Nachtrag wg. Leserzuschrift

Morpheus ⌂, Sonntag, 07.05.2023, 02:37 (vor 356 Tagen) @ Morpheus1654 Views

Hallo allerseits und insbesondere an den Autor der Leserzuschrift mit Absender "habe_keine_mail@email.net"

seit ein paar Wochen bekomme ich nett gemeinte Zuschriften, ohne Möglichkeiten zu antworten.

Dieses Mal ist es vergleichsweise einfach, deshalb antworte ich mal hier.


ein ganz wichtiger Punkt, den ihr meiner Meinung nach übersehen habt ist:

Die Menschen haben früher absichtlich und relativ freiwillig ihr Gold zur Bank gebracht, damit es dort "sicher(er) eingelagert" wurde und haben statt das schwere Gold mit sich herumzuschleppen, lieber Banknoten verwendet, die anfangs nur bei der ausgebenden Bank wirklich einlösbar waren. Also äußerst unpraktisch und auch nicht wirklich sicher, denn die Bank konnte auch beraubt werden.

Niemand hatte die Leute gezwungen, auf ihr Gold zu verzichten. Die Goldverwendung war ihnen einfach zu unpraktisch. Wer wollte das schwere Metall immer mit sich herumschleppen und dann das Aufbewahrungs- und Transportrisiko. Diebstahl oder gar Raubmord war ein einfaches, einträgliches Geschäft. Wer wollte die beiden Risiken schon auf sich nehmen?

Und natürlich merkten die Bankster, die Geld anfangs nur aufbewahrten, schnell, dass sie mehr Noten ausstellen konnten, als das sie Geld eingelagert hatten. Und sobald man weiß, wenn die Bank irgendeinen Kredit vergibt oder vergeben hat, dass man dann auch wissen muss, dass jetzt Gold fehlen muss im Tresor der Bank.
Nur wenn die Sparer sich zusammentun würden, um gemeinsam Kredite zu vergeben, wäre das anders. Wann wurde das jemals in der Geschichte so praktiziert, dass die Bank die Kunden-Einlagen mit deren Wissen gebündelt als Kredite heraus gereicht hat/hätte. Meines Wissens nach und mit gutem Grund, wurden stets zwei Geschäfte der Bank daraus:

  • einmal mit dem Sparer und
  • das andere mit dem Kreditnehmer.

Bei Letzterem muss die Bank für den Kreditausfall mit ihrem Eigenkapital haften. Was ich ehrlich gesagt für die sinnvollste Sache der Welt halte.

wie kommst Du darauf? Wieso MUSS die Bank haften?

Das ist ganz einfach, wenn die Leute, die Goldmünzen bei der Bank eingelagert haben, und diese abholen wollen, aber kein Gold mehr lagert weil es anderweitig verliehen wurde, dann muss die Bank wohl oder übel von den Münzen auszahlen, die sie selbst als Kapital eingelegt hat. Das ist ein Vorgang der technisch gar nicht anders geht. Zumindest solange, bis die Bank sich für insolvent oder pleite erklärt.

In Deiner ganzen "Entwicklung des Geldes, vom Anfang" an, taucht der Staat, der den gesetzlichen Rahmen für die Annahme und Verbreitung von Geld liefert, anscheinend überhaupt nicht auf.

Klare Antwort, natürlich taucht der Staat an DIESER Stelle nicht auf. Weil hier geht es um die Banken und deren Geldschöpfung über Kreditvergabe, die es auch bei einem Goldstandard schon gab.


Denn die niemals genutzte Variante, bei der eine Bank das Geschäft zwischen dem Kreditnehmer und den gebündelten Sparern nur ohne Haftung vermitteln würde, würde mir als Sparer verdammt schlecht gefallen. Es wäre zu einfach, dass Kreditnehmer und Bank sich zusammentun, um die Sparer um ihr Gold zu erleichtern.

Weil es aber in der Praxis immer zwei getrennte Geschäfte waren, war, sobald den Banken ein eigenes Kreditgeschäft erlaubt war, war auch beim Goldstandard bereits Kreditgeld im Umlauf und damit "Geld mit Zinsen".

Goldgeld ohne Zinsen gibt es NUR, wenn es KEINERLEI Banknoten gibt oder sichergestellt wird, dass für jede Banknote immer Gold vorhanden ist. Für diese letztere Variante, soll mir bitte jemand erklären, wie die Vorfinanzierung von Unternehmen funktionieren könnte. Weil, wenn ich ein Unternehmen gründen wollte, müsste ich zuerst Goldschürfer werden. Wenn ich dann genug Gold geschürft hätte, könnte ich mein Unternehmen darüber (vor-)finanzieren. Denn alles andere Gold hat bereits vorher einen Eigentümer und WIE sollte dieses Geld (ohne Zinsen) für einen Kredit zur Verfügung gestellt werden.

