Abgaben und Tribute sind so alt wie das Wirtschaften

Miesepeter, Donnerstag, 06.05.2021, 16:21 (vor 1058 Tagen) @ Beo22085 Views
bearbeitet von Miesepeter, Donnerstag, 06.05.2021, 16:24

Wo sich Seßhaftigkeit, Landwirtschaft und Vorratshaltung ausbilden, entsteht gleichzeitig Eigentum und die Notwendigkeit, dieses Eigentum zu verteidigen.

Nein, nicht notwendigerweise "gleichzeitig". Eigentum ist ein Rechtsbegriff und muss beurkundet werden. Anfangs gab es nur "Besitz". Eigentum gab es erst viel später, lange nach der Entstehung von Seßhaftigkeit, Landwirtschaft und Vorratshaltung .. erst nach der Entstehung von Stadtstaaten (Königreichen) und bei allgemeiner Benutzung der Schrift.

Einverstanden, "Besitz" ist der korrekte Begriff

Mit der Sesshaftwerdung einher geht also der Zwang zum Aufbau einer Verteidigungswirtschaft. Waffen müssen hergestellt werden, ...

Nein, es muss nicht gleich "Verteidigungswirtschaft" sein .. es reicht erst einmal Waffenherstellung für den persönlichen und gemeinschaftlichen Bedarf in der Dorfgemeinschaft.

Also Verteidigungswirtschaft, d.h ein Teil der Resourcen wird zur Herstellung von Waffen und Befestigungsanlagen aufgebracht werden müssen.

... Kämpfer müssen ausgebildet werden, schnell werden sich entsprechende Spezialiserungen herausbilden.

Jeder gesunder Mann war zunächst ein Kämpfer, wenn Bedarf daran entstand. Die besten "Kämpfer" im Dorf bildeten die übrigen Männer und Jungen aus. Eine Berufsarme/-soldatentum entstand erst viel viel später .. in den Stadtstaaten (Königreichen).

Von Berufsarmee war keine Rede, sondern von Kämpferausbildung und entsprechender Spezialisierung ("Ausbilder" zb).

Diese Dinge müssen unterhalten ("finanziert") werden, schon ist die erste "Steuer" entstanden. Kommt noch Befestigungsbau hinzu, benötigt es bereits tiefgehende Spezialisierung, und selbstverständlich ein Zwang an alle Mitglieder des sesshaften Clans, zum Unterhalt dieser Strukturen beizutragen. Dies geschieht zwangsläufig bereits in Phase 1, nicht erst in Phase 5.

Nein, den gemeinsamen Bau von Wällen, Gräben und Palisadenzäunen um die Dörfer herum gab es lange vor den ersten Steuerabgaben und Königreichen.

Dazu braucht es Leute, die wissen, wie haltbare Wälle gebaut werden, Nomaden brauchen das nicht, ergo Spezialisierung, fortschreitend mit zunehmenden Anforderungen an die Anlagen. Auch der Bau dieser Anlagen erledigt sich nicht von selber. Resourcen müssen aufgewandt werden, die Leute müssen dennoch essen. Diese aufzubringenden bzw abzustellenden Ressourcen stellen Abgaben dar, egal ob es sich um Abgaben von Nahrungsmitteln oder von Arbeitskraft handelt. Ein Nomade hat diesen Aufwand nicht. Mit der Sesshaftwerdung entsteht die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung und Verteidigung des Besitzes für alle Stammesmitglieder.

Ebenso wird es sich mit der Sklaverei verhalten. Wenn ein Nomadenstamm die Produkte eines sesshaften Stamms aberntet und sich nicht durch gutes Zureden vertreiben lässt, wird es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen.

Es gab nicht nur Nomadenstämme, die kriegerisch waren .. auch später nicht. Auch seßhafte Stämme überfielen in Notzeiten ihre Nachbarn (z.B. bei Missernte, beim Streit ums Weideland, Viehdiebstahl etc.). Zumal Nomadengruppen kaum eine Werkstatt (inklusive Material) mitschleppten, um sich darin unterwegs bessere Waffen herzustellen, als die Seßhaften besaßen.

Dafür waren diese im Zweifelsfalle erfahrener und geschulter im Jagen und Töten beweglicher Ziele.

Spielt aber keine Rolle, die Annahme, dass sich sesshafte Stämme nicht nur nomadischer Konkurrenz, sondern auch anderer sesshaften Stämme erwehren mussten, um nicht selber unterzugehen, erhöht den Druck auf diese Gesellschaften, und somit auch die Notwendigkeit, die Mitglieder zu entsprechenden Anstrengungen zu verpflichten.

... und auch für eine "Schenkungswirtschaft" braucht man nicht wirklich Befestigungsanlagen.

Richtig .. sie stehen dem aber auch nicht im Wege. Gegenseitig geschenkt wurde ja zunächst nur innerhalb der eigenen Gemeinschaft, erst recht nach bereits etablierter (partieller) Arbeitsteilung. Der Dorfschmied z.B. verschenkte von ihm hergestelltes Werkzeug und bekam dafür von dem Beschenkten Lebensmittel oder (hölzernes) Hausrat. Auch für die Pflege gut nachbarschaftlicher Beziehungen mit den Nachbarstämmen waren gegenseitige Geschenke und Frauentausch gewiss sinnvoll.

Und diese Belege für die quasi allgemein existenten innergemeinschaftlichen Schenkungswirtschaften innerhalb von vorstaatlichen Befestigungsanlagen finden wir wo?

Der Dorfschmied benötigte sicherlich u.a. zb Metallerze, bekam er die auch geschenkt? Was passierte, wenn er keine Erze hatte, oder mal ein Sabbatical einlegen wollte? Wurde er dennoch zuverlässig mit Lebensmitteln beschenkt oder handelte es sich doch eher um eine Form der gegenseitigen Leistungsverpflichtung und nicht um "Schenkungen"?
Mal davon abgesehen, dass die Bronzezeit eher in deine Phase 5 fällt als in Phase 1.

Hätte man stattdessen nicht besser das Produkt an die Nomaden verschenkt und sich an ihrem Lachen erfreut, zumal man ja doch "partielle Überproduktion" zu verschenken hatte?[[lach]]

Und was glaubst Du jetzt, mit deinem wortreichen Spekulatius unumstößlich bewiesen oder widerlegt zu haben?

Dass sowohl Abgaben wie auch Tribute nicht erst nach Phasen von Schenkungswirtschaften, Tauschwirtschaften, Überproduktionen und Fernhandel in Stadtstaaten entstanden, sondern vielmehr bereits die Grundvoraussetzung dafür sind, daß sich diese überhaupt herausbilden konnten.

Dass dabei in frühen Entwicklungsstadien die Abgaben eher den Stammesgemeinschaften in ihrer Gesamtheit zugute gekommen sein mögen und sich erst im Verlauf einzelne spezialiserte Potentaten und dedizierte Tötungsspezialisten herausbildeten, die dann begannen, die Abgaben zu usurpieren und/oder zu erhöhen, ändert nichts an der Tatsache, dass Abgaben bereits vorher existieren (ebenso wie Tribute = Leistungen unterlegener Stämme an die siegreichen Gegner).


Gruss,
mp


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