Häfte des Lebens
Boah, wie bin ich doch wieder einmal umso mehr ernüchtert...
Hallo werter MausS -
wenn ich das Wort 'nüchtern' lese oder höre, fällt mir immer Hölderlin ein. Ich zitiere ihn für Dich ganz unten.
Hoffen auf eine weitere Verlängerung des jetzt schon bereits unsäglich verlängerten?
Hoffen ist nur die Hälfte. Tun, also verlängern, ist die andere Hälfte.
Es reicht doch schon, dass die sich jetzt gerade bildende neue multipolare Weltordnung bereits zu spät kommt, und, historisch betrachtet, lediglich eine Herde toter Pferde mittels Anabolika noch einmal zum Aufstehen bewegen will.
Die 'multipolare Weltordnung' ist nur ein müder Traum, der auf gelangweilten Foren wie hier sowie in Valdei-Clubs seniler Politiker (und Möchtegern-Politiker) geträumt wird. Opium für das Volk.
Wobei ich denen diese Spielverlängerung ja wirklich gönne.
Aber es geht für sie um eine Zeitspanne von lediglich einer bis eineinhalb Generationen.
Oder nichtmal einer halben.
Dann war es das auch für sie, sie enden genau da, wo wir "westlichen Kulturträger" uns jetzt bereits befinden.
Oh, es ist für uns noch nicht vorbei. Und das Ende wird dick sein.
Oder habe ich da was verpasst, könnten diese 'Untoten' kraft Austricksung des debitistischen Ablaufs dann tatsächlich weiterexistieren?
Den debitistischen Ablauf gibt es nicht und wird es niemals geben. Also muss man ihn auch gar nicht erst austricksen. Und ja, der Mensch und die Menschheit und viele Menschen werden nicht nur 'weiterexistieren' - sondern werden dann, DANACH, erst richtig anfangen zu leben. Eine Zeit lang. Nichts ist ewig. Außer der 'Transzendenz'.
Ich hatte geschrieben, dass der Mensch seit dem Neolithikum fähig ist, Überschüsse zu produzieren. Ich sehe weit und breit nicht, dass der Mensch seit dem Neolithikum Schulden angehäuft hätte, die er nun nicht zurückzahlen kann und wegen denen er jetzt zugrunde gehen müsste - weder er selbst noch seine 'Zivilisation' (die in meiner Auffassung eine Art 'Kultur-Gemeinschaft' ist).
Die einzigen Schulden, die der Mensch in den letzten 8000 Jahren angehäuft hat, sind Schulden gegenüber dem Planeten Erde. Dafür wird die Erde dem Menschen in Bälde kräftig auf seinen Schädel kloppen. Aber weil die Erde großzugüg und nicht nachtragend ist, wird der Schlag nicht so stark sein, dass der Mensch sich davon nicht erholen könnte.
Mit Zivilisation oder Debitismus und derartigen Denkmodellen hat das gar nichts zu tun. Sondern nur mit der Fähigkeit oder Unfähigkeit zu gegenseitiger Wertschätzung, zu fairem Geben und Nehmen, zum offenen Dialog - in diesem Falle zwischen Mensch und Natur. Der gebildete Mensch macht sich die Natur zum Freunde, heißt es bei Schiller, wobei Friedrich unter Bildung seinerzeit allerdings etwas anderes verstand, als wir das heute extrem verkürzend tun. Und nun folgt, als Beispiel für diese umfassendere Art von Bildung, sein Namens- und Zeitgenosse:
Hälfte des Lebens
Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Freundlichst grüßend
MausS
Herzlich, Weiner