Wie Frieden möglich wäre, warum Biden in der Ukraine schon gewonnen, und wo Putin Fehler gemacht hat.

Weiner, Montag, 03.04.2023, 00:35 (vor 626 Tagen)7249 Views

Guten Morgen!

Ich habe aus meiner Skepsis in bezug auf Russland und Putin hier auf diesem Forum keinen Hehl gemacht und sehe die kommende Entwicklung keineswegs mit jener positiven Erwartung, die hier auf dem Gelben oft zwischen den Zeilen ausgedrückt wird. Vor allem unterschätze ich die Stärke der USA bzw. der US-Elite nicht und sehe diese hyperaggressive Räuberbande keineswegs auf dem Wege zum Zusammenbruch. Ich frage außerdem ständig nach dem Plan B. Mit Bezug auf die Ukraine hat wenigstens Beo2 hier einmal einen Vorschlag gemacht hat.

In die gleiche Richtung denkt auch Eric Zuesse. Auf 'www.southfront.org' ist nun ein Artikel von ihm erschienen, der in diesem Kontext - wie also könnte ein Frieden eingefädelt werden - sehr interessante Beobachtungen und Ideen entwickelt. Der Aufsatz ist es wert, übersetzt zu werden, was ich hiermit machen will. In den englischen Text sind LINKs zu weiteren Quellen und Belegen eingearbeitet, die man unter dem folgendem LINK aufsuchen kann. Der Aufsatz enthält ferner noch einige Nachträge, die ich in einen Folgebeitrag stellen werde. Bitte beachten, dass es in dem Text hier nicht um Biden, Putin und die Ukraine geht sondern um eine Erneuerung der Idee "Vereinter Nationen":

https://southfront.org/bidens-big-win-in-ukraine/

Geschrieben von Eric Zuesse

Am 31. März titelte CNN "Die Türkei genehmigt den finnischen NATO-Antrag und nimmt damit die letzte Hürde" und berichtete, dass Finnland, das am 15. Mai 2022 einen Antrag auf Beitritt zu Amerikas NATO-Militärbündnis gegen Russland gestellt hatte, nun die einstimmige Zustimmung aller 30 bestehenden NATO-Mitgliedsstaaten erhalten hat und daher voraussichtlich innerhalb der nächsten Tage Mitglied werden wird.

Sowohl Finnland als auch Schweden hatten fast unmittelbar nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 ihre Absicht erklärt, dem Bündnis beizutreten. Für den Beitritt ist die einstimmige Annahme durch alle Mitglieder erforderlich; Finnland wird nun also das NATO-Mitglied sein, das die nächstgelegene Auslandsgrenze zum Kreml hat, der nur 507 Meilen von dieser Grenze entfernt ist. Das bedeutet, dass eine US-Atomrakete, die dort platziert würde, nur 7 Minuten bräuchte, um die russische Kommandozentrale mit einem Blitz-Erstschlag zu vernichten. Auf diese Weise würde die US-Regierung dann Russlands Regierung "Schachmatt" setzen und ihre Kapitulation verlangen können. Obwohl Russland über ein System der "toten Hand" verfügt, das im Falle eines erfolgreichen Erstschlags der USA automatisch Tausende von russischen Atomsprengköpfen gegen Amerika und seine Verbündeten losschicken könnte, wurde diese "tote Hand" offensichtlich noch nie eingesetzt und mag vielleicht gar nicht zuverlässig funktionieren.

Der russische Nachrichtensender RT News berichtete als erster über die Reaktion der russischen Regierung auf die Nachricht, dass Finnland sich nun anschließen wird: "Kreml-Pressesprecher Dmitri Peskow sagte ... Russland 'stellt keine Bedrohung für Schweden und Finnland dar, da es keine Streitigkeiten mit ihnen hat.'" Mit anderen Worten: Die russische Regierung lenkt von dem eigentlichen Problem ab, anstatt es anzugehen. Sie weiß nämlich ganz genau, dass der Beitritt Finnlands zur NATO eine tödliche Bedrohung für die nationale Sicherheit des russischen Volkes darstellt.

