Zwei Geschichten aus dunkler Zeit
In dem lesenswerten Buch „Der Totenwald“ reflektierte der heute fast gänzlich vergessene deutsche Autor Ernst Wiechert über seine Zeit im Konzentrationslager Buchenwald, in welches er 1938 für 3 Monate eingewiesen gewesen war (als Warnung). https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Totenwald
Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, die beständigen Demütigungen, Schläge und Folter, denen die Häftlinge ausgesetzt waren, brachten ihn, einen deutschen Patrioten, zu der klaren Einsicht, dass dieses Regime der Mörder sein Ende finden müsse. Er schrieb:
In dieser Stunde erkannte er mit einer unbeirrbaren Sicherheit, dass dieses Reich zerfallen würde, nicht in einem Jahr und vielleicht nicht in zehn Jahren, aber in einem menschlichen Zeitraum. So zerfallen und zerbrechen, dass keine Spur von ihm bleiben würde. Ausgebrannt wie ein Geschwür und nur die grauenhafte Narbe würde zurückbleiben. (Zitat Ende).
Anhand des Beispiels eines 62jährigen Fabrikanten, welcher unter Freunden geäußert hatte, dass der Propaganda-Minister an seinen Volksempfängern wohl eine Menge Geld verdiene, daraufhin denunziert und ins Lager gekommen war, legte er die ganze Brutalität des Mörderregimes bloß:
Der Appell fand von neuem statt und wieder fehlte ein Mann. Es war Vater Herrmann (der Fabrikant). Er hatte die Sirene nicht gehört und schlief auf dem Holzhof. Man fand ihn und schleppte ihn vor den Lagerführer. ….. Der Bock stand noch da und man schnallte ihn sofort fest. Er wurde ausgepeitscht, fünfzehn oder zwanzig Schläge, und es war Johannes, als spüre er das Zittern des Hasses und der Empörung durch das ganze Lager gehen. ……
Sie zwangen ihn, den schweren Bock fortzutragen. Der alte Mann brach zusammen und sie stießen ihn vor sich her. Auf Händen und Füßen kroch er über die Erde, die schwere Last auf seinem geschändeten Körper. Es dämmerte schon und aus der Ferne sah es aus wie ein ungefüges Kreuz, das ein Gemarterter zu seiner Richtstätte schleppte. (Zitat Ende).
Man gebe sich keinen Illusionen hin: Es war gut und richtig, dass dieses Unrechtsregime sein Ende fand, denn es basierte auf Gewalt und Hass.
Wenn uns dennoch aus dieser dunklen Zeit ein Hoffnungsschimmer herüberweht, so der, dass egal unter welchen Bedingungen, es immer Menschen geben wird, die Gutes und Nährendes in sich bewahren können – und es weitergeben. Ein Beispiel:
Als die deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad im zweiten Weltkrieg Weihnachten 1942 feierten, überraschte ein Truppenarzt seine Kameraden mit einem in den letzten Tagen vor dem Fest selbstgemalten Bild, welches später als „Madonna von Stalingrad“ berühmt werden sollte. https://www.volksbund.de/nachrichten/menschlich-in-unmenschlichen-zeiten-die-madonna-vo...
Es zeigt die Mutter Jesu wie sie das Jesuskind in Armen hält. Von dem Bild gehen eine stille Wärme und Güte aus sowie die hoffnungsvolle Botschaft, dass es auch Größeres, Stärkeres gibt als das Leid. Wer hätte das besser gewusst oder mehr gebraucht als die unterernährten, frierenden deutschen Soldaten? (Von den im Februar nach dem Ende der Schlacht von Stalingrad von den Sowjets gefangen genommenen 90.000 Soldaten kehrten nur 6000 in die Heimat zurück – der Truppenarzt war nicht darunter).
Meine Großtante, deren Ehemann als Soldat in Russland war, bewahrte eine Kopie des Bildes auf einem Schrank im Wohnzimmer auf und im Winter brannte vor dem Bild eine Kerze. Ich habe mich dessen immer gerne erinnert.
Und das kann auch uns Heutigen Hoffnung geben: Egal wie verrückt und schlimm die Zeiten auch sind (und das Schlimmste steht uns wahrlich noch bevor und rückt nächstes Jahr wieder etwas näher): Das Leben ist der Güter höchstes nicht (Schiller) – und wir alle können in liebloser Zeit liebevoll agieren, können in einer Gesellschaft der Feigheit mutig sein und können den alles umfassenden Lügen mit Wahrheit begegnen.
In dem Sinne frohe Weihnachten.
K_v_S
--
Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.
Karl Valentin