Es wird weiter auf der hedonistischen Welle gesurft!

Otto Lidenbrock, Nordseeküste, Sonntag, 20.10.2024, 09:35 (vor 23 Tagen) @ Plancius2708 Views

Hallo Plancius,

vielen Dank für Deine Einschätzung, der ich mich anschließen möchte, wobei Deine Zahlen vielleicht etwas zu hoch gegriffen sind, wie @DT weiter unten ebenfalls anmerkt.

Das wir hier in Deutschland seit einigen Jahren auf einer hedonistischen Welle surfen, dürfte wohl den meisten bereits aufgefallen sein. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen solchen Konsumrausch beobachtet zu haben. Neben den immer wieder hervor gehobenen Immobilien möchte ich nur an die auch von Dir beschriebenen Wohnmobile (ein Boom in der Corona-Zeit, jetzt stehen die Höfe der Händler voll mit unverkauften Kastenwagen u. Teilintegrierten) und an die E-Bikes erinnern, die vor ein paar Jahren der absolute Renner waren (vor allem in der gehobenen bis höchsten Preisliga 5.000€ plus). Heute stehen viele Fahrradhändler vor der Pleite, weil der Boom endgültig vorbei ist.

Urlaubsreisen, gerne mit exotischen Zielen, sind dagegen nach wie vor voll im Trend. Auch Kreuzfahrten werden sehr gerne gemacht, vor allem von den älteren Semestern, die nicht mehr so gerne Auto fahren oder fliegen. Was früher die Krönung eines luxuriösen Lebensstils superreicher Müßiggänger war, kann heute problemlos von der Bürokauffrau oder dem Elektrikergesellen bezahlt werden.

Auch wenn ich mit meinen Beschreibungen den einen oder anderen vielleicht etwas langweile, möchte ich noch kurz beschreiben, was ich auf meiner kleinen Reise nach Unterfranken in den letzten Tagen gesehen habe.

Ich hatte eine Ferienwohnung gemietet. Der Vermieter war ein Mann aus der Sanitärbranche mit eigner Firma u. stattlichem Betriebsgelände nebst Fuhrpark. Seine Firma, auf deren Gelände sich auch die Wohnung befand, ist im ländlichen Raum ansässig.

Neben dem augenscheinlich deutlich älteren Hauptgebäude, dass er vermutlich von seinem Vater übernommen hat (ich kann mich auch irren, aber es wirkte so auf mich), standen mehrere neue Gebäude, die dem Augenschein nach nicht älter als wenige Jahre gewesen sein können, u.a. sein Wohnhaus, dass wohl gerade erst fertiggestellt war (der vom Gärtner angelegte Garten sah aus wie eben erst fertiggestellt). Daneben eine weitere große Betriebshalle sowie das Gebäude mit Ferienwohnung, ebenfalls höchstens zwei oder drei Jahre alt.

Die Ferienwohnung war wohl die mit weitem Abstand luxuriöseste, die ich in meinem Leben bewohnt habe! Und es ist jetzt nicht so, dass sie besonders teuer gewesen wäre, ganz im Gegenteil, sie war sehr preiswert, im unteren Bereich würde ich sagen.

Die Einrichtung war wie aus dem Möbelhaus, die Küche besser als meine zuhause u. das Bad opulent mit riesiger Regendusche u. japanischem WC mit Fernbedienung, bei dem der Klodeckel automatisch hochfuhr, wenn man daran vorbei ging (etliche Wasserprogramme für den Intimbereich gab es natürlich auch). Fenster mit elektrisch betriebenen Rolläden u. statt Lichtschaltern Touchflächen zur Bedienung von Beleuchtung u. Fußbodenheizung (Energie von einer Wärmepumpe, der Mann sitzt schließlich an der Quelle).

Der Vermieter war äußerst freundlich u. bot mir für ein paar Tage sein E-Mountainbike zur kostenlosen Nutzung an. Als der den Boliden aus dem Keller holte, staunte ich nicht schlecht: Es handelte sich um ein Modell, für das neu knapp 10.000€ aufgerufen werden.

Für seine private Pkw-Nutzung standen drei ebenfalls sehr neue Fahrzeuge von Mercedes u. Volvo bereit, ein Kastenwagen, ein großer Pluy-In-Hybrid SUV sowie ein etwas kleineres E-Auto, dass er laut eigener Auskunft über seine eigene Solaranlage auflädt.

Der Ort, in dem ich wohnte, war ein Dorf mit vielleicht 400 Einwohner mitten in Unterfranken, relativ weit von den nächsten größeren Städten entfernt. Aber auch hier zeigten sich wieder die so oft erwähnten Neubaugebiete mit Häusern, von denen meine Eltern nur hätten träumen können: groß, luxuriös u. wie aus dem Prospekt. Und davon nicht zwei oder drei, sondern Dutzende! Alle in den vergangen Jahren erbaut.

Nein, lieber Plancius, ich bin wirklich ganz bei Dir: der Speck, der Deutschland einhüllt, ist nach wie vor richtig dick; von dem werden viele Deutsche noch lange Zeit zehren können, auch wenn die Belastungen größer werden. Auch wenn vieles vermutlich auf Kredit finanziert wurde, kann ich mir nicht vorstellen, dass dieses System aus schuldenfinanziertem Luxus so schnell in sich zusammenbricht. Die USA machen das doch schon seit vielen Jahren vor, selbst die Lehman-Pleite haben die Amis problemlos weggesteckt, warum sollte es bei uns anders laufen?

Liebe Grüße von der Nordseeküste,
Otto

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"Eine Gesellschaft befindet sich im vorübergehenden oder finalen Verfall, wenn der gewöhnliche, gesunde Menschenverstand ungewöhnlich wird."

William Keith Chesterton


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