Reaktiver Hass mag ja normal sein, charakterlicher nicht

Silke, Donnerstag, 17.01.2019, 03:07 (vor 2143 Tagen) @ Phoenix57386 Views
bearbeitet von Silke, Donnerstag, 17.01.2019, 03:30

Lieber Phoenix5,

Wer das trennen kann ist befähigt, kritische Situationen in seinem Leben zu analysieren, die einer Veränderung des eigenen Verhalten bedürfen. Verändern kann ich ja stets nur das eigene Verhalten und die eigene Einstellung.

„Unter reaktivem Hass verstehe ich ein Erleben, das aufgrund eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin folgt. Reaktiver Hass setzt immer voraus, dass jemand eine positive Einstellung zum Leben, zu anderen Menschen und zu Idealen hat. Wer stark lebensbejahend ist, wird entsprechend reagieren, wenn sein Leben bedroht ist.“
Erich Fromm

Wer das nicht kann beschädigt sich und andere noch mehr, als die Situation sowieso schon mit sich bringt.

"Charakterbedingter Hass wird zwar auf die gleiche Art und Weise wie der reaktive Hass ausgelöst, setzt aber eine grundlegend andere Persönlichkeitsstruktur des Hassenden voraus – Hass sei in diesem Fall ein Charaktermerkmal, eine Hassreaktion sei lediglich ein Ausdruck des innewohnenden Hasses. Der Hauptunterschied zum „reaktiven Hass“ sei die allgemeine Bereitschaft zu hassen, eine erkennbare Feindseligkeit, welche in Hassausbrüchen ihren Ausgang finde. „Doch wurde der Hass dann zu einem Charakterzug des Betroffenen, so dass er jetzt feindselig ist. ... Im Falle des reaktiven Hasses ist es die Situation, die den Hass erzeugt; im Falle des charakterbedingten Hasses hingegen wird eine nicht-aktivierte Feindseligkeit durch die Situation aktualisiert. ... Ein solcher Mensch zeigt eine besondere Art von Befriedigung und Spaß, wenn er hasst, die bei reaktivem Hass fehlt.“ Das Aktivieren des charakterbedingten Hasses in der Bevölkerung bezeichnet Fromm als eines der wichtigsten Mittel zur Vorbereitung eines Angriffskrieges.

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

»Der schlaueste Weg, Menschen passiv und folgsam zu halten, ist, das
Spektrum akzeptierter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses
Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben.«
Noam Chomsky

Wo Meinungsfreiheit ein Straftatbestand ist sollte man vorsichtig mit Meinungsäußerungen sein, aber eine selbst erarbeitete innere Überzeugung haben.

Fazit: Nicht eine Spaltung oder Polarisierung der Gesellschaft findet
gerade statt, sondern das exakte Gegenteil. DAS ist es, was der Politik
Angst macht.

Die Politik und Angst?
Die Ohnmächtigen stellen doch mit ihrem Hass keine Gefahr für politische Personen oder gar Institutionen dar (nur für die Befindlichkeit der hinter diesen stehenden natürlichen Personen). Im Gegenteil lässt sich ganz vorzüglich ein mannigfaltiges "divide et impera" betreiben.
Die Entmächtigung der Masse wird zuverlässig verteidigt und ausgeweitet.

Gefährlich sind systemisch nur die, die als besonnene ruhige Bewahrer von Werten und guten Traditionen, Regeln, Sitten und Gebräuchen ihre Emotionalität zwar reflextieren, sich aber nicht missbrauchen lassen. Das ist nicht so einfach in einem System mit massiver formeller Gewaltausübung, das die natürliche formlose Gewalt zu seinen Zwecken eingefangen und gebunden hat.

Kinder und Tiere hassen nicht. Sie müssen dazu konditioniert werden.
Wenn das gelungen ist neigen sie dazu, hassgetragene Lösungsversuche zu favorisieren, wie weltweit in schwer beschädigten patriarchaischen Strukturen mit früher Gewalterfahrung für Kinder zu bestaunen ist.

Hass ist wie Erreger von Infektionskrankheiten. Er kann die Immunabwehr stärken oder eine verheerende tödliche Epidemie auslösen.

Wer pessimistisch durch das Leben geht wird ständig viele pessimistisch stimmenden Sachen erleben, wer hassend durchs Leben geht, findet diesen mehr als die Liebe.

„Liebe ist die tätige Sorge um das Leben und das Wachstum dessen, was wir lieben.“

„Liebe ist eine Aktivität und kein passiver Affekt. Sie ist etwas, das man in sich entwickelt, nicht etwas, dem man verfällt.“

„Die infantile Liebe folgt dem Prinzip: ,Ich liebe, weil ich geliebt werde.‘ Die reife Liebe folgt dem Prinzip: ,Ich werde geliebt, weil ich liebe.‘ Die unreife Liebe sagt: ,Ich liebe dich, weil ich dich brauche.‘ Die reife Liebe sagt: ,Ich brauche dich, weil ich dich liebe.’“

Der erste Schritt besteht darin, sich bewusst zu werden, dass die Liebe und auch das Leben eine Kunst ist. Wenn wir lernen wollen, zu lieben, sollten wir auf die gleiche Weise vorgehen, wie wenn wir irgendeine andere Kunst erlernen möchten, so wie das Musizieren, Malen, Schreinern, die Kunst der Medizin oder des Ingenieurwesens.“

„Wenn zwei Menschen, die sich fremd waren plötzlich zulassen, dass die Schranken zwischen ihnen fallen, um sich zu fühlen und zu entdecken, machen sie eine der emotionalsten Erfahrungen im Leben.“

„Liebe ist nicht in erster Linie eine Bindung an eine bestimmte Person. Sie ist eine Haltung, eine Orientierung des Charakters, welche die Beziehung eines Menschen zur Welt als Ganzes und nicht nur zum Objekt der Liebe bestimmt.“

Erich Fromm glaubte, wir brauchen um zu lieben:
Fürsorge,
Verantwortungsgefühl,
Respekt und
Kenntnis.

"Die Kunst des Liebens" ist ein kleines feines Büchlein von ihm.

Liebe Grüße

Silke

PS. In segmentären Gemeinschaften wird der reaktive Hass je nach Notwendigkeit abgeführt z.B. per Ritual oder in formloser Gewalt ausgespielt z.B. Rache, Blutrache.
Die so wichtige Vermittlung wird in einem ZMS vermieden, die menschlich ungeeignete aber systemisch unerlässliche Dekretierung wird gepflegt.
Die systemische Bestrafung wird in einem ZMS der Wiedergutmachung vorgezogen.
Durch die Rechtsetzung und -durchsetzung wird die stärkste Gewalt durch das System selbst ausgeübt, der größte Hass als Herrschaftsinstrument systemisch gepflegt.
(Fromm, Reich, Wesel, Sigrist)


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