Ich hätte in jede Zeit und an jeden Ort der Weltgeschichte gepaßt, nur nicht in den Okzident ca. 1960 ff.
Natürlich waren auch der Mongolensturm und die Eroberungsfeldzüge der
Römer Verbrechen!
Die Realität überholt die Satire auf dem Standstreifen mit 180 Sachen. Vor welchem "Internationalen Gerichtshof" hätten dann die überlebenden Azteken Cortés verklagen sollen wegen Mißachtung ihrer "Menschenrechte" und Verbrechen gegen die "Menschlichkeit"? Und man beachte, daß beide legalistischen Konstrukte auf beiden Seiten völlig unbekannt waren.
Das Verstörendste an der ganzen Sache ist womöglich, daß der europäische Jetztmensch sich bemüßigt fühlt, seine weltgeschichtlich höchst anomale (und vermutlich auch höchst vorübergehende) Auffassung zum Thema rückwirkend auf alle Vorangegangenen anzuwenden - mit erhobenem Zeigefinger.
Aber so läuft es jedes Mal, wenn kriegsvergessene Generationen das Ruder
übernehmen.
Kriegsvergessenheit äußert sich vor allem darin, Krieg als eine Art "Ausnahmezustand der Tugendlosigkeit" zu rekonstruieren. Mit der Realität der letzten dreißig Jahrtausende oder so hat das nichts zu tun.
Erst wird der Krieg banalisiert, dann glorifiziert, dann
geführt. Und hinterher sind wieder alle ganz schockiert, wie es zu solchen
Gewaltexzessen kommen konnte.
Weder das eine, noch das andere. Krieg wird einfach als eine unvermeidbare Konstante des menschlichen Daseins erkannt - nicht mehr, aber auch kein Iota weniger. Das haareraufende, zuweilen pathetische Beharren auf einem "Warum" kennzeichnet eher die im postheroischen Wohlstand des "Westens" (i. S. d. alten Kalter-Krieg-Diktion) In-die-Welt-Geworfenen nach '45. Echte Kriegsopfer steigern im Mittel eher ihren Vorrat an Stoik.
Jedem seine Meinung zu diesem Thema. Deine widert mich an.
Ja, die Emotionalisierung des Sachlichen ist charakteristisch für die Gegenwart. Eventuell steckt dahinter eine kollektive zivilisatorische Kränkung, verursacht durch die Tatsache, daß wir trotz aller aufgeblähten Versprechungen der Aufklärer und trotz aller "humanitären" doppelten Böden und Sicherungsnetze nach wie vor am gähnenden Abgrund stehen müssen.
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Ainsi continue la nuit dans ma tête multiple... elle est complètement dechirée... ma tête.
- Luc Ferrari