offen bleiben!

Weiner, Dienstag, 06.11.2018, 15:47 (vor 2207 Tagen) @ Centao3678 Views

Hallo CenTao

über die Induskultur ist uns doch viel zu wenig bekannt

Wen meinst Du mit 'uns'? Dich selbst?

Es gibt nämlich eine Menge archäologische Forschung und Literatur zu dieser Kultur, so dass man sich ein zureichendes Bild über sie machen kann. Die Harappas hatten keine Zikkurate und Pyramiden, keine Darstellungen von Kriegern und Kriegszügen, keine Königsgräber mit Schatzkammern und toten Ehefrauen und Dienerschaft, keine Darstellungen von Menschen die doppelt so groß sind wie die anderen - nur um mal ein paar Details zu bringen.

Hier ist eine Webseite, auf der Du Dich informieren kannst, wenn Du für den Gang in die Bibliothek keine Zeit hast.

http://harappa.com

Ich habe dieses Beispiel nur gebracht, weil ich zeigen wollte, dass Staatenbildungen auf genossenschaftlicher Basis (die offensichtlich in dieser Kultur vorlag) einen sehr hohen Organisationsgrad und sehr hohe Bevölkerungszahlen erreichen können.

Das Beziehungsdreieck "Macht - Schwert - Abgaberecht" ist seit ca. 6000
Jahren unteilbar und durchgängig nachweisbar.

Ja, und? Wenn man mit dieser Tatsache nicht zufrieden ist - was ich Dir mal unterstelle -, dann muss man eben in Gottes Namen sich auf die Suche machen, ob es davor auch schon so war. War es aber nicht. Bevor die Krieger kamen, gab es bereits hoch strukturierte Staatsgebilde, die heterarchisch organisiert waren - um diesen neuesten Begriff zu gebrauchen (kommt aus der IT), der aber auch nicht mehr sagt als "genossenschaftlich" und (aus heutiger Sicht wieder gesprochen) republikanisch.

Die Krieger, die ab 4000 v.Chr. sich ausbreiteten, konnten nur deswegen so schnell 'Großreiche' bilden, weil sie gut entwickelte Formen der genossenschaftlichen sozialen Organisation schon vorfanden und mit ihrer eigenen (militaristischen) Organisation nun überlagern konnten. Wenn diese Vor-Organisation nicht dagewesen wäre, wären die Krieger komplett gescheitert und es wäre bei ein paar Raub- und Zerstörungszügen geblieben. Großstaaten und Kulturzyklen und so genannte Hochkulturen gäbe es dann gar nicht ...

Außer der Archäologie bietet die Ethnologie noch ein paar weitere Hinweise und Spuren auf menschlicher Staatenbildungen ohne Zentralstaat-Schwertmacht-Geldsystem. Ich möchte dafür plädieren, offen zu bleiben und diese Dinge mit neugierigem Blick anzusehen, und sie nicht über den Kamm der letzten 6000 Jahre Erfahrung mit Zentralmächten zu scheren. Dies ist schon deswegen geboten, weil wir aus dem Zentralmachtsystem irgendwie herauskommen müssen (oder ggfs. einen Neustart und anderen Bedingungen ermöglichen können sollten).

Ich möchte ferner zu bedenken geben, dass reine und absolute Zentralmachtsysteme in der Geschichte niemals längere Zeit als ein oder zwei Generationen funktionierten sondern immer auf kooperativ organisierte Subsysteme angewiesen waren *). Unsere derzeitigen Zentralherrscher (die unter sich ebenfalls partnerschaftlich organisiert sind) wissen das sehr genau, weswegen sie uns im Glauben leben lassen, wir seien Republiken und Demokratien und Sozialstaaten und offene Gesellschaften, während sie uns tatsächlich fester im Griff haben, als alle Zentralstaaten zuvor in der menschlichen Geschichte mit ihren Untertanen das je hinbekommen haben ...

Dies, mit freundlichen Grüßen, die Erkenntnis von Weiner

*) dies führt nämlich auch zu höheren Freiheitsgraden in der Entwicklung (konkret: Kreativität, Innovation, Flexibilität etc.)


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