Finanzkapitalismus vs Realkapitalismus

Miesepeter, Montag, 03.08.2020, 18:09 (vor 1334 Tagen) @ Amos2598 Views
bearbeitet von Miesepeter, Montag, 03.08.2020, 18:33

Hi Amos,

Bis auf die fehlende Differenzierung von Scheinvermögen und Realvermögen, trifft es das ziemlich gut
Die Volkswirte wissen aber auch, dass sich die Finanzmärkte inzwischen zu weit von der echten Produktion und den vorhandenen Ressourcen abgekoppelt haben. Daher wurde im Gesetz auch die Haftungskaskade für die nächste Krise verankert.

Ja, absolut. Der User 'Moneymind' hat hier vor 10 Jahren einige interessante Texte zu dem Konflikt Finanzkapitalismus vs Realkapitalismus hinterlassen, sich dabei auf die Arbeiten von Stephan Schulmeister gestützt.


Warum ist eigentlich nie genug Geld für Kindergärten, Schulen, Theater oder Straßen da, aber immer genug für kriselnde Banken und Versicherungen? Der Fakt selbst ist ja unstrittig: Stets erfährt der Bürger, das Geld sei knapp – doch in einer Krise sind dann im nächsten Moment plötzlich Milliarden verfügbar.

Wenn der Systemuntergang (und damit der eigene) droht, wirft man seine Prinzipien leichter mal über Bord.

Das Geld ist dabei selbst eben keine Ware und kein Wert, sondern es repräsentiert bloß einen Wert. Es ist der Gegenpart auf der beschriebenen Waage. Der 50-Euro-Schein oder auch eine Goldmünze stehen für einen bestimmten Wert, den man in der Gemeinschaft in Form eines Produktes oder einer Dienstleistung kaufen kann. Dieser Wert existiert auch ohne den 50-Euro-Schein oder die Goldmünze.

Ohne Geld gibt es nur einen subjektiven Gebrauchswert, der aber nicht zu bemessen ist.

Abstrakt gesprochen: Alle geschaffenen Werte in einer Gemeinschaft existieren auch ohne Geld.

Ohne Geld wären die Werte nie geschaffen worden. Es gibt nicht ein Beispiel einer entwickelten Wirtschaft ohne Geld.

Der Wert der rechten Schale, auf der die Waren liegen, bleibt nicht konstant, sondern er verändert sich über die Zeit gesehen, je nach Produktivität und Fleiß der Menschen. Es gilt daher, die Waage immer wieder auszubalancieren, sprich, die Geldmenge so anzupassen, dass sie den Wert der Waren und Dienstleistungen weiter stabil repräsentiert.

Es wäre zu präzisieren: Auf der einen Seite der Waage liegt alle kaufwirksame Nachfrage (also Geld, das auch kaufen will und kann), auf der anderen Seite alle angebotenen Waren, Güter und Dienstleistungen.

Ich habe oben ein Bild eingefügt, der grüne Anteil stellt die 10% dar, denen die Welt gehört, die restlichen 90% darüber befinden sich in Abhängigkeit der grün markierten Eigentümer und müssen daher täglich anschaffen gehen, um irgendwie zu überleben.

Ja, aber die Grenze zu den 10% ist sehr durchlässig (insbesondere im Vergleich zu früheren Herrschaftssystemen) und die unteren 90% erhalten einen im Vergleich zu früheren Zeiten höheren Anteil am Output (50-70%), aus der systematisch generierten Arbeitsmotivation heraus ist es das leistungsfähigste Gesellschaftssystem, das jemals erschaffen wurde.

Wenn nun in einer Phase wirtschaftlichen Aufschwungs die Banken zu viele Kredite vergeben, weil es sich lohnt und niemand ihnen eine Grenze setzt, dann steigt die Menge des Geldes zu stark an, nämlich schneller als der Wert der Waren und Dienstleistungen, die man dafür kaufen kann. Anders gesagt: Es wird dann mehr Geld geschaffen, als produktiv in der Wirtschaft investiert werden kann. (Fehlallokation) Daher verliert das Geld in einem solchen Fall an Wert – es kommt zur Inflation.

Diese Inflation kann nun zwei verschiedene Ziele treffen: zum einen die Verbraucherpreise, also Brot, Butter und so weiter, zum anderen die Vermögenspreise, also etwa Häuser, Wohnungen und Aktien. Welche dieser Preise sich nach einer zu starken Ausweitung der Geldmenge erhöhen, hängt davon ab, wofür das Geld aus den neuen Krediten ausgegeben wird und wer es erhält. Fließt das Geld unproduktiv in Kredite, mit denen Bürger einfach ihren Verbrauch finanzieren, dann erhöhen sich wenig später auch die Verbraucherpreise. Wird mit dem per Kredit geschaffenen Geld im großen Stil an der Börse spekuliert, wodurch sich die Finanzwirtschaft aufbläht, dann steigen vor allem die Vermögenspreise.

[[top]]

Womit also dem Realkapitalismus und dem Finanzkapitalismus noch ein drittes Element hinzuzufügen wäre: der Kapitalismus des kleinen Mannes, der sich in kleineren Gütern investiert, die ihm das Leben erleichtern (Energiesklaven, welche die Wirkung seines Enegieeinsatzes vergrössern): Waschmaschine, Auto, Computer, Zentralheizung, Erholung.....

Vernünftige Wirtschaftspolitik balanciert diese Interessen aus, das ist ein alter Hut. Wenn allerdings erst einmal ein massives Ungleichgewicht zwischen diesen Faktoren entstanden ist, wird es schwer, den Geist wieder in die Flasche zu kriegen.

Gruss,
mp


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung