Warum es so ist, wie es ist. Einige Gedanken hierzu.

Plancius, Samstag, 19.10.2024, 19:27 (vor 3 Tagen)3971 Views
bearbeitet von Plancius, Samstag, 19.10.2024, 19:32

Michael Mross geht in seinem neuesten Video gerade der Frage nach, wann Deutschland endgültig kaputt ist. Er gibt dem Land noch 10 Jahre. Darüber lässt sich nun kräftig spekulieren.

https://www.youtube.com/watch?v=uEuVCL_sUMY

Ich möchte im folgenden aber der Frage nachgehen, warum es eigentlich so ist, wie es ist und die tiefgreifende Krise, in der sich unser Land befindet, bei einem großen Teil der Leute im Bewusstsein noch gar nicht angekommen ist. Viele Ausführungen hierzu sind schon von @OttoLidenbrok geschrieben worden, der ja selbst in einer nicht gerade vom Wohlstand verwöhnten Gegend in Norddeutschland bei Bremerhaven wohnt. Und gerade aus dieser Gegend vernimmt man viele Stimmen, dass trotz Krise in Schiffbau, Hafen und anderer Strukturschwächen die Leute Villen bauen, eine prächtiger als die andere und der wahrgenommene private Wohlstand trotz aller Unkenrufe auch dort in den letzten Jahren spürbar zugenommen hat.

Ich möchte meine Gedanken an verschiedene Orte zu verschiedenen Zeiten legen.

DDR 70er und 80er Jahre

Ein großer Teil der DDR-Bürger hatte Westverwandte. Diese kamen in die DDR zu Besuch, die DDR-Rentner fuhren zumeist einmal im Jahr in den Westen, ab 1986 durften auch DDR-Bürger unterhalb des Rentenalters ihre Verwandten im Westen besuchen.

Kein DDR-Bürger hat jemals davon gesprochen, dass es einem Westverwandten schlecht ging. So gut wie alle Westverwandten haben sich von den 60ern bis hinein in die 80er Jahre eine gut abgesicherte Existenz mit einem jährlich erklecklichen Zuwachs an privatem Vermögen aufgebaut.

Ich erinnere mich noch an die Ansichtskarten der Westverwandten in meiner Kindheit. In den 70er Jahren kamen die Urlaubsgrüße aus Ricchione oder Bibione in Italien, wohin man mit dem Opel Rekord über den neuen Brennerpass gefahren ist.

Ab Ende der 70er Jahre flog die Westverwandtschaft mit dem Flugzeug in den Urlaub. Die Ansichtskarten kamen aus Mallorca, Teneriffa oder der Costa del Sol in Spanien.

In den 80er Jahren ging es dann noch weiter weg. Fernreisen standen auf dem Programm. Ich erinnere mich noch an die Briefmarken aus den USA, die mir mein Onkel mitgebracht hat. Viele Briefmarken trugen die Inschrift „America – The land of the free and the home of the braves.” Die USA waren sowieso das Land meiner Träume. “Miami Vice”, „Magnum“ oder „Ein Colt für alle Fälle“ waren ständige Begleiter meiner Jugend. Die USA waren das Land meiner Sehnsüchte. Die Fernreisen meiner Westverwandten zeichnete ich immer in meinem Haack-Weltatlas nach und träumte dabei von den fernen Ländern.

Neben ihren Urlausreisen besaßen die Westverwandten in den 70ern dann alle ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung, die dann Ende der 70er Jahre abgezahlt war. In den 80er Jahren kaufte man sich dann eine weitere Immobilie oder erwarb ein Ferienhaus an der Nordsee, in der Provence oder an der spanischen Küste.

Außerdem baute man sich ein Polster an Geldvermögen in Form einer Kapitallebensversicherung oder Bundesschatzbriefen auf. Einige investierten auch am Aktienmarkt oder kauften sich Goldbarren bzw. Krügerrand und lagerten diese im Safe im Keller ein. Mein Onkel war ein begeisterter Kuponschneider und erzählte immer von seinen Tafelgeschäften in seiner Bank. Seine Beschreibungen über die Bankbeamten in ihren Sakkos mit Ärmelschoner sind mir noch in Erinnerung.

Rheinland 2023 – 60.Geburtstag

Ich habe ja nun lange Jahre nach der Wende im Rheinland im Großraum Köln gewohnt und war im letzten Jahr bei einem Freund zum 60.Geburtstag eingeladen. Die Geburtstagsgäste standen zumeist kurz vor der Rente oder sind gerade in den Ruhestand gegangen.

Alle hatten große Zukunftspläne und blickten mit Optimismus in die Zeit ihres Ruhestands. Jetzt können sie sich endlich ihre Träume verwirklichen.

Ganz oben auf der Wunschliste standen Reisen aller Art und in alle Herren Länder. Einige möchten hierzu ihr Haus verkaufen und dafür in eine Eigentumswohnung ziehen. Schließlich hat man gar keine Zeit mehr für Rasen mähen, Blumen gießen oder Hecke schneiden.

Einige wenige möchten ihre Zelte in Deutschland ganz abbrechen und in den warmen Süden nach Spanien oder Griechenland ziehen. Die Flieger fliegen häufig, die Flüge sind billig und da kann man Kinder und Enkel mal schnell in der alten Heimat besuchen und jene haben auch eine Anlaufstelle, wo sie ihren Urlaub im Süden verbringen können.

