Ich glaube nicht, daß das mit dem Thema etwas zu tun hat
der Mensch kommuniziert durch Lautfolgen mit seiner Umwelt.
Mit anderen Menschen. Schon bei Hunden hat man herausgefunden, daß oft mehr die Körpersprache und Mimik ihm etwas "bedeuten".
Die Lautfolgen drücken Vorstellungen aus. Sobald zwei Menschen durch eine zumindest ähnliche Lautfolge ähnliche Vorstellung haben, verstehen sie sich.
Es stellen sich doch nur wenige Menschen bei der Lautfolge "Eis" die Buchstaben "Eis" vor.
Natürlich nicht, Chinesen stellen sich, selbst, wenn sie schriftkundig sind, keine Buchstaben vor.
Da Sprache das sog. erste Kodierungssystem und Schriftzeichen das zweite (secondary) Kodierungssystem sind, stellt sich niemand Buchstaben beim Sprechen vor, und Analphabeten oder Kinder vor dem Lesealter auch nie.
Selbst, wer flüssig mit der Hand schreiben kann, stellt sich dabei keine Buchstaben vor ... da bräuchte er zehnmal solange!
Meistens stellt man sich darunter eben Bum Bum oder Magnum vor (je nach Lebenslauf).
Wer will das bestreiten?
Ich, und zwar ganz entschieden. Wenn sie aus unseren Breiten kommen, stellten sie sich bis vor ca. hundert Jahren zuerst einmal Zapfen an Dachrinnen und glatte Straßen darunter vor. Und jemand, der diese Sprache lernte, aber aus absolut eisfreien Gegenden kam, stellte sich darunter gar nichts (wirkliches) vor.
Und wer Heinrich Harrers Schilderungen von den aus ranziger Butter in Tibet geformten Figuren beim Butterfest las, stellte sich dennoch nur etwas sehr abstraktes darunter vor, da das in unseren Breiten doppelt ungewöhnlich ist, insbesondere was die Verwendung ausschließlich ranziger Butter betrifft (auch in z.B. deren Tee).
Während der Durchschnittsengländer oder Schotte genaue Vorstellungen vom "Tee mit Milch" hat (mit und ohne Zucker), hat er vom mit ranziger Butter "abgeschmeckten" tibetischen Tee nur eine abstrakte Vorstellung.
Wer aus einer Kultur ohne Milchvieh kommt, kann mit der Schilderung wiederum zuerst gar nichts anfangen.
Welche Vorstellung jemand hat, der ein Wort hört (oder liest) ist sehr, sehr unterschiedlich (und Ursache unendlicher Mißverständnisse) und meist geprägt von sehr frühen Assoziationen, d.h. unter dem Begriff "Tisch" mag derjenige vor allem den Tisch verstehen, unter dem er als Kleinkind zuerst gespielt hatte.
Und er/sie hat als Kind anfänglich noch Schwierigkeiten, wenn das ein hoher, massiver Eichentisch mit vier Beinen war, in einem Straßencafé diese kleinen runden Dinger mit einem Fuß in der Mitte ebenfalls als "Tisch" zu klassifizieren.
Das schält sich erst langsam heraus und wird dann zu einem mehr und mehr abstrakten Begriff. Es setzt die Kategorienbildung ein usw.
Das, was anfänglich pars pro toto für "alle" Tische stand, wird langsam zu einem besonderen Tisch (Eichentisch, Mahagonitisch usw.) und Tisch mutiert zum Gattungsbegriff. Aber in dem holographischen Speicher sind alle diese "Tische" die man jemals erblickt hat, "irgendwie" um diesen nebulösen Gattungsbegriff gruppiert, sonst gelänge kein neuronaler Abruf "konkreter Gegenstand = Art eines Tisches"!
Das ist jetzt aber ein sehr umfangreiches Thema. Wichtig ist und bleibt: die innere Repräsentation des Wissens erfolgt (ausschließlich) in Bildern (wiewohl weitere Eindrücke dazu kommen können, etwa olfaktorische bei Rosen und ranziger Butter oder knatternden Autos, aber auch die hängen an einem "Bild" im visuellen Cortex).
Darum ist das bei jedem anders "verdrahtet" und die Herausbildung der Sprechfähigkeit, also der Lautbildung beim nicht-behinderten, des Gebärdens beim Stummen, ist dann eine mühsame Koordination von Glottis- oder Hand-, Arm- und Gesichtsmuskeln, die von anderen erkennbare Lautfolgen oder Gebärden hervorbringt, in einem langen, fehlerträchtigen Prozeß (vgl. "Babysprache"). Und oft ist das ganze dialektal gefärbt. So verstehen Deutsche Schweizerdeutsch kaum, es sei denn sie haben bereits einen allemannischen Sprachhintergrund, und Oldenburger oder ostfriesisches Platt oder Kölsch verstehen die meisten anderswo aufgewachsenen Deutschen auch schon nicht.
Also: welches Bild beim Wort "Eis" oder "Pferd" evoziert wird, kann sich erheblich unterscheiden, etwa ein Isländer kennt nur Islandponies; dort dürfen auch keine anderen Pferde hin.
Wer als solcher Isländer erstmals für einen Bierkutschergaul ein Wurmmittel kaufen soll, wird in der Dosierung arg danebengreifen ...
Wer auf Helgoland aufwächst, hat vielleicht noch nie ein Auto gesehen, wenn er nicht dem Arzt oder Pfarrer unterwegs begegnet ist, usw.
Den wenigsten Menschen ist klar, wie sehr sich die Vorstellungswelt schon im nächsten Dorf unterscheiden kann, wenn es nicht um abolut alltägliche Dinge geht oder um Dinge, die in jeder Fernsehsendung zu sehen sind (der große "kulturelle" Gleichmacher, von Hollywood bis Bollywood).
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