Dein gelungenes Coming-Out als Verschwörungstheoretiker

Stagflati, Sonntag, 06.09.2020, 18:08 (vor 1327 Tagen) @ BerndBorchert5106 Views

Hallo Bernd,

toll, dass Du dazu stehst! Nicht jeder kann das. Es gibt Leute wie mich, die es einfach nicht schaffen, aufgrund der Komplexität und oft auch Widersprüchlichkeit der Welt ins rettende Lager der Verschwörungstheoretiker zu wechseln. So bleibe ich mit all meinen Zweifeln immer weiter bemüht, ein vermeintlich ausgewogenes Bild der Wirklichkeit zu erstellen. Die Menschen in diesem Bild sind oft guten Willens, einige sind sogar überaus bemüht, die Dinge konstruktiv zum Besseren zu wenden. Mit dieser hoffnungslos optimistischen Sicht der Dinge bin ich von realistischer Einsicht in die Verschwörungszusammenhänge meist meilenweit entfernt. Ich wusste bis vor Kurzem noch gar nicht, wie man "fels fleg" schreibt. Das nur als Beispiel.

Tja, so bleibt mir der Blick hinter den Vorhang verwehrt, und wenn ich einen Kondensstreifen am Himmel sehe, denke ich nie und nimmer an Chemtrails mit bösem Gift. Und bei 9/11 glaube ich naiverweise immer noch an einen islamistischen Anschlag von Bin Laden. QAnon hielt ich bis vor Kurzem für eine Vereinigung anonymer Alkoholiker, usw..

Ich bemüh mich ja, in die warme, geborgene Welt der festen Überzeugungen zu wechseln, unter anderem dadurch, dass ich viel im Gelben Forum mitlese, aber es will mir einfach nicht so recht gelingen. Ich erfahre zwar viel, zB. dass der Nawalny in Wirklichkeit von den Amerikanern vergiftet wurde, und dass Corona nicht mehr ist als ein leichter Schnupfen, aber ich kann mich den Einflüsterern der Lügenpresse und der Weltherrscher-Elite nicht entziehen. Ich bin auch noch nie von Außerirdischen entführt worden, zumindest kann ich mich daran nicht mehr erinnern. Also alles in allem ein trauriges, trostloses Leben, das ich führe.

"Hör auf mich, vertraue mir..." säuselte die Schlange Kaa im Dschungelbuch, und ich falle immer wieder auf solche hypnotisierenden Stimmen herein, und kaufe dann wieder die "FAZ", die "Welt" oder die "Süddeutsche", oder schaue Tagesschau, obwohl ich doch weiß, dass sie es alle nur auf meine Freiheit und mein Geld abgesehen haben.

Der Weg zur Wahrheit ist lang. Zumindest für uns Zweifler, die immer noch wie ein Sisyphus ergebnisoffen Argumente und Gegenargumente abwägen, und sich wohl nie für die bequeme Wahrheit vieler Verarschwörungstheoretiker entscheiden können.

Und zugegeben, eine wirkliche Verschwörung würde ich wohl nie erkennen, weil mein Menschenbild zu optimistisch und vielleicht insofern auch zu naiv ist...

Aber wir können uns gegenseitig befruchten (also geistig), indem wir im Dialog der Lager bleiben. Es gibt da eine Schnittmenge, aus der man was machen kann. Doch, ganz bestimmt!

Gruß

Stagflati


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