Michael Ende zum Thema Prophezeiungen

Manuel H., Freitag, 25.03.2022, 09:43 (vor 1009 Tagen) @ Taurec3085 Views

Michael Ende hat, wie er in japanischen Fernseh-Interviews bekannte, seinen Roman MOMO als Botschaft gesehen.
In diesem Roman mit den Zeitdieben habe er das herrschende Geldsystem erklärt.

In einem anderen Zusammenhang schrieb er dies zum Thema "Prophezeiung"

Hier also ein Bericht, wie es Erscheinungen auch ergehen kann:

Über die weite graue Fläche des Himmels glitt ein Schlittschuhläufer dahin, kopfunter, mit wehendem Wollschal. Er konnte das, denn der Himmel war zugefroren.

Mit tropfenden Nasen und offenen Mündern sah die Menschenmenge von der Erde aus zu, zeigte nach ihm hinauf und applaudierte bisweilen, wenn ihm ein besonders schwieriger (natürlich umgekehrter) Sprung gelungen war.

Er lief in weiten Bögen und Schleifen, immer wieder die gleichen Figuren, bis sich die Spur seines Laufs in den Himmel gekratzt hatte.

Jetzt zeigte sich, daß es Buchstaben waren, eine dringende Botschaft vielleicht. Dann glitt er davon und verschwand fern hinter dem Horizont.

Die Menschenmenge starrte zum Himmel hinauf, aber keiner kannte das Alphabet, keiner konnte die Schrift entziffern. Langsam verschwand die Spur, und der Himmel war wieder nur eine weite graue Fläche.

Die Leute gingen nach Hause und hatten bald den ganzen Vorfall vergessen.

Jeder hatte schließlich seine eigenen Sorgen, und außerdem: Wer weiß, ob die Botschaft wirklich so wichtig war.


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