Am 12. Mai berichtete der Sender RT unter dem Titel "Finnlands NATO-Mitgliedschaft wird Reaktion in Moskau auslösen":

Moskau hat gewarnt, dass der Beitritt Finnlands zur NATO eine direkte Bedrohung für die Sicherheit Russlands darstellen würde und dass die Aufnahme Finnlands in das Militärbündnis Russland dazu veranlassen würde, Maßnahmen zur Gewährleistung seiner Sicherheit zu entwickeln. Dies, nachdem finnische Beamte am Donnerstag ihr Engagement für einen Beitritt zu dem von den USA geführten Block bekräftigt und angekündigt hatten, im Laufe dieser Woche einen formellen Antrag zu stellen.

"Es gibt eine aktuelle Anweisung des Präsidenten, eine Liste von Maßnahmen zur Stärkung unserer westlichen Flanken in Verbindung mit der Stärkung der östlichen Flanken der NATO zu entwickeln", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow während eines täglichen Pressebriefings am Donnerstag. ...

Er fügte hinzu, dass Russland die Entscheidung Finnlands, sich den feindseligen Schritten der EU anzuschließen, bedauere und warnte, dass die Versuche Helsinkis, der NATO beizutreten, als Anlass dienen würden, entsprechende Spiegelreaktionen zu entwickeln. ...

Letzten Monat deutete der ehemalige russische Präsident und Premierminister Dmitri Medwedew, der derzeit stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates des Landes ist, an, dass Russland im Falle eines NATO-Beitritts Finnlands und Schwedens gezwungen sein könnte, Atomwaffen in der baltischen Region einzusetzen, um "das Gleichgewicht der Kräfte" zu wahren.

Ich [Eric Zuesse] schrieb dazu unter der Überschrift "Russlands schwache Antwort auf Finnlands NATO-Beitritt", dass dies ganz und gar nicht "das Gleichgewicht der Kräfte" bewahren würde, weil die USA/NATO dann in der Lage wären, Amerikas Atomwaffen an Russlands Grenze und in der Nähe seines geistigen Zentrums Moskau zu stationieren, während andererseits Russland nicht in der Lage wäre, seine Atomwaffen an Amerikas Grenze in der Nähe seines geistigen Zentrums Washington DC zu stationieren.

Wenn Finnland der NATO beitritt, wird Amerika seine Raketen an der finnisch-russischen Grenze stationieren, 507 Meilen von Moskau entfernt, 7 Flugminuten für einen Blitzangriff auf Moskau.

Während der Kubakrise 1962 drohte Amerika mit einem Atomkrieg gegen die Sowjetunion, falls die Sowjetunion Atomraketen auf Kuba stationieren würde, 1.134 Meilen von Washington DC entfernt, was heute etwa 10 Minuten von einem Blitzangriff auf Washington entfernt wäre (im Jahr 1962 hätte man viel länger gebraucht, um Washington zu erreichen).

Folglich befindet sich Russland im Falle eines NATO-Beitritts Finnlands in einer mindestens ebenso gefährlichen Lage wie Amerika während der Kubakrise, als Amerika mit einer nuklearen Invasion gegen Russland drohte, falls die UdSSR Raketen auf Kuba stationieren würde.

Außerdem: Im Gegensatz zu Amerika und der Sowjetunion während der Kuba-Raketenkrise, als BEIDE Nationen bereit waren, über ein friedliches Ende der Krise zu verhandeln, ist zwar Russland diesmal bereit, über eine friedliche Lösung zu verhandeln, aber Amerika ist es nicht und hat sich wiederholt geweigert, dies zu tun. Es ist klar, dass Amerika auf eine Eroberung Russlands zusteuert.

Folglich muss Russland, wenn es sich an die Standards halten will, an die sich sowohl Kennedy als auch Chruschtschow 1962 hielten, der finnischen Regierung jetzt unmissverständlich klarmachen, dass Russland, wenn und sobald Finnland der NATO beitritt, keine andere Wahl hat, als nicht nur Finnland, sondern gleichzeitig auch alle anderen NATO-Mitgliedsstaaten mit Atombomben zu bewerfen.

Nun, es gibt hierzu tatsächlich eine Alternative: Die russische Regierung kann ihre Souveränität an Amerika abtreten und Verhandlungen über eine Unterwerfung unter die US-Regierung aufnehmen. Russlands derzeitige und - wie oben zitierte - nur sehr vage formulierte Drohung gegen Finnland lässt die Möglichkeit offen, dies zu tun.