Ganz hoch im Kurs stand ebenfalls der Erwerb eines Wohnmobils. Ein jeder erzählte von seinem Traummobil, das er auf der „Caravan“ in Düsseldorf entdeckt hat.

Niemand von den Geburtstagsgästen geht es materiell beim Eintritt in den Ruhestand schlechter. Vielmehr erhöht sich ihr monatliches Einkommen sogar. Durch meinen langjährigen Wohnsitz im Kölner Speckgürtel weiß ich, wieviel ein durchschnittliches Rentnerehepaar dort pro Monat erhält. Häufig sind es 7.000 Euro (das war 2017, jetzt sind es wohl noch mehr), die sich aus 2.000 Euro Rente + 3.000 Euro Betriebsrente für den Ehemann und nochmal 2.000 Euro für die Frau, die häufig Teilzeit gearbeitet hat, zusammensetzt. Erträge aus Vermietungen, Dividenden, Zinsen und einmalige Ausschüttungen von Lebensversicherungen mit mehreren Hunderttausend Euro kommen noch hinzu.

Das waren natürlich alles keine Leute, die bei Malermeister Willy gearbeitet haben, sondern sie waren Malocher oder Angestellte in den Großkonzernen rund um Köln. Und da arbeiten Zehntausende Beschäftigte. Sei es bei Bayer, Ford, Shell-Raffinerie, Lyonell Basell, Deutz Motoren, DEVK, DKV oder Nordstern-Versicherung, bei den verschiedensten Gerichten oder im Regierungspräsidium usw. usf. Die Beschäftigten in diesen Großbetrieben sind hervorragend abgesichert und erhalten fürstliche Betriebsrenten oder Pensionen.

Italien 2024 – Diverse Campingplätze

Mir ist als Camper dieses Jahr aufgefallen, wie luxuriös mittlerweile die Camper und Wohnmobile geworden sind.

Die jüngere Generation kommt mit Papas Wohnmobil oder dem eigenen nagelneuen VW-Bus „California“ oder Mercedes „Marco Polo“, die schon mal an die 100.000 Euro kosten.

Auf ca. 20% schätze ich mittlerweile die Anzahl der Wohnmobile, die sich jenseits der 200.000 Euro Preisklasse befinden.

Also von Krise, Armut, Verelendung ist weit und breit nichts zu sehen.

Auf was ich mit meinen Schilderungen hinaus will. Ich schätze, dass es in Westdeutschland eine Schicht von ca. 40% der Bevölkerung gibt, die ein richtig fettes Einkommen/Vermögen haben. In Ostdeutschland sind mittlerweile vielleicht auch 5% Aufsteiger nach der Wende dabei. Auf die 40% komme ich, weil praktisch die Ossies nur Westverwandtschaft kennen, die bis in die 80er Jahre hinein einen beträchtlichen Wohlstand aufgebaut haben.

Und für diese 40% ist die Welt völlig in Ordnung. Sie sind materieller Sorgen befreit und können auf ein richtig fettes Polster an Vermögen zugreifen, um auch die nächsten Jahre materiell gut abgesichert durchs Leben zu taumeln.

Klar nagt der Staat auch an dieser gut abgesicherten, bürgerlichen Schicht. Quellensteuer, Sanierungszwang bei Immobilien, höhere Beiträge zur Sozialversicherung, ständig steigende Steuern, Grundsteuerreform.

Die Substanz bröckelt auch dort, die Renditen sinken. Aber viele sehen diesen Substanzverlust auch als eigenen Beitrag zum Klimaschutz, der natürlich auch an ihnen nicht ohne Verluste vorbei geht. Aber solange das Polster noch dick und fett ist und in seiner Grundsubstanz nicht angetastet wird, ist man mit sich und der Welt im Reinen.

Genau diese Schichte wird auch immer und immer wieder CDU, SPD und sonst welche Altparteien wählen. Sie beten jeden Tag, dass es so bleibt und sich grundlegend nichts ändert. Vielmehr wird Frau Merkel in deren Augen wie eine Heilige verehrt, die Deutschland durch die Gefahren der Finanzkrise, Euro-Rettungsschirme, Griechenlandkrise ungeschadet hindurch manövriert hat. Die Grenzöffnung 2015 verzeiht man ihr, schließlich müsse Deutschland international ein großes Herz, schon wegen unserer grausigen Geschichte, zeigen.

Klar, auch aus dieser Schicht verirren sich einige Klardenker ins alternative Milieu, die sehen, dass die Aufbauleistung ihrer Vorfahren und ihr eigener Wohlstand in Gefahr sind, wenn unser Land mit der aktuellen politischen Richtung gegen die Wand fährt.

Meine Ansicht – solange es keinen richtigen, wuchtigen Crash gibt, sondern einen Tod auf Raten, wie jetzt aktuell, wird sich nichts ändern.

Die AfD-Kollegen träumen schon von einem AfD-Kanzler in 2029. Ich glaube, solange wird unser Land nicht überleben. Ein Kurswechsel in 2029 ist nicht mehr möglich. Denn dann ist die Messe bereits gelesen.

Gruß Plancius

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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER


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