Das Urteil (Kurzkrimi erster und letzter Akt)
DAS URTEIL
Kurzkrimi - erster und letzter Akt
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Der Angeklagte wird an Ketten hereingeführt.
Vor dem Gerichtsgebäude tobt die Menge, sie will den Angeklagten auf dem elektrischen Stuhl sehen. Seit Monaten sind die Medien voll von dem Geschehen, des Vorfalls, weshalb der Angeklagte heute vor Gericht steht. Täglich hört man es nahezu zu jeder Stunde, die Menschen sind gefesselt von diesem Verbrechen.
In jeder Familie ist es seit Monaten Tagesgespräch, und alle fiebern auf diesen Prozesstag hin, so sehr bewegt sind die Menschen von der Tat, die ihresgleichen sucht. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt, kaum ein Geschehnis, produzierte jemals mehr Publikumsinteresse. Die Rufe von draußen schallen noch in das Gebäude, schier bis in den Saal 14 wo der heutige Prozesstag in wenigen Sekunden beginnen soll auch noch. Richter Goodman kann sich nicht erinnern, jemals derart viele Augen und Ohren auf sich gerichtet zu sehen.
Das Plädoyer des Staatsanwaltes wird also verlesen und es endet mit dem erwarteten Antrag des elektrischen Stuhls für den Angeklagten.
Der Verteidiger des Angeklagten, der bislang nicht ein Wort gesagt hat, meldet sich und möchte seine Verteidigungsrede beginnen.
Aber es kommt nicht dazu.
Der Richter erklärt, dass der Verteidiger gar nicht beginnen muss, er sieht und hört doch die Menge, er sieht die Medien seit Monaten, all das da draußen – "das können wir uns also wirklich sparen."
Er verurteilt also den Angeklagten, ohne ein Wort der Verteidigung auch nur angehört zu haben, zum Tod durch die Giftspritze!
Gibts nicht?
Doch!
All meine mediengläubigen Bekannten, die sich in einem anderen Zusammenhang ihr eigenes Urteil jeder für sich hätten bilden können, verhalten sich auf den Punkt 1:1 genauso!
Richtern auferlegt man, dass sie sich zwingend zwei Seiten eines Geschehnisses unvoreingenommen anhören müssen, bevor sie zu einem Urteil kommen.
Mediengläubigen Bürgern allerdings verbieten diese Medien, mit dem Verweis, dass sie allein die Wahrheit kennen selbst, sich außerhalb dieser Medien überhaupt zweite Sichtweisen auch nur anzuschauen.
Und die dem Nachrichtensprecher selbst ihre Kinder anvertrauenden Mediengläubigen, wiegen sich in einer traumwandlerischen Sicherheit -
" ... wenn ich eine Seite gehört habe, reicht das vollkommen, mir mein eigenes Urteil zu bilden - ich bin schließlich nicht blöd!..."
Ende
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"Mit leerem Kopf, nickt es sich leichter"
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"...nein, wer NICHT kämpfen will, der fällt genauso!"
(Zur Erklärung, man "fällt" im Krieg, ohne Krieg hieße es man stirbt!)