Es gibt jedoch noch eine weitere Alternative für Russland, die Wladimir Putin jedoch überhaupt nicht in Betracht zu ziehen scheint, obwohl sie die EINZIGE vernünftige Möglichkeit für Russland wäre. Sie würde dem Modell entsprechen, das JFK 1962 verfolgte. Doch bevor ich diese Möglichkeit darstelle, möchte ich zunächst einmal Revue passieren lassen, was zu dieser aktuellen Krise geführt hat, damit sie in den richtigen historischen Kontext gestellt wird:

Russlands erste Strategie gegen eine weitere NATO-Erweiterung bestand darin, am 15. Dezember 2021 von der US-Regierung und zwei Tage später von Amerikas wichtigstem antirussischen Militärbündnis, der NATO, zu verlangen, dass die NATO niemals neue Mitgliedsstaaten aufnimmt - insbesondere nicht die Ukraine. Diese Forderung wurde am 7. Januar 2022 sowohl von Amerika als auch von seinem NATO-Arm entschieden zurückgewiesen. Schlimmer noch für Russland: Nachdem Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert war, in der Hoffnung, damit zumindest den Beitritt dieses Landes zur NATO zu verhindern, hatten sowohl Finnland als auch Schweden solche Angst, als nächstes überfallen zu werden, dass beide Länder Anfang April 2022 den Wunsch äußerten, dem antirussischen Bündnis beizutreten, und von Amerika und seinem NATO-Arm willkommen geheißen wurden, den Beitritt zu beantragen. Selbst wenn Russland seinen Krieg in der Ukraine gewinnt, wäre die russische Invasion in der Ukraine also eigentlich gescheitert, da die NATO nun sehr wahrscheinlich noch größer und stärker sein wird als zuvor - also genau das Gegenteil von dem, was Russland beabsichtigt hatte.

[Markierung von Weiner: war ein falscher Zug beim geopolitischen Schach ...]

Eine alternative und effektivere Strategie Russlands sollte dennoch möglich sein. Sie könnte meiner Meinung nach in etwa so aussehen:

1. Russland wird ankündigen, dass sich seine Atomraketen NUR gegen die USA und ihre Verbündeten richten werden, einschließlich aller NATO-Mitgliedsstaaten, nicht aber gegen neutrale Staaten oder andere Staaten, die bislang noch nicht mit den USA verbündet sind. Daraus folgt: Schweden, Finnland, die Ukraine und jedes andere Land, das nicht der NATO angehört oder anderweitig militärisch an die USA gebunden ist, würden niemals Ziel russischer Atomraketen sein.

Umgekehrt formuliert: Jede neue NATO-Mitgliedsnation wird zu einem Ziel auf Russlands Liste der Zerstörung - in einem Dritten Weltkrieg, der zwischen den Vereinigten Staaten und Russland stattfinden könnte.

Wenn also Finnland oder Schweden der NATO beitreten, wird die Wahrscheinlichkeit, dass diese Länder, wenn ein Dritter Weltkrieg ausbricht, allein dadurch ernorm erhöht, dass sie NATO-Mitglied werden.

2. Darüber hinaus sollte Russland gleichzeitig ankündigen, dass, wenn eine Nation die Zusicherung wünscht, dass Russland unter keinen Umständen in sie einmarschieren wird, Russland ein Ersuchen dieser Nation um eine solche Zusicherung Russlands begrüßen wird; und Russland wird in diese Ankündigung eine ausdrückliche Einladung nicht nur an Finnland und Schweden aufnehmen, sondern auch an alle anderen Nationen, die zu irgendeinem Zeitpunkt die Absicht oder eine mögliche künftige Absicht geäußert haben, entweder der NATO oder einem der anderen antirussischen Militärbündnisse Amerikas, wie AUKUS, beizutreten. In diesem Zusammenhang wird Russland auch darauf hinweisen, dass es nicht nur gegen seine eigene Tradition der strikten Einhaltung der von ihm unterzeichneten internationalen Verträge verstößt, sondern damit auch alle seine völkerrechtlichen Rechte verwirkt, wenn es einer Nation eine solche Zusicherung gibt und sie anschließend bricht. Mit anderen Worten: Russland würde im Voraus jedem Land gegenüber kapitulieren, das es später verletzen würde, indem es in ein Land einmarschiert, dem es zuvor versprochen hatte, niemals einzumarschieren. Dieses im Voraus gegebene Versprechen, unter solchen Umständen alle Rechte Russlands nach dem Völkerrecht zu verwirken, wäre eine Kapitulation im Voraus vor allen bestehenden internationalen Gesetzen; folglich gäbe es nach der hier vorgeschlagenen Regelung keine Nation auf der ganzen Welt, die eine so strenge völkerrechtliche Verpflichtung hätte oder jemals hatte, wie Russland sie nach dieser vorgeschlagenen Regelung auf sich nehmen würde.

