Ja, natürlich!!

Weiner, Dienstag, 16.07.2024, 22:46 (vor 93 Tagen) @ eesti1225 Views

Hallo eesti -

Deine ausführliche Antwort, für die ich danke, zwingt mich zu einer Antwort, auch wenn ich Dir widersprechen muss.

Aber der Normalfall war meist die Machtergreifung eines Einzelnen ueber eine Gruppe per Gewalt.

Gerade das - der Einzelne, der mit dem kleinen Finger seiner linken Hand zehn Millionen Menschen gleichzeitig niederzwingt - das bezweifle ich sehr! Vergleiche hierzu bitte meinen parallelen Beitrag.

Und dieser Normalfall, die Wahl von Unterwerfung oder Tod, kann man natuerlich als freiwilligen Zusammenschluß interpretieren, denn natuerlich muß der Unterwuerfige nicht die Unterwerfung wählen.

Genauso ist es. Er kann sich töten lassen. Und wenn alle Unterdrückten gleichzeitig sich töten lassen, dann ist der einzigartig mächtige Einzelherrscher alleine auf der Welt - und es gibt dann auch keinen Staat.

Aber ist diese Auslegung von Dir nicht etwas makaber?

Es ist die Realität.

Der Staat muß nicht formal und juristisch durchorganisiert sein, es reicht, wenn ein Despot die Macht an sich reißt, usurpiert.
Nehmen wir den jetzigen Fall Ukraine.

Dieser Punkt ist wichtig, vielen Dank, und sollte deshalb klargestellt werden. Man muss unterscheiden können zwischen der formalen staatsrechtlich-gesetzlichen Struktur eines Staates und der realen Organisation der Macht.

Für "die Macht" ist das Papier einer Verfassung nur eines ihrer vielen Instrumente der Machtausübung. Die Macht selbst scheixxt auf die Verfassung, dennoch ist die Verfassung für alle, auch für die Macht selbst, eine Plattform der politischen Argumentation. Die Macht wedelt das Papier der Verfassung vor dem Kopf der Unterdrückten hin und her und sagt dabei: Guckst Du, hier ist es geschrieben, und Du hast zugestimmt. Wenn die Macht derart mit dem Papier wedelt, dann muss sie nicht gleich zustechen. Es ist der Versuch, Zustimmung zu erlangen, ohne dass gleich Blut fließt. Das ist bequemer für die Macht.

Die EU und Deutschland als Kern werden derzeit von der relativ deutlichen Demokratie schrittweise in eine Diktatur gelenkt.

Wir sind bereits mitten drin.

Stell Dir bitte vor, dass morgen 300.000 Menschen sich in Berlin im Regierungsviertel versammeln, um Nancy Faser aufzufordern, die Schließung von CAMPACT zurückzunehmen, wobei die Sprecher dieser Demo ein Papier übergeben würden, das sehr detailliert die juristischen Bedenken gegen ein derartiges Verbot darlegen würde. Stell Dir vor, dass gleichzeitig jeweils 100.000 Menschen sich vor den Regierungssitzen der Länder sowie vor den obersten Verwaltungsgerichten und vor dem Bundesverfassungsgericht einfinden würden - und klarstellen würden, dass sie nicht weggehen, bevor die Sache nicht erledigt ist.

Was würde passieren? Ich wette, dass das Verbot umgehend zurückgenommen würde.

Nancy Faser weiß, dass das nicht geschehen wird, und deswegen riskiert sie das Verbot, obwohl sie gleichzeitig weiß, dass ihre Entscheidung grenzwertig ist. Sie nutzt diesen Interpretationsspielraum, weil niemand ihn ernsthaft einschränkt.

Es gab viele Momente in der Geschichte, wo das Volk sich aufgerafft hat -seien es die Weiber von Paris, die den König in seinem Palast abholten, seien es Tausende DDR-Bürger, die die Mauer stürmten. Sich nicht aufraffen, heißt sich unterwerfen.

Der ewige Vorteil des Staates, abgesehen von dem genannten Entscheidungszentrum, ist seine Organisation (die die in diesem Sinne die 'eigentliche' Verfassung ist). Und wenn Du zwischen den Zeilen lesen kannst, dann geht es der Faser überhaupt nicht um ein paar Campact-Artikel mit Haßrede, sondern sie hat die Angst, dass irgendwelche Leute mit Hilfe der Kommunikationsstrukturen von CAMPACT eine Organisation aufbauen könnten. Deswegen auch die scharfe Reaktion und die lange Untersuchungshaft etwa gegen Ballhaus. Der Staat hat keine Angst vor freier Rede, er hat Angst vor einer Konkurrenzorganisation.

Grüsse, W.


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