Das sehe ich in fast allen Punkten anders
Aus meiner praktischen Erfahrung ist der typische Fremdsprachenunterricht ziemlich untauglich,
Das ist nicht zu übersehen. Es ist auch kein Fremd- sondern ein Eigensprachunterricht.
weil das Gehirn - außer vielleicht bei trainierten Simultandolmetschern - eine gewisse "Warmlaufzeit" braucht, um von einer Sprache in eine andere zu wechseln.
Das genau ist nicht der Fall, wenn, ja, wenn, dasselbe Sprachzentrum involviert ist. Es gibt nur eines. Entweder man nutzt es, egal für wie viele Sprachen, oder man spricht nicht, sondern übersetzt (was etwas anderes ist als Dolmetschen, s.u.).
Das staatlich organisierte "Fremd"-Sprachenlernen geht aber über sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu hinweg und speichert die jeweilige Fremdsprache in einer anderen, nicht für gesprochene Sprache zuständigen, Hirnregion. Das ist auch kaum heilbar.
Darum konnte diese Chinesin, wie könnte es anders sein: Fremdsprachenlehrerin für Englisch, nach ihrem Schlaganfall, der das Sprachzentrum lähmte, immer noch in Englisch reden.
Das ist aber weniger sinnvoll, als den Schlaganfall durch kluge Lebensführung zu vermeiden.
Kaum sind die - ungeübten - Schüler halbwegs in der Fremdsprache angekommen, klingelt das Pausenzeichen.
Das könnte man dann auf jedes Unterrichtsfach erstrecken, vgl. unten, "Fremdsprache Mathematik".
Es wäre besser, beispielsweise alle zwei Wochen einen ganzen Tag der Fremdsprache zu widmen als zwei, drei isolierte Stunden pro Woche.
Das funktioniert schon deshalb nicht, weil für einen solchen Unterricht man einen Muttersprachler einstellen müßte und keinen Anglisten, Romanisten etc. mit zwei Staatsexamen wie der durchschnittliche Studienrat, der ja die Fremdsprache gar nicht beherrscht (es gibt löbliche Ausnahmen). Das ist so, wie Türken zu raten, zuhause mit ihren Kindern Deutsch zu reden.
Sechs Wochen Auslandsaufenthalt ergeben (mindestens!) dasselbe Ergebnis, wie sechs Jahre staatlicher Fremdsprachenunterricht. Denn: die Kontingentstundentafel wird ja durch Blockunterricht nicht länger (abgesehen von der genannten Unfähigkeit der Lehrkräfte hinsichtlich Fremdsprachbeherrschung).
Das nächste Lernhindernis ist das ständige Übersetzen zwischen Fremd- und Muttersprache.
Das ist keine Art "Hindernis", sondern der Unfähigkeit der Lehrkräfte geschuldet, die "Leistung" anders zu beurteilen -bei dreißig Schülern einer Klasse- als durch schriftliche Überprüfung. Das liegt am Schulsystem.
Daher ja die Verankerung in der falschen Hirnregion.
Das Denken bleibt in der Muttersprache verhaftet,
Denken tut man nicht in Sprache ... (Aber der gemeinte Grundgedanke ist natürlich richtig.)
während die verbale oder schriftliche Kommunikation in der fremden Sprache erfolgt.
Eher nicht, es werden lediglich Texte verlesen (schlecht und recht) oder vorher (schlecht und recht) auswendig gelernte Satzbauteile wiederverwendet. Von "colloquialism" ist das galaxienweit entfernt!
Am Anfang ist das wohl nicht zu vermeiden,
Aber ja doch - oder in welcher Sprache hat ihnen ein Sprachlehrer Ihre Muttersprache beigebracht???
jedoch sollte aus meiner Sicht das Primärziel jedes Fremdsprachenunterrichtes darin bestehen, so schnell wie möglich ein Denken in der Fremdsprache zu erreichen.
Es funktioniert nur so, wie das Erstsprachenlernen auch. Und daher wäre zu wünschen, daß die Fremdsprachenschüler eben für ein Jahr nach England fahren und dort ganz normalen Unterricht mitmachen - ohne sprachliche Vorkenntnisse. Dauert sechs Wochen, danach kommen sie im Unterricht mit (gibt's genug Beispiele bei Migranten jeder Couleur - da denkt ja auch keiner drüber nach!). Die anfänglich etwas verlangsamte Aufnahme des Stoffes etwa in Geographie wird mehr als ausgeglichen durch den völligen Wegfall der Sprachstunden in der Folgejahren zuhause!!!
