Was nebenbei wieder mal beweist, dass es niemals auf die …

Ostfriese, Mittwoch, 01.01.2025, 12:12 (vor 3 Tagen) @ Ostfriese487 Views

Hallo neptun,

weil der Debitismus gerade ein Thema in diesem Faden ist, setze ich mich erneut auf's Spiel, und zitiere ausführlich Paul C. Martin in

https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=109951 Napoleons Staatsfinanzen (endlich, sorry, dass es gedauert hatte) verfasst von dottore, 28.02.2002, 21:00

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Hi,

nun also endlich zu den gewünschten Zahlen (plus Interpretation).

Vorab:

Die französische Staatsschuld des ancien regime war im Teil-Staatsbankrott von 1788 (es wurden Fälligkeiten nur noch in Promessen bezahlt, die so gut wie keinen Markt hatten) und dem dann vollendeten Bankrott 1789/90 und der anschließenden Hyperinflation der Assignaten (siehe früheres Posting mit Schaubildern) de facto verschwunden.

Was während der Assignaten-Hyperinflation in metallgedeckte Anlagen anzulegen bzw. nach der Stabilisierung der Währung nach 1800 übriggeblieben war (also bei all jenen, die rechtzeitig in GOLD oder SILBER gewechselt hatten), strömte in die sog. Rentes (Rentenpapiere, die vererblich waren als Rentes hereditaires, nicht vergleichbar mit unsere heutigen Renten, sondern mit heutigen Rentenpapieren).

Außerdem arbeitete die Revolution in der Schlussphase mit Zwangsanleihen, die unter dem Direktorium sogar in einen Soli der besonderen Art umgewandelt wurde, nämlich in eine:

subvention de guerre (wörtlich!).

Ab 1801 gab es

zum ersten Mal ein offizielles Budget.

Allerdings I:

Die Erträge der gezeichneten Rentes flossen direkt in den Etat, der nicht geteilt war, in einen laufenden und einen Schuldenetat. Die Etats hatten sich damals übrigens in Europa nach Ländern ganz verschieden entwickelt (viele Länder verschwiegen einfach alles) und GAAP-Regeln für Staaten (!) gab's schon gar nicht. Wie heute auch nicht.

Und allerdings II:

Bis 1815 gab es ein Ministerium der Finanzen für die Ausgaben. Und ein ministère du trésor für die Einnahmen.

Die Herren Staatenlenker waren also schon damals (!) zu dämlich, zu kapieren, dass die Logik der doppelten Buchführung auch für den Staat selbst gilt.

Immerhin fand alle 14 Tage eine Konferenz zwischen den beiden Ministerien unter Leitung Napoleons statt. (Wohl nach dem Motto: Mutta, warum hasse nicht mehr Kohle rangeschleppt? Vatta, warum hasse schon wieder nen Fummel gekooft.).

Napoleon hatte von Staatsfinanzen keine Ahnung und überließ dieses Geschäft exzellenten Fachleuten, wie Ouvrard (Banker), Mollien (Verwaltungsfachmann) oder Gaudin (später Chef der Banque de France), dem Herzog von Gaeta, auf den wir noch kommen werden.

Mit Details der Steuergestaltung will ich nicht langweilen, jedenfalls kamen wieder indirekte Steuern in Mode, welche die Revolution beseitigt hatte - was bekanntlich bis heute ein Hauptpostulat der LINKEN ist (gell, Wal Buchenberg?!), die aber bekanntlich sowieso nicht rechnen können.

Zum Etat selbst:

Es gab Budgets primitifs und Budgets définitivs (Soll/Ist), wobei wir bei den definitiven bleiben und dazu allerdings die

Summe der Rentes inscrites au grand-livre (süß, gell!) stellen.

Jeweils gerundet (in Fr., damals 1 Franc = 4,5 g Silber fein, seit 1795 schon, Umrechnungen zu heute darf ich mir ersparen):

1801: 550 / 36
1802: 500 / 39
1803: 632 / 42
1804: 804 / 43
1805: 700 / 46
1806: 902 / 51
1807: 731 / 54
1808: 772 / 55
1809: 786 / 56
1810: 785 / 61
1811: 1000 / 60
1812: 1000 / 62
1813: nicht korrekt ermittelbar, primitif = 1,15 Mrd. Restsumme = 63 Mio.
1814: 871 / 63 (das bekannte Finale)
1815: 798 / 63

Während seiner normalen Laufzeit fiel also die Renten-/Schuldensumme von 65 auf 62 Prozent, was nicht wunder nimmt, da sich Napoleon in ganz Europa bedienen konnte. Nach seinem Ende waren es 79 % (Staatsschulden/Staatseinnahmen).

So etwas für HEUTIGE Staaten wäre allerdings selbst in kühnsten Träumen nicht drin.

Bei Napoleons Abgang gab es eine Pro-Kopf-Verschuldung von 50 Fr. gegenüber einer von 1000 Fr. in England!!

Schulden, sondern auf die Verschuldungsmöglichkeiten ankommt (= Debitismus pur; bewiesen zuletzt durch Niall Ferguson: The Cash Nexus, 2001)

Übrigens für Metall-Freaks: Napoleon prägte für 528 Mio.: Franc Gold- und 888 Mio. in Silbermünzen (KEINE Doppelwährung, sondern ein stetiges Preisverhältnis von 1: 15,5).

Dem instinktsicheren Duc de Gaeta ist in seinen Memoires (2 Bde., Paris 1826) das Problem der Staatsverschuldung nicht geheuer, weshalb er auch zahlreiche Entschuldungsvorschläge macht (Seiten 401 ff.).

Die Napoleonische Staatsschuld, deren Kurs beim Abgang bei 45 % (!) für die 5%-Rentes stand (was anschließend zu gigantischen Spekulationsgewinnen führen sollte, genauso wie Rothschild nach Waterloo oder Gesamtwelt 1987 nach Wechsel von Volcker zu Greenspan), war sub summa winzig, selbst wenn man die Besatzungskosten und die Kriegsentschädigungen nach Waterloo einbezieht.

Egal, woher er sich die Mittel (Edelmetall, logo) letztlich besorgt hatte:

Er ist immer höchst sparsam damit umgegangen. Vermutlich - siehe England - ZU sparsam.

Napoleon hatte nur ein einziges Mal versucht, eine Anleihe auszugeben, 1800 in Holland, und die floppte subito. (Titel habe ich noch).

Sein gesamter eigener Haushalt (Dépenses du service du Grand maréchal) lag 1805 bei lächerlichen 2,3 Mio. Fr. (= 0,3 % der gesamten definitiven Staatsausgaben).

Urteil:

Napoleon war zweifellos ein skrupelloses Schwein und ist verantwortlich für den Tod von Millionen. Aber wenigstens eins hatte er späteren Politikern voraus:

Er war ein perfekter Haushalter. Verglichen zu den Gangstern, die uns HEUTE regieren, in diesem Punkte also eine Lichtgestalt.

Noch Fragen?

Ansonsten wichtigste Quelle (unter vielen): J. Bresson, Histoire Financière de la France (2 Bde.), Paris 1829. Kann es gerne ausleihen.

Gruß

d.

PS: Ich bitte, das irgendwie zu archivieren. Es steckte viel Arbeit drinnen.

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Gruß - Ostfriese


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