Kann der Staat die Voraussetzungen seiner Existenz selbst zur Verfügung stellen?
Hallo Dieter, vielen Dank!
ich bin entschieden gegen ein allgemeines Wahlrecht als "Demokratieform". Deine Gedanken zur Qualifikation sind berechtigt, meines Erachtens aber nicht realistisch durchführbar. Schließlich müßte jemand neutral zuvor bewerten.
Die neutrale Bewertung ist unmöglich, da es immer um Gruppeninteressen geht. Aber jeder politisch Engagierte (am Ende auch der Wähler oder Abstimmer) muss die Fähigkeit und Chance haben, einen Vorgang richtig einschätzen zu können. Dazu braucht es offene Diskussion (deliberative Demokratie). Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit sind miteinander gekoppelt. Condorcet, einer der (besseren) Väter der Französischen Revolution hat von Anfang an gepredigt, dass die Bürger nicht nur beruflich/fachlich gebildet werden sollten (in Schulen, Universitäten etc.), etwa zur Beförderung des Wirtschaftslebens, sondern sie müssten auch den politischen Umgang miteinander lernen (auch die Verfassung und Gesetze kennen, Moral und gute Sitte eingeschlossen). Das hätte mithin dann der Staat zu leisten, sonst verliert er die Grundlage, auf der er steht.
Der Weg über das Geld scheint mir einfacher zu realisieren. Wer viel der Gemeinschaft (damit meine ich nicht Geld einer Parteioligarchie zu stiften, sondern das hat im Staatshaushalt zu landen) netto gibt, ist für diese wertvoll und dessen Urteil sollte mehr Gewicht haben, als das Urteil von Netto-Alimentierten (incl. subventionierten Unternehmern). (Es stellt sich dabei sicher auch die Frage, ob Staatsbedienste per se als Alimentierte gelten oder nicht, also kein Stimmrecht bekommen.)
Beamte zahlen ja auch Steuer ...
Ich weiß schon, was Du meinst, und es ist im Prinzip richtig. Aber es gibt Grenzen, die ausgelotet werden müssen. Dürfen die Geschäfte, aus denen heraus die Tätigkeit des Staates und die Mitbestimmung darüber finanziert wird, reflektiert werden? Es gibt Drogenstaaten, Umweltausbeuterstaaten, Menschenausbeuterstaaten - woher kommt die moralische Einsicht, um die Handlungen des Staates zu bewerten? Ist der Staat eine moralische Fortbildungsanstalt?
Also Räte in Städten/Bezirken müssen bindende Weisungen geben können an ihre Delegierten, einschl. Außenpolitik und Sicherheitspolitik, genauso Steuern oder Sozialpolitik, also alle Politikfelder.
Dies wäre relativ leicht zu realisieren und ist eigentlich zwingend. Das Problem ist nur die fachliche Qualifikation der Weisungsgebenden auf der unteren Ebene. Die Politiker ganz oben wissen ganz genau, dass Glyphosat gefährlich ist, aber sie entscheiden sich zugunsten von Monsanto, weil sie von Monsanto bezahlt werden. Der Bürger unten hört nur: manche Experten sagen dies, und andere sagen das.
Der moderen Staat ist dermaßen komplex, dass die regionale Basis (Wahlkreis) nicht mehr folgen kann. Es ist nötig, auch "bürgerliche Fachkreise" zu bilden, die bestimmte Prozesse laufend verfolgen und diskutieren. Es ist das Dilemma wie zugespitzt in der Ethik-Kommission: wer entscheidet darüber, wer in die Ethik-Kommission hineinkommt?
Ein Lösungsversuch könnte darin liegen, dass die Arbeit, die heute in den Ministerien gemacht wird, mit Hilfe von Fachgremien und Bürgerinitiativen von der Basis her vorbereitet und dann den Minstern und der obersten Führungsebene als Produkt einer (fachlich qualifizierten) Basis präsentiert wird. Heute ist es umgekehrt so, dass die Ministerien zusammen mit der (Pharma, Auto-, Öko- ...) Industrie irgendwelche Projekte entwickeln. Letztere werden dann dem Bürger "verkauft" - etwa so wie Habecks Wärmepumpen ...
Parteien erübrigen sich dabei, bzw. werden in ihrer demokratiefeindlichen Weise bedeutungslos. Auch läßt sich auf diese Weise nicht mehr kostengünstig "beeinflussen". Korruption und ausuferndes Lobbytum lohnen sich unter diesen Bedingungen nicht mehr, da wären viel zu viele zu schmieren oder zu übertölpeln.
Die Partei war ursprünglich gedacht als "Dienstleister" für den Bürger: sie stellt ein Aggregat von Ideen/Interessen/Fachkenntnissen bereit, um dieses im Auftrag des Bürgers (nach der Wahl) umzusetzen. Wegen der oben beschriebenen Komplexität der Sachverhalte lässt sich das heute nicht mehr leisten (von keiner Partei). Es müssen daher Fachgremien gebildet werden, in denen offen und frei und transparent diskutiert werden kann. Danach sind die Ergebnisse zusammenzufassen, und zwar in einer Form, die für den Bürger verständlich ist. Dann folgt die Abstimmung. Wahlen sollte es nur in die Fachgremien hinein geben, und dann wieder für die obersten Repräsentanten, die den Gesamtprozess integrieren.
Aber, ich bin mir sicher, daß wir weder das eine noch das andere oder deren Kombination bekommen werden.
Ja, es ist zu spät. Aber es ist ungeachtet dessen erlaubt nachzudenken, wie es DANACH aussehen sollte.
Gruß Dieter
Schönes Wochenende wünscht Weiner