Von Menschen und Mäusen
Hallo Silke,
Ich fand die Begrifflichkeit Schwarm eigentlich immer gar nicht so schlecht.
Angestoßen durch die Diskussion darüber, habe ich nun nochmal darüber nachgedacht
und finde sie immer besser, wenn auch etwas differenzierter.
Mein heutiges Fazit, denn sicher geht das noch weiter:
Verhaltenstypologisch: Schwarmverhalten entsteht aus/ bei Masse!
Solange beispielsweise Mäuse oder Menschen in gewöhnlicher Anzahl und damit verknüpft gewöhnlichen Lebensgewohnheiten leben, passiert da gar nichts in die Richtung. Sie bilden gewöhnlich weder Schwärme NOCH Herden, – dies geltend für die Überschreitung der individuellen Bekanntschaft ( Dunbarzahl).
Ich meine, die Differenzierung zwischen Herden, die manche Tierarten als gewöhnliche Lebensgewohnheit ( auch in Anzahl über der individuellen Bekanntschaft), samt Alphatieren (zumindest außerhalb von Paarungszeiten) inne haben und Schwärmen, die bei MANCHEN Arten nur aufgrund besonderer Bedingungen auftreten, ist eine überaus wichtige Unterscheidung.
Bei Auftreten von Massenansammlungen bei Mäusen und Menschen kommt es zu eindeutigem Schwarmverhalten. Die Orientierung erfolgt durch die Nächsten in Umgebung.
Ich habe Massenpaniken bei Demos erlebt. Das fühlt sich an wie imaginäre Wellen, bereits Bruchteile BEVOR die nächste Umgebung los rennt. Entgegen Wikipedia rennt die Masse, der Schwarm keineswegs individualistisch bestimmt, er rennt und zwar besinnungslos. Da mit wesentlich schlechteren Reaktionszeiten wie typische Schwarmtiere ausgestattet, wird so etwas bei Hindernissen übel. Weil mir das Prinzip der Massenbewegung, auch in Hinblick zu Aggresions- ähm Ansteckung sehr früh klar wurde, übte ich Bewusstsein und Abkoppelung. Was durchaus funktioniert, aber einfach ist das nicht. Und fühlen tut man dennoch dasselbe, handeln kann man bei genügend Besinnung dennoch anders ( Gruß an die Bewusstseinsvertreter).
Von diesem Extrem runtergebrochen sieht man das z. B. bei Warteschlangen.
Die Einen tun, was die Anderen tun. Ich hab schon mehrfach erlebt, Menschen stellen sich an die Schlange, die eben deutlich erkennbar ist. Bei einem zweiten Schalter, wo niemand steht, wird nicht mal hingeguckt. Schwarmverhalten! Kein Herdentier käme auf die Idee sich an zu stellen, wenn nebendran das Gras auch grün wäre. Das bedeutet biologisch! Die Orientierung erfolgt nicht mehr aus Geruchssinn, Wahrnehmung der tatsächlichen Gegebenheiten, sondern vorrangig am Nächsten.
Und genau das ist die Krux.
Ob wir nun wollen! oder nicht, wir sind sozial ausgelegte Geschöpfe. Zur Orientierung ist uns die Ausrichtung an Nächsten notwendig. Ohne Bindung können wir nicht leben. ( Wer mag sollte sich da mal Bindungstheorien beim Menschen angucken, ohne geht’s nicht und so nimmt man, was man kriegt. Selbst Menschen in fortgeschrittenen Alter und „therapiert“, die brutalst als Kinder mißhandelt worden sind, finden am z.B. Täter Papa, Onkel, Lehrer immer noch was Gutes.)
So; und nun vereinzel mal sozial in Kleingruppen Veranlagte in Individualisierung und Anonymität in Großgruppen. Nun nicht mehr nur im Fürstentum ( da konnte vielleicht das Herdenprinzip noch herhalten) über Nationen ( samt Rotten) hin zum Globalisierten ohne ausreichende Kleingruppen;- sprich Familienbindung ( die zwei Stunden am Abend oder so sind lediglich Alibi).
Das Ergebnis ist Schwarmverhalten, zur Orientierung unabdingbar. Und ist keineswegs angelegt, sondern aus Masse und Gegebenheiten ein „Fraktaler Ausfallschritt“ zu auf der Welt angelegten Überlebensmechanismen.
In Schwärmen gibt es keine Zentralinstanzen und diese werden auch nicht aus schwärmerischer Tätigkeit gebildet.
Schwärme entstehen und lösen sich auf durch Anpassungsleistung an Gegebenheiten. Der Schwarm hat keinerlei Möglichkeit, Fähigkeit Gegebenheiten zu verändern. Er ist reaktiv!
Im Bereich der menschlichen zivilisatorischen Entwicklung, zwischen gelandet im Debitismus, bedeutet das, der Mensch selbst hat durch sein Wirken Welten erschaffen, denen er nun unterworfen ist. Debitismus als System ist eine Matrix, die weder bewusst von bösen Machtzentralinhabern weiterhin erzwungen werden muss, noch vom unbewusst reagierenden Schwarm weiterhin erzeugt werden muss, um in der Welt zu sein.
Ein Selbstläufer aus schöpferischen Kräften, welche der Mensch eben nun mal halt.
Aber auch der Selbstläufer hat ein Ende, erfreulicherweise ist die Welt nämlich so gestrickt.
Mit freundlichen Grüßen von Sigrid