Nein, sie unterliegt keinem Zwang, Verluste sind für eine Notenbank irrelevant, die ZB Bilanz ist eine Fiktion

Miesepeter, Freitag, 23.10.2020, 18:37 (vor 1271 Tagen) @ BerndBorchert1732 Views

Ich hatte in einem Posting weiter unten schon gefragt, ob ein Ausweiten der Offenmarkt Anleihekäufe der ZB weit über die Repo-Geschäfte hinaus bis hin zum 100% Aufkauf aller eigenen Anleihen nicht eine riskante Aktion ist, die die Werthaltigkeit=Akzeptanz des Geldes automatisch reduziert, wenn nicht sogar aufhebt. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, denkst Du, dass das Experiment seit 12 Jahren läuft und bisher keine Auswirkungen gezeigt hat, nicht mal der Anflug einer Inflation, und deshalb davon auszugehen ist, dass der massive Aufkauf nicht schädlich ist.

In Japan läuft das selbe Experiment bereits seit 1989.


Meine Einschätzung ist, dass man unterscheiden muss zwischen inflationärer Geldpolitik und antideflationärer Geldpolitik. Technisch sehen sich die Mittel sicher ähnlich. Eine Notenbank, die antideflationär nicht tätig würde, hätte ihr Mandat verfehlt, und würde die Wirtschaft genauso schädigen wie eine Notenbank, die eine galoppierende Inflation nicht mehr einfängt.

Direkte Gegenfrage zu dieser Argumentation: Warum hat man davor (bis zu 300 Jahre BoE) immer drauf geachtet, dass die ZB die eigenen Anleihen nicht aufkauft?

Weil bis zum Erscheinen von Lord Keynes die klassisch liberale Wirtschaftstheorie die Geldpolitik einer Volkswirtschaft mit den Rezepten einer einzelwirtschaftlichen Logik behandelt hat: das war jahrhundertelang herrschende Lehre (womöglich als Reaktion auf zb John Law). Es gab kein debitistisches Verständnis, Inflation wurde als ein rein monetäres Phänomen betrachtet. Ich verlinke einmal eine Diskussion mit Moneymind zu diesem Thema


Ich sehe noch ein anderes, konkretes Problem: Wenn die EZB inzwischen für bis zu 4 Bill. eigene Anleihen gekauft hat, aber im offenen Markt - ohne festen Rückkaufpreis wie bei Repo, dann hat sie ein enormes Kursrisiko. Wenn die Kurse für die Anleihen nur um 10% sinken würden, wären das 400 Mrd. Verlust, mehr als der deutsche Staatshaushalt.

Das wäre so, wenn die Anleihen zu Marktkursen bewertet würden. Das werden sie aber schon länger nicht mehr, sondern die Bewertung erfolgt @ maturity.


Und vielleicht ist die EZB schon in einem Zwangsmodus: sie *muss* die auf dem Markt angebotenen Anleihen von I, E, F, etc. aufkaufen, weil kein anderer mehr den Kurs bietet und ein Kursrutsch auf den fairen Preis sie selber in einen Billionen-Verlust führen würde, denn die Neubewertung ihrer Bestände wäre - auch für die EZB - nicht zu vermeiden.

Sie wird einfach weiter zum Endkurs bewerten.
Das kann sie problemlos durchhalten, denn eine Notenbank ist nicht mit normalen Wirtschaftsteilnehmern vergleichbar, ihre Bilanz ist keine Handelsbilanz, sondern eine Bilanzfiktion. Eine Notenbank kann im Gegensatz zu allen anderen Wirtschaftsteilnehmern nicht bankrott gehen.

Gruss,
mp


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