Schwere Kost, das mit der Sprache

b.o.bachter, Donnerstag, 01.03.2018, 17:51 (vor 2458 Tagen) @ Ostfriese6109 Views

Guten Tag Ostfriese,

Deine Beiträge lese ich immer mit Interesse und - meinem schlichten Verstand geschuldet – manchmal mit Verständnisschwierigkeiten. Wenn ich nun versuche Deine Analyse in meinen Worten kurz zu fassen, dann lautet das Ergebnis:

Die grassierende Orientierungslosigkeit ist dem Schwund letztgültiger Gewissheiten geschuldet.

Dem stimme ich beinahe vorbehaltlos zu - sofern es denn überhaupt Deine Überlegungen widerspiegelt. Nur würde ich statt letztgültiger Gewissheiten von scheinbaren Glaubensgewissheiten sprechen.
Allerdings komme ich bei der Begründung nicht mit. Diese liegt „irgendwie“ in/an der (Anwendung?) der Sprache, die aber jetzt nicht mehr die Realität abbilden kann, sondern diese nunmehr vorgibt, was früher demnach anders war. (Ich schreibe „irgendwie“ weil ich Deinen Gedanken nicht genauer zu fassen bekomme.)

Er stellt fest, dass nach dem Ende der vergangenen Erzählungen der Mythen, Fabeln und Legenden, die aus sich selbst heraus Gültigkeit gewinnen, in der Gegenwart staatliche Institutionen, gesellschaftliche Klassen, ökonomische, politische und wissenschaftliche Eliten und Parteien ihre Anziehungskraft verloren haben...

Ja, offensichtlich sind die diversen Kaiser sehr spärlich bekleidet und diese Erkenntnis dämmert an immer breiterer Front herauf, keine Frage. Insbesondere kann leider die Wissenschaft die Lücke, die die verbannten Mythen hinterlassen haben, nicht ausfüllen.

Die Zentralmacht ist eine Struktur, in der alle Glieder des Systems zentral institutionalisiert und organisiert sind...

Wo ist der Unterschied der Zentralmacht zu einem Mythos, nach dem sich auch bei den Gläubigen alles (aus)richtet?

Der zentrale Inhalt des Forums – der Debitismus mit der Machttheorie – ist als ökonomischer, gesellschaftlicher und historischer Deutungsversuch eine Metaerzählung, die sich aber nicht selbst legitimieren kann...

Wieso kann sich ein Mythos selbst legetimieren, der Debitismus hingegen nicht?

Ein alles umfassender Diskurs im Sinne einer Großtheorie oder Letztbegründung ist ebenso unmöglich wie ein allgemeiner und universaler Konsens. Die letztendlichen Gewissheiten sind uns alle abhandengekommen.

Wie gesagt, das sehe ich auch so. Allerdings meine ich, diese Gewissheiten hat es nie gegeben. Es war immer nur der Glaube an Mythen, Legenden usw., die aber immerhin einen Erklärungsversuch für das geboten haben, was unseren Sinnen nicht zugänglich ist, für uns nicht begreifbar ist.

Mit anderen Worten, die offensichtliche Orientierungslosigkeit/Desorientierung halte ich für die Kehrseite des Galileischen Verzichts. Das da irgendwie und irgendwo außerhalb von Messung und Experiment noch mehr sein muss, ahnt wohl jeder. Dieses Mehr hat nun keinen Ort und keine Erklärung mehr und sei es auch nur in Form eines Glauben an „etwas“, das eine übergeordnete Klammer bildet, die die wissenschaftlichen Fragmente „irgendwie“ zusammen hält und eine Richtung weist.

  • Eintrag gesperrt

gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung