Das wirklich zählende Kollateral : Die Schaffung neuen Beleihungsraums

Miesepeter, Sonntag, 02.08.2020, 21:14 (vor 1363 Tagen) @ Jacques3201 Views
bearbeitet von Miesepeter, Sonntag, 02.08.2020, 22:02

"das einzige für die Gläubiger wirklich zählende Kollateral ist das Recht des Staates, Steuern einzufordern."

Das trifft für einige Fälle zu. Für andere nicht: Wenn der Gläubiger im Ausland sitzt und der Schuldner resp. die schuldenmachende Regierung nicht willens ist, die eingeforderten Steuern auch weiterzureichen - dann ist auch Schicht im Schacht.

Hi Jacques,

der Staat hat keine Gläubiger, nur Bittsteller.

Diese bitten den Staat, ihr Geld für sie sicher aufzubewahren und eventuell sogar ein wenig zu verzinsen. Die Inländer werden ihr Geld immer zurückbekommen, das ist die höchste Sicherheit, die es in einer Privatwirtschaft geben kann (alle privaten Schuldner haben ein Kontrahentenrisko). Auch ausländische Bittsteller würden ihr Geld immer bekommen, wenn sie die inländische Währung aktzeptieren würden. Schwer wird es nur dann, wenn ein Staat keine Fremdwährung für Fremdwährungsanleihen hat. Dann bitten die Bittsteller manchmal vergebens um Rückzahlung. Es sei denn, sie haben einen Staat mit dickeren Kanonen hinter sich, dann können sie drohen statt bitten.

Das wirklich zählende Kollateral ist aber weder das Recht des Staates, Steuern einzufordern, noch die Abwesenheit eines Kontrahentenrisikos. Es ist die Fähigkeit des Staates, die Zukunft möglich zu machen und neue Grundlagen für noch grössere Beleihungen in der Zukunft schaffen zu können, aus welchen dann die alten Anleihen bedient werden können.

Der Staat verschuldet nur scheinbar seine Steuerzahler, tatsächlich aber werden Staatsschulden nie zurückgezahlt, nicht vom Staat, und nicht vom Steuerzahler. Der Staat schafft vielmehr erst durch seine "Verschuldung" die Guthaben, Bewertungen und neuen Beleihungsbasen, aus denen dann weitere Kredite aufgenommen werden können, usw, ad finitum.


Eine Hyperinflation hingegen hat ihren Ursprung im Zusammenbruch der Produktion, des erwerbbaren Angebots. Dies war so in Deutschland 1923, die Produktionsanlagen waren auf obsolete Militärprodukte ausgelegt oder wurden von den Kriegssiegern beschlagnahmt, der produzierte Output ebenfalls. Dagegen kann monetäre Politik nichts tun, versucht man es doch, bekommt man Hyperinflation. In Zimbabwe können sie noch soviel Geld drucken, solange die Farmer nicht mehr produzieren lernen, die vielen Jungmänner nicht produzieren lernen, wird das Geld immer wieder wertlos werden, weil man damit nichts erwerben kann.

Darum sind heute ein Zusammenbruch der Lieferketten, ein freiwilliger Abbau von Kapazitäten der heiligen Greta zuliebe, oder der Konflikt mit China - dem Weltproduktonszentrum - Faktoren, die wesentlich mehr Risiko einer Hyperinflation mit sich bringen als eine oder zwei Billionen Euro mehr in der EZB Bilanz. Wenn zb China beschliesst, in den Westen nicht mehr zu exportieren - oder Amerika beschliesst, es nicht mehr zuzulassen -, dann erst sind alle Zutaten für eine finale Geltentwertung gegeben. Das Geld ist dann schlicht nichts mehr wert, weil man mit ihm nichts mehr einkaufen kann. Auf nationaler Ebene hat es das oft gegeben - von notorischen Pleitestaaten, die nur solange eine funktionierende Währung haben, wie sie von ihren externen Lieferanten Kredit erhalten, zb Argentinien. Ist der Kredit aufgebraucht, kann man nichts mehr kaufen mit dem Peso, ausser vielleicht ein wenig Brot und Wasser.

Mit den Metawährungen wie dem Euro oder Dollar ist das nicht anders, nur wurde in diesen Wirtschaftsräumen eben bis zur Jahrtausendwende noch Gegenwert produziert. Heute ist das mehr als fraglich. Nun hat man verstanden, dass man damit alle nationalen und kontinentalen Volkswirtschaften komplett in die Abhängigkeit von China übergeben hat. Es bleibt abzuwarten, ob man schnell genug wieder eine halbwegs integrierte Kontinentalwirtschaft hinbekommt.

Gruss,
mp


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