Risikokomponenten
Die Frage ist gut, weil sie die, primär von klassisch/neoklassisch verfassten Schulen vertretene
Auffassung eines "natürlichen" Zinses zur Disposition stellt.
Dieser "natürliche Zins“ schien mir, bis dato, etwas Gottgegebenes, quasi ein Naturgesetz, zu sein. Die Vorstellung, dass Geld nun seine Speicherfunktion verloren hat und nur noch rein als Zahlungsmittel Verwendung findet, ist, zumindest für mich, schwer zu verdauen.
Anders formuliert lautet die Frage: Gibt es einen originären Preis des kreditieren Geldes,
unabhängig von diversen, separat als Preisbestandteil wirkenden Risikokomponenten.
Was genau meinst Du mit "Risikokomponenten"? Kreditausfallrisiken?
Notabene: D.h. natürlich nicht, dass nicht zB die Zentralbank mal irgendwann wieder 5% und
mehr für Repos verlangen könnte. Aber das würde sie dann nur als Folge der von ihr im Markt
beobachteten Risikoprämien machen,verstanden als Reaktion auf "irrational exhuberance" in Boomzeiten
Meiner bescheidenen Meinung nach befinden wir uns die letzten 15 Jahre in einer "irrational exhuberance", zumindest, was bestimmte Assetklassen anbelangt (Aktien, Immobilien, auch Bitcoin). Das zu viele(?), zu billige(?) Geld sucht sich Alternativen, die noch Rendite größer Null abwerfen. Und da die Optionen immer weniger werden müssen alle durch ein immer kleineres Türchen durch – und der Teufel scheißt dann auf den größten Haufen.
Ich bringe mal das Beispiel Immobilen: Wir kommen jetzt an den Punkt, an dem der Zinsfaktor praktisch zum Maximum ausgereizt ist (da fast Null). Rechtfertigen ließe sich ein weiterer Anstieg nur durch steigende Löhne. Was aber, in Deutschland, nicht passieren wird (imho). Bleibt also nur die Erwartung an weiter steigende Preise in der Zukunft, die einen jetzigen Preisanstieg rechtfertigen (also auch eine Art Zins: Konsumverzicht jetzt -> Kauf einer Immobilie -> "Belohnung" später (durch 5% Wertsteigerung per annum)).
Oder das Beispiel Aktien: Es geht weiter aufwärts, weil es in den letzten Jahren immer aufwärts ging. Denkt sich zumindest das viele, billige Geld. Womit wir wieder beim Teufel und dem großen Haufen wären.
Dumm nur, wenn das, eines Tages, nicht mehr der Fall sein sollte. Und gleichzeitig auch die Zinsen bei Null bleiben sollten. Dann wäre auch dieses Türchen zu. Und wir wären der besitzlosen Gesellschaft einen weiteren Schritt näher (den Begriff "globale Arbeitssklaven" will ich vermeiden).
oder - wie in den letzten Jahren - um ausbleibende Investitionsnachfrage in Krisenzeiten anzukurbeln.
Die Pferde wollen aber nicht saufen. Höchstens nippen. Stichwort Abwrackprämie. Und einen "Glücksfall" wie die Migrationskrise, in der die neuen Mitbürger mit Wohnraum, Kleidung, Nahrung, usw. versorgt werden müssen, gibt es auch nicht immer wieder.
So, wie ich das sehe, spielt die Zinspolitik als Konjunktursteuerelement eine immer unbedeutendere Rolle. Außerdem scheint die Nullzinspolitik alternativlos (Italien, Spanien, usw.) und sogar allseits (bei Staaten als auch bei Bürgern -> siehe Spiegel-Online Kommentare) sehr beliebt zu sein.
Die wirklich interessante Frage (neben all den theoretischen Aspekten) ist aber: Was machen wir daraus? Schau, @weissgarnix, ich habe zwei Kinder, für die ich mir wünsche, dass sie für die Zukunft gut aufgestellt sind. Diese Zukunft ein Stück vorauszudenken, das sehe ich als meine Verantwortung ihnen gegenüber an.
Viele Grüße,
Sylvia
P.S.
Schön, dass Du wieder hier schreibst. Ich las Deinen Blog immer gerne (auch wenn ich nur die Hälfte verstanden habe).
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"Der Computer ist die logische Weiterentwicklung des Menschen: Intelligenz ohne Moral." (John Osborne)
"Der Gutmensch ist die logische Rückentwicklung des Menschen: Moral ohne Intelligenz." (unbekannt)