Die Entwicklung des Geldes, vom Anfang also vom

  • Anteil an der Jagd-Beute, über
  • Anteile an den Ernte-Erträgen, über
  • Metall-Rohstoff-Geld, über
  • Metall-Münz-Geld, über
  • Metall-Noten-Geld bis zum
  • reinen elektronisch repräsentierten Kreditgeld

wurden die Kosten der Geldherstellung, der Geldversorgung sowie der Aufwand der Geldverteilung laufend verbessert und wir haben heute das einfachste, wirkungsvollste und fast schon sicherste Geld der Welt.

An dieser Stelle taucht bei mir der Staat auf, natürlich nur implizit, denn die Herrscher sind es, die die Abgaben kassieren. Und der Staat ist das Territorium der Mafia, die in ihrem Gebiet Schutz und relative Freiheit gegen Herrscherrechte und wiederkehrende (Schutz-)Geld-Zahlungen liefert.

Geld - als Schuldentilgungsmittel! - ist nur so "sicher" und "wirkungsvoll" wie der Staat (das Rechtssystem) - oder eine äquivalente Organisation (Mafia, private Schuldeneintreiber) - die Schuldner ZWINGEN können, sich Geld zu beschaffen. Erst dadurch erhält es seinen "Wert".

Richtig, Geld ist die Ware, die jeweils als Steuerzahlungsmittel verlangt wird und selbige wird deshalb für Waren und Arbeitsleistungen als Bezahlung verlangt. Warum geht die Mehrheit von uns arbeiten, primär um Geld zu erhalten. Einige werden dann noch Schulden tilgen. Viele Unternehmen haben Schulden, tilgen aber kaum, sondern zahlen nur die Zinsen.
Der Ansatz über die Schuldtilgung ist NICHT sinnvoll, denn Geld wird eben überwiegend als Bezahlung für Arbeitsleistungen, auch für in Waren gespeicherte Arbeitsleistungen verwendet. Der Bereich wo wirklich Schulden getilgt werden, ist im Verhältnis dazu vernachlässigbar. Klar treten die Probleme, wenn Geld seine Funktion verliert, bei der Schuldentilgung zutage. Aber diese Vorfälle gibt es in den Wirtschaftszyklen von ca. 70 Jahren jeweils in den letzten X Jahren bis zum Totalkollaps. Und dann geht der Zyklus von neuem los. 90 Prozent der Zeit funktioniert Geld reibungslos, als Bezahlungs- und Steuerzahlungs- und Schuldtilgungsmittel.


Würde man heute stattdessen ein reines Goldmünzen-basiertes Geld verwenden, wären die USA schon lange ohne jedes Gold und Süd-Europa ebenfalls. Dort wäre damit ohne jegliches Gold sämtliche Wirtschaftstätigkeit unmöglich, hätten die Menschen sich nicht dezentral und selbständig Ersatzgeld geschaffen, was aber bekannterweise auch stets in einer Hyper-Inflation untergehen muss.

Logisch, denn JEDE Währung ist ausschließlich durch ZWANG gedeckt. Fällt der Zwang weg, dann verfällt sie rasch an Wert, wie man gerade in Argentinien beobachten kann. Ein zunehmend disfunktionaler Staat, der nicht (mehr) in der Lage ist, soviel Steuern einzutreiben, wie er bräuchte, um seine Ausgaben zu decken, zieht der Währung quasi automatisch den Boden unter den Füßen weg.

Genau, Ersatzgeld kennt keinen Zwang. Deshalb funktioniert es in der Praxis schlecht. Zigaretten und Schnaps und andere Suchtmittel funktionieren da besser, vorausgesetzt die Produktion ist knapp.
Naja, die argentinische Regierung meint sie kann mehr Pesos staatlich in den Umlauf bringen, als sie auf der anderen Seite an Steuern verlangt. Das kann natürlich nicht gehen und muss zu Inflation führen.


Vielleicht können mir die Anhänger einer Goldwährung ja mal erklären, wie das mit den Unternehmens-Krediten bei Gold gedeckten Währungen sicherer als heute funktionieren soll? Ich bin zu dumm und verstehen es nicht. Es kommunikativ auf den Punkt zu bringen ist offensichtlich ganz besonders schwer.

Wer von den Goldbugs erklärt mir bitte, wie Unternehmensfinanzierung im Goldstandard funktioniert.

Grüße
Morpheus

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Wir - für die unbeschränkbare Freiheit.


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