen - bevor wir es halbwegs können. Mit der Problematik des anstehenden Todes - dieses Thema wird immer verdrängt.

Hallo NST,

ich fasse mal meine Ereignisse der letzten drei Monate zusammen. Bereits im vorigen Jahr hatte ich Heizmaterial für 4-5 Winter als Alternative zu meiner Gasheizung versorgt. Meine Eltern wären dann im Notfall bei mir mit eingezogen.

Was ich nicht wusste, meine Eltern waren Spezialisten im Vorspielen einer heilen Welt. Meine Mutter hätte den kommenden Winter wegen einer Nierenerkrankung im Endstadium sicher nicht überlebt. Im März dieses Jahres ließ sie ihre, durch einen Sozialdienst verabreichte Insulinspritzen, auf Einnahme von Tabletten in Eigenregie umstellen. Im April trafen sie sich mit Urlaubsbekannten und sagten ihnen, dass sie ihren Kindern auf keinen Fall zur Last fallen wollen. Im Juni, als ich mit meiner Frau in Paris war, verabredeten sie sich mit meinem Onkel und sprachen die Details einer Bestattung durch. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits alle Medikamente abgesetzt.

Im Juli kam es aufgrund einer Überzuckerung bei meiner Mutter zu einem Kreislaufschock und zur Einweisung ins Krankenhaus. Nach einer schwierigen Suche hatte ich in 60 km Entfernung das Glück, ein Heim für eine Kurzzeitpflege zu finden. Nach zwei Wochen Krankenhausaufenthalt sollte die Überführung ins Pflegeheim stattfinden. Eine Stunde vor Abfahrt bekam ich den Anruf, meine Mutter hätte sich im Krankenhaus mit C. infiziert und ich hätte ab sofort Besuchsverbot. Mich hatten die Anweisungen der Klinik und von diesem Seuchen-Karl nicht interessiert und ich hatte trotzdem ohne Vermummung meiner Mutter besucht. Die Stationsschwester ist derweil stiften gegangen. Ein zweites Mal riskierte ich es nicht, weil ich nicht wusste, ob ich von einem zwei Zentner schweren Pfleger empfangen wurde. Außerdem wäre ich bereits am Einlass sicher wegen Hausverbotes gescheitert. Ein paar Tage später war sie tot. Ich bin während des Krankenhausaufenthaltes an keinen Stationsarzt herangekommen. Die Schwestern gaben keine Auskünfte. Ich war froh, mich wenigsten bei ihr verabschiedet zu haben.

Nach dem Tod meiner Mutter baute mein Vater massiv ab. Aufgrund der fehlenden Tabletten hatte er sicher Wasser in der Lunge. Er deckte sich sicher nachts auf und stand am offenen Fenster. Das Ergebnis, Einweisung in die Klinik mit Lungenentzündung. Er setzte das auch noch im Krankenhaus fort und lief barfuß nachts über die Station. Als ich ihn besuchte fragte ich ihn mit Handzeichen, wie es weiter geht? Beim Daumen nach unten nickte er und lächelte mir zu. Am nächsten Tag war er gestorben.

Für mich war das eine dramatische Zeit. Meine Eltern führten jedoch ein selbstbestimmtes Leben, so wie es in den Büchern von Ayn Rand beschrieben ist.

Mein Vater hat das Leben seit seinem 15. Lebensjahr als Geschenk betrachtet. Er wurde in die HJ einberufen. Einige seiner Schulkameraden, die ein paar Monate älter waren, haben diese Zeit als Flakhelfer nicht überlebt. Meine Eltern konnten ein Leben während eines wirtschaftlichen Aufwärtszyklus erleben, haben fast ganz Europa besucht, Amerika durchquert, sind über dem Grand Canyon mit dem Hubschrauber geflogen und nun wird ihnen der Segen einer gemeinsamen Beerdigung zuteil. Was will man mehr?

Ich kann nur jedem im Forum zu einer notariellen General- und Vorsorgevollmacht mit Betreuungs- und Patientenverfügung raten. Ein notarielles Testament ist auch in jedem Fall besser als ein handschriftliches Testament. Die Nachlassgerichte sind alle überfordert. Der Weg über Erscheine dauert Monate bis die Erbfolge geklärt wird, besonders wenn Liegenschaften vererbt werden. Die Rentenkasse lässt die EC-Karte des Verstorbenen sofort bei der Bank sperren und sie wird nicht mehr aktiviert.

Bei meiner Suche nach einem Pflegeplatz wurde mir von einer Heimleiterin gesagt, dass ihr 200 Anträge vorliegen. Davon könnten 100 mehrfach gestellte sein und 100 realistisch. Die Liste wird mit jedem Sterbefall im Heim abgebaut. So schaut es aus im besten Deutschland aller Zeiten.

Da meine Eltern Perfektionisten waren, kann ich jetzt deren Eigentumswohnung mit den notariellen Urkunden noch vor dem Winter verkaufen. Das Inserat war 6 Tage online. Ich hatte 3 echte Kaufinteressenten. 270 Klicks, 26 Beobachter, 8 Zuschriften. Die ETW wird jetzt an ein barzahlendes Arzt-Ehepaar veräußert zum 24-fachen Wert einer Jahreskaltmiete. Ein weiters Angebot war von einer Immobilienfirma, die mit einem zertifizierten Gutachter den 22-fachen Wert geboten hatten, sicher im Auftrag von Undercover Immobiliensammlern. Man sieht jedoch bereits, das Kaufinteresse ist vorhanden, aber das Kapital fehlt.

R.I.P.

Gruß
Dionysos

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Armut schafft Demut, Demut schafft Fleiß, Fleiß schafft Reichtum,
Reichtum schafft Übermut, Übermut schafft Krieg, Krieg schafft Armut.


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