Und schließlich: Die hiermit vorgeschlagene Vereinbarung bietet allen bestehenden Mitgliedsstaaten der NATO und der anderen antirussischen Militärbündnisse Amerikas das Versprechen an, dass, falls und wenn ein solcher bestehender Mitgliedsstaat das antirussische Militärbündnis verlässt, Russland gerne bereit ist, diesem Staat - in dem Moment, in dem dies geschieht - automatisch die gleiche rechtliche Verpflichtung zu geben, niemals in diesen Staat einzumarschieren oder ihn anzugreifen.

Mit anderen Worten: Die hier vorgeschlagene Vereinbarung wird der ganzen Welt eine klare und eindeutige Wahl zwischen zwei Optionen bieten:

Entweder einerseits mit der aggressivsten Nation in der Weltgeschichte verbündet zu sein - der Nation, die Sanktionen verhängt, putscht und jede Nation überfällt, die nicht mit US-Wünschen kooperiert - d.h. mit jener Nation verbündet zu sein, die die Vereinten Nationen als ultimativen Schiedsrichter des internationalen Rechts durch sich selbst, die Vereinigten Staaten, ersetzt hat und sich zum ultimativen Schiedsrichter dessen macht, was sie "die auf Regeln basierende internationale Ordnung" nennt, einer Ordnung, die letztlich von jenen gemacht wird, die zufällig gerade in Washington D.C. regieren.

Auf der anderen Seite steht die folgende Option: Neuaufbau und Umgestaltung der UNO zu dem, was die ursprüngliche Absicht ihres Schöpfers und Namensgebers, US-Präsident Franklin Delano Roosevelt, war: dass nämlich die UNO die historisch bis heute existierende Herrschaft der Gewalt zwischen konkurrierenden internationalen Staaten durch eine friedliche und demokratische internationale Ordnung ersetzen solle, in der es demnach "Vereinte Nationen" geben würde, d.h. eine weltweite "Föderation aller Nationen", in der internationale Gesetze durch eine globale Legislative von ordnungsgemäß autorisierten Vertretern (unter den eigenen internen Gesetzen jeder einzelnen Nation) erstellt werden; und in der durch einen globalen Obersten Gerichtshof entschieden und durch den einzigen globalen Besitzer und Nutzer von strategischen Waffen, die U. N. selbst, das Recht dann durchgesetzt wird - so dass Strafen, die von diesem globalen Gerichtshof für internationale Beziehungen verhängt werden, gegen die Regierung jeder Nation vollstreckt werden können, die von diesem Gerichtshof verurteilt wurde, die Rechte der Regierung einer anderen Nation verletzt zu haben.

Nach diesem Verständnis eines angemessenen Macht- und Zuständigkeitsbereichs der UNO hat eine solche UNO keine Zuständigkeit und keine Befugnisse in Bezug auf die Verfassung oder Gesetze einer Nation, die nur intern für eine bestimmte Nation gelten, sondern NUR für internationale Gesetze, die sich auch nur auf internationale Beziehungen beziehen, niemals also auf die internen Angelegenheiten einer Nation.

F.D. Roosevelts Ziel war es einst, einen weiteren Weltkrieg unmöglich zu machen, indem er alle imperialen Bestrebungen beenden und sie durch eine internationale Demokratie der Nationen ersetzen wollte. Mit der hier vorgeschlagenen Regelung würde Russland für die ganze Welt genau das anstreben, was FDR für die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg geplant hatte, was aber tragischerweise von seinem unmittelbaren Nachfolger Harry S. Truman - dem Begründer des gegenwärtigen globalen US-Imperiums und seiner gelähmten, derzeit immer noch existierenden UNO - aufgegeben wurde.

Vielleicht ist noch genug Zeit für Putin, dieses Angebot nicht nur Finnland, sondern der ganzen Welt zu machen.


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