zuviele Baustellen

Diogenes Lampe, Freitag, 23.02.2018, 00:11 (vor 2464 Tagen) @ nemo4883 Views

Hallo Nemo,

Tiere können nicht lieben, sondern nur emotionale Bindungen haben. Hier beginnt das ganze Missverständnis. Um zu lieben muss man wissen, dass man existiert.

Das Wissen über die Liebe ist nicht die Liebe. Um zu lieben, muss man existieren, aber um zu existieren, muss man nicht wissen, dass man existiert. Ebensowenig muss man wissen, dass man liebt, wenn man liebt.

Wir sind gar nicht dazu fähig zu lieben und wissen demnach auch nicht was Liebe bedeutet.

Ich muss gestehen, dass ich mir nicht sicher bin, ob Sie und ich unter der Liebe dasselbe verstehen...? Außerdem komme ich nicht so ganz mit ihrer Logik klar, wenn Sie einerseits schreiben: \"Um zu lieben muss man wissen, dass man existiert.\" andererseits aber: \"Wir sind gar nicht dazu fähig zu lieben und wissen demnach auch nicht was Liebe bedeutet.\" Die erste Aussage bedeutet im Umkehrschluss: Wenn ich weiß, dass ich existiere, dann könnte ich auch lieben. Aus dem zweiten folgt, dass gar nicht lieben kann und folglich auch nicht weiß, was Liebe bedeutet. Weiß ich denn dann, dass ich existiere? Ich will Ihre Axiome gar nicht bezweifeln. Ich verstehe sie einfach nicht ohne Ihre nähere Begründung, wie Sie auf diese kommen.

Nächstenliebe ist daher ebenfalls unmöglich. Liebe bedeutet nicht sich selbst zu lieben, sondern das Sein als solches, einschließlich sich selbst als Teil des Seins. Was aber ist das Sein? Es ist das Gewahrsein des Ganzen.


Ich zäume das mal von hinten auf und behaupte: Das Gewahrsein des Ganzen ist nicht das Sein, weil Gewahrsein und Sein nicht dasselbe sind. Und Sie sind mein Zeuge, denn Sie schreiben weiter: Gewahrsein ist jedoch nichts, was wir bereits hätten. Aber das Sein haben wir, oder?

Darin liegt die Täuschung und die Suggestion. > Gewahrsein wächst mit der Bewusstheit. Die Frage ist also: > Wie kann das Bewusstsein wachsen?


Das ist jedoch eine Suggestionsfrage, denn sie geht von der Voraussetzung aus, dass das Bewußtsein wächst. Nach meinem Dafürhalten wächst es nicht sondern entfaltet sich im Gewahrwerden.

Erst wenn man diese Frage untersucht, wird man in der Lage sein Jesus zu verstehen. Das Wachstum des Bewusstseins ist der Kern und das Ziel seiner Lehre.

Da sind wir gar nicht so weit auseinander; -bis auf das Wachstum. Der Entfaltung des Bewußtseins wegen stellt er ja auch die Bergpredigt auf \"selig sind...\" ab und nicht auf \"Du sollst\" bzw. \"Du sollst nicht\". Er beschreibt also einen Zustand, in dem man sich befinden wird, wenn er von \"selig\" spricht. Das ist aber kein Bewußtseinszustand, der als solcher immer nur auf den begrenzt ist, der es hat, sondern das \"selig\" geht über ihn hinaus und somit natürlich auch über das Ich im Individuum, das in seiner Isoliertheit Leid bedeutet. Er überwindet hier also das jüdische Gesetz und seine Polarität von Verbot und Gebot, das immer noch an das einzelne Individuum gebunden ist.

Seine Lehre wurde jedoch so deformiert, dass der innere Kern dabei verloren ging. Dass der innere Kern verloren ging, ist aber nicht das Problem, weil wir jederzeit wieder ganz von vorn beginnen können, wenn wir wollen.


Ich denke nicht, dass der innere Kern verloren ging, denn die Bergpredigt kann ja jeder nachlesen. Aber Sie machen hier suggestiv noch eine andere theologische Baustelle auf, nähmlich die Frage, ob es Willensfreiheit überhaupt gibt?

Es ist allerdings unmöglich neu zu beginnen, wenn man in der Vorstellung lebt, man hätte den Kern bereits erfasst. Es ist eine Selbsttäuschung, denn der Kern kann niemals vollständig erfasst werden, weil das Wachstum des Bewusstseins keine Ende hat. Oder man könnte auch sagen, dass die Liebe zum Sein kein Ende hat. Aber das ist schon eine höhere Stufe.


Die ist mir wirklich zu hoch. Wo wächst denn das Bewußtsein hin? Und wer sagt, dass die Liebe überhaupt das Sein liebt?

Religion – die Rückverbindung zum Sein – kann nicht für alle Menschen dasselbe bedeuten.

Wer würde das ernsthaft bestreiten?

So herum betrachtet ist es albern, einem Menschen die Rückverbindung zu verordnen. Es kann nur aus freiem Willen getan werden und daher sind auch nur die Menschen religiös, die dies aus freiem Willen tun.


Tja, nicht, dass ich für das Verordnen wäre, um Himmels Willen, aber genau mit diesem vermaleideten Freien Willen habe ich so meine Schwierigkeiten, dahin gehend, dass ich mich im Gegensatz zu den Jesuiten davon überzeugte, dass es ihn nicht gibt.
Gruß DL


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