Ad hock

Literaturhinweis, Montag, 22.05.2017, 00:22 (vor 2741 Tagen) @ SevenSamurai7871 Views
bearbeitet von unbekannt, Montag, 22.05.2017, 01:01

https://youtu.be/Aq8kZAfcDd8?t=09

Ich habe oft genug bei Simultanübersetzern gehört, wie diese eine Pause machen, um zu sehen, oder der Satz nicht vielleicht doch noch negiert wird.

Das ist bei dem deutsch-englischen Sprachpaar so, wegen der Satzstellung. Darum ist der Tagessatz für einen Deutsch-Englisch-Deutschen Simultandolmetscher höher, als für einen Deutsch-Arabisch-Deutschen.

Und da man meist englische Simultanübersetzungen hört (als Deutscher - bei Portugiesen mag das anders sein [[freude]]), nimmt man das pars pro toto.

Genscher war der Alptraum aller Simultandolmetscher, weil er (gefühlt) minutenlang einen einzigen Satz sprechen konnte, um dann erst zu eröffnen, ob er ihn vielleicht negieren wollte. Man hat sich dann das Bulletin vom deutschen Presseamt abonniert und Genscher-Reden studiert.

Fairerweise gibt allerdings ein Staatsmann von Format den Dolmetschern vor der Rede (möglichst am Tag vorher!) unter Verschwiegenheit das Manuskript - ich sagte ... von Format.

Oder auch, dass diese pausierten und sich dann korrigierten - obwohl ich den Sinn bereits verstanden hatte.

Auch der Simultandolmetscher muß den Sinn ab Sekunde eins verstehen, denn er speichert ja bereits diesen Satz ab, während er noch den alten dolmetscht/ausspricht. Ein Rezept für Spaltungsirresein ...

Darum: Was bedeutet hier "ad hoc"?

Es gibt zwei Arten von Dolmetschen:

- Das Konferenz- oder Konsekutivdolmetschen bei dem man erst den ganzen Satz bis zur Sprechpause abwartet, der Sprecher einem dann meist kurz zunickt. Dann "übersetzt" man den letzten Satz, nickt unmerklich seinerseits, woraufhin dann der ursprüngliche Sprecher fortfährt, oder des Gegenüber antwortet.

- Echtes Simultandolmetschen, das in echten Streß ausarten kann, und daher meist von zweien gleichzeitig in der Kabine erledigt wird, die sich alle zwanzig Minuten bis halbe Stunde abwechseln bzw. wo dann der "pausierende" (der ja dennoch die ganze Zeit konzentriert mithören muß, um a] jederzeit wieder übernehmen zu können und b] um den Faden nicht zu verlieren) z.T. dem andern Kollegen/Kollegin (sind sehr häufig Frauen, die ohnehin neuronal-evolutiv angelegt die grds. bessere Sprachbegabung haben) zuarbeitet, etwa ungewöhnliche Redewendungen sezieren hilft. Ein Arbeitstag in der Kabine dauert trotz Doppelbesetzung übrigens "nur" sechs Stunden (aber die Arbeit verläßt einen ja nie - permanent bereitet man sich auf den nächsten möglichen 'Hammer' vor).

Gerade heute las ich vom "blackened grouper" - das ist eine spezielle Art, Barsch zuzubereiten. Hätte ich also nicht ad hoc übersetzen und schon gar nicht dolmetschen können.

"Ad hoc" meint also eben 'unmittelbar sofort' und wer den anderen (den zu dolmetschenden) Sprecher (der Ausgangssprache) nicht mit aufgeschaltet hat, also nur den Dolmetscher in der Zielsprache hört, merkt ja, so der Dolmetscher gut ist, gar nicht, daß das etwa um einige Sekunden bis eine halbe Minute (außer bei Genscher) versetzt ausgesprochen wird (nur im Fernsehen merkt man das, weil im Hintergrund die Original-Tonspur meist noch zu hören ist).

Weshalb der Simultan-Dolmetscher die Sprache eben beherrschen muß und nicht (bloßer) Übersetzer sein darf, der alle Zeit der Welt hat, Wörter nachzuschlagen.

Das fällt auch keinem in den Schoß. Da setzt man sich wochenlang vors Radio - in der Mutter- oder der Zielsprache und spricht erstmal in derselben Sprache nach, bis das Hirn es schafft, einen Satz nachzusprechen, der vor einer Minute gesagt wurde, während es gleichzeitig den gerade gesprochenen Satz einspeichert.

Apnoe-Taucher fallen schließlich auch nicht vom Himmel.

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