Die Liebe zum Sein
Hallo Diogenes Lampe,
Um zu lieben, braucht man keinen Geist. Dem Geist ist die Liebe nicht
zugänglich. Liebe ist, wenn Sie so wollen, unsere natürliche
Anziehungskraft, die es auf Vereinigung in welcher Form auch immer
abgesehen hat. Deswegen können auch Tiere lieben aber nicht Theologie
studieren.
Tiere können nicht lieben, sondern nur emotionale Bindungen haben.
Hier beginnt das ganze Missverständnis. Um zu lieben muss man wissen,
dass man existiert.
Wir sind gar nicht dazu fähig zu lieben und wissen demnach auch nicht
was Liebe bedeutet.
Nächstenliebe ist daher ebenfalls unmöglich. Liebe bedeutet nicht sich
selbst zu lieben, sondern das Sein als solches, einschließlich sich selbst
als Teil des Seins. Was aber ist das Sein? Es ist das Gewahrsein des Ganzen.
Gewahrsein ist jedoch nichts, was wir bereits hätten. Darin liegt die Täuschung
und die Suggestion. Gewahrsein wächst mit der Bewusstheit. Die Frage ist also:
Wie kann das Bewusstsein wachsen?
Erst wenn man diese Frage untersucht, wird man in der Lage sein Jesus zu
verstehen. Das Wachstum des Bewusstseins ist der Kern und das Ziel seiner
Lehre. Seine Lehre wurde jedoch so deformiert, dass der innere Kern dabei
verloren ging. Dass der innere Kern verloren ging, ist aber nicht das Problem,
weil wir jederzeit wieder ganz von vorn beginnen können, wenn wir wollen.
Es ist allerdings unmöglich neu zu beginnen, wenn man in der Vorstellung
lebt, man hätte den Kern bereits erfasst. Es ist eine Selbsttäuschung, denn
der Kern kann niemals vollständig erfasst werden, weil das Wachstum des
Bewusstseins keine Ende hat. Oder man könnte auch sagen, dass die Liebe
zum Sein kein Ende hat. Aber das ist schon eine höhere Stufe.
Religion – die Rückverbindung zum Sein – kann nicht für alle Menschen
dasselbe bedeuten. So herum betrachtet ist es albern, einem Menschen
die Rückverbindung zu verordnen. Es kann nur aus freiem Willen getan
werden und daher sind auch nur die Menschen religiös, die dies aus
freiem Willen tun.
Gruß
nemo