Hauptvoraussetzung dafür ist ein ausgewähltes Grundvokabular aus ein paar hundert Worten, gepaart mit einer rudimentären Grammatik.
Aber das nützt nur etwas, wenn "das Gegenüber" schon sprechen kann. "Das Gegenüber" ist aber der mundfaule Mitschüler. Das kann nie funktionieren. Jedenfalls nie so gut, wie echtes Kommunizieren mit Muttersprachlern und ohne Rückfallmöglichkeit auf die eigene Muttersprache, weil "das Gegenüber" diese nicht beherrscht.
Funktioniert andersherum bei gemischtsprachigen Liebesbeziehungen ja auch im Nu.
Sobald der Schüler in der Lage ist, "radebrechend" in der anderen Sprache zu denken,
Man denkt nie in Sprache. Sonst könnte keiner der von Ihnen erwähnten Simultandolmetscher in dieser Rattengeschwindigkeit dolmetschen.
Simultandolmetschen funktioniert nur, und da kenne ich mich zufällig aus, wenn Sie den Inhalt des Gesprochenen ad hoc verstehen und -aus demselben Sprachzentrum heraus, nur dann- in der "fremden" Sprache "nacherzählen". Das tun Sie den ganzen Tag auch mit der eigenen Sprache, wenn Sie z.B. einem Kind etwas durch Verwendung von Synonymen erklären, falls es ein Wort noch nicht kennt!
Im Hirn gibt es kein Lexikon, das sagt "das ist Sprache eins, das ist Sprache zwei", sondern eher ein Synonym- und Antonym-Register, das zuhöreradäquat ausgewählt wird. Nach dem Motto: das ist die Putzfrau, der darf ich nicht erzählen, daß die Putte auf dem Sims das "Pendant" zu der links ist, da muß ich sagen "das Gegenstück". Und der da gegenüber versteht nicht "Gift", der versteht nur "poison". (Oder umgekehrt: der versteht nicht "gift", der versteht nur "Geschenk").
ist das Gröbste überstanden, denn er kann sich jetzt weitere Kenntnisse aneignen, ohne den Umweg über die Muttersprache gehen zu müssen.
Es gibt keinen Weg "Über die Muttersprache". Ich zeige dem Kind ein Bild einer Kuh und sage "cow" - oder wie haben Sie ihre ERSTE Sprache gelernt???
Der Rest ist dann: üben, üben, üben.
Ja, so, wie als Dreijähriger. Aber nicht nur dreißig Stunden lang.
Und auch nicht als interesseloses "Üben", sondern im praktischen Gebrauch. Also nicht "ich tue jetzt mal so, als würde ich eine Zeitung kaufen, obwohl weit und breit keine zu sehen ist", sondern "ich kaufe eine Zeitung oder wenigstens erkundige ich mich nach deren Preis" (am echten Kiosk - dann lerne ich nämlich den Unterschied zwischen tabloid, newspaper, broadsheet und magazine!).
Übrigens glaube ich, dass das bis zum gewissen Grade auch für andere Fächer gilt.
So ist es. Die Ägypter haben sich für die Grundstücksvermessung interessiert und kamen so zur Geometrie. Könnte man im Schulgemüsegarten auch üben. Und was über Gemüse lernen. Biologie ist Geometrie ist Ernährungskunde.
Für den Schüler sind die teilweise abstrakten Denkmuster der Naturwissenschaften (insbesondere Mathematik) de facto auch eine Art Fremdsprache.
Richtig. Die man nur lernen will, wenn man weiß, wozu.
Wer an der "höheren" Mathematik scheitert, hat wahrscheinlich nie gelernt, mathematisch zu denken.
Selbst Mathematiklehrer mit Staatsexamen. Die meinen tatsächlich, daß links von der Gleichung etwas anderes stünde als rechts. Oder daß das Gleichheitszeichen eine Handlungsanweisung an Schüler sei, etwas auszurechnen.
Und daher nicht wissen, wie sie das bei Ungleichungen rechtfertigen sollen ...
Lehramtsstudenten, wie Wirtschaftsingenieure, werden mit ihren beiden Fächern, die sie nur je zur Hälfte studieren, unter Akademikern i.d.R. wenig ernstgenommen.
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