Re: Interessanter Beitrag
Hallo nereus,
Dein Beitrag ist (wie fast immer) eine sehr interessante Erweiterung des vorangegangenen (in diesem Fall: meines) Beitrags.
Darum möchte ich gerne eine Antwort versuchen.
>>Du schreibst: Die Ersetzung von eigenem, menschlichem Einsatz durch physikalisch erzeugter Kraft, egal ob Dampf, Wasser, Elektrizitität, ... hat dem Mensch einen kurzen Vorteil gebracht, der aber schneller als ihm lieb ist zu Ende geht.
Das klingt ziemlich ernüchternd, um nicht zu sagen: depressiv.
Ist das eine reale Beobachtung von Dir oder ist es eine Spiegelung der medialen Wirklichkeit?
Ich erinnere mich an die verseuchten Flüsse und Smog-Alarme noch vor der Wende.
Trotz Borkenkäfer und Brandrodungen habe ich nicht den Eindruck, daß die Welt am Ende ist und der Mensch den Planeten nach Belieben vergewaltigt. Und Afrika scheint sogar grüner zu werden.
Da draußen sah es schon einmal schlimmer aus, doch zugegeben – das ist nur meine beobachtete Welt.<<
Ich habe mich wahrscheinlich nicht genau genug erklärt bzw. hast Du meine Grundparameter Linkola und Kaczynski nicht genügend zur Kenntnis genommen. Daß sich daraus eine gewisse Ernüchterung, ja Desillusionierung ableiten läßt - geschenkt. Aber zu Deinen Punkten:
- natürlich ist die Welt nicht am Ende, in Deutschland, bzw. generell im Westen hat sich in Bezug auf Umweltschutz und bessere Standards der Schädigungsbegrenzung, der Giftaussetzung 'offiziell' viel getan. Was ja auch relativ einfach war, da durch Globalisierung die Vergiftung einfach nach 'Woanders' delegiert worden ist ...
- Borkenkäfer ist ein Problem der falsch verstandenen Bewirtschaftung eines Nutzwaldes, Brandrodung ein Problem der falsch definierten Nutzung einer Landschaftsfläche - beides ist politisch motiviert und menschlich korrumpiert. Der Mensch vergewaltigt alles und jeden, der Welt ist das wurscht, sie ist auch so, wie sie ist, als totale Wüste eine Welt ...
- wenn Afrika grüner wird, ist die Sahara aber immer noch ganz schön weit weg von den Zeiten, da die Sahara mal Kornkammer des Römischen Reiches war (ja, auch das gehört gesagt zum Thema 'Klimawandel')...
- was Du anführst, ist was ich kritisieren will: unsere Sicht auf die 'Welt' ist ausschließlich 'menschlich', ist ausschließlich an unseren Bedürfnissen und Wünschen und Verlangen ausgerichtet. Die mittlerweile aber alle materieller Natur sind - und da kommt die Kritik der 'Aufklärung', der Fortschrittsgläubigkeit im Namen der Wissenschaft, der Technisierung ins Spiel. Natürlich streite ich nicht ab, daß das (unser west-menschliches) Leben durch die Elektrifizierung, Petrolisierung, Pharmazifierung, etc. 'einfacher' geworden ist. Aber es wird nirgends gefragt, was dadurch verloren gegangen ist. Und es wird auch übergangen, welcher Preis an Verlust an 'Natur' dafür zu bezahlen ist - wieviele Hektar natürlichen Bodens verschwinden nochmal täglich alleine in Deutschland unter einer Asphaltdecke?
- wie Du, traue auch ich dem Mensch zu, daß er für fortschreitende Probleme weiterreichende Problemlösungen entwickeln wird. (Mein Werbespruch ist übrigens: 'Meine Lösung - Ihr Problem'). Die Frage ist für mich jedoch, zu welchem Zweck: 10 Mrd. smartphone-hybrid-humans mit eingebauter 'Soma-Schublade'á la Huxley (oder auch Harari et.al.) oder lieber weniger materiell, dafür existenzieller mit mehr Eigenverantwortung (dafür auch mit mehr eigenem Risiko)?
- Linkola (und auch Kaczynski) sind Technikfeinde, aus Gründen. Es ist eine reale Beobachtung und eine mediale Spiegelung der Wirklichkeit, ja, aber aufgrund von tiefen Gedanken über die Auswirkungen einer rein materialistischen und fortschrittsgläubigen Weltsicht. Das m.E. weitreichenste Problem des Menschen, die im Vergleich zu anderen Spezies überproportionale Vermehrung, wird kaum thematisiert. Und wenn, dann in elitärem Sinn, nämlich 'weg mit unten, Platz für Oberschicht'.
>>Richtig spannend wird es aber hier: Auch stellt sich hier die Frage (für mich als Agnostiker), ob es dem Mensch gut geraten war, sich vom (egal welchem) Glauben abzuwenden und ein ausschließlich materialistisch geprägtes Weltbild namens 'Aufklärung' in allen Bereichen zu favorisieren.
Wenn es dem Menschen nicht dienlich war, sich vom Glauben an einen Weltgeist abzuwenden, wäre das dann nicht ein versteckter bzw. indirekter Hinweis auf dessen Existenz?>>
Oh ja, da hast Du durchaus einen Punkt (ist ja auch meiner, sonst hätt ich's so nicht formuliert).
Es gibt viele Hinweise auf eine wirkende Ordnung im Hintergrund, selbst naturwissenschaftlich läßt sich hier viel aussagen. Aber es bleibt dabei: es ist Glaube (den ich nicht ausschließen will). Tatsächlich läßt sich aber, gestützt durch empirische Feldstudien, relativ leicht belegen, daß Menschsein in einfacher, nicht-technisierter Gemeinschaft, mehr 'Glücksgefühl' trotz größerer Ausgeliefertheit an Hunger, Krankheit, Tod, etc. erzeugt. Das ist doch einfach bedenkenswert ...
>>Ganz nebenbei gefragt: Warum muß eigentlich alles im Leben erklärbar sein?
Sind es nicht die kleinen Unbekannten, die das Leben lebenswert machen?
Die Freude auf das Neue, das Werden, die Hoffnung – alles das trägt das Unbekannte in sich.
Würde es uns nützen, wenn wir den genauen Tag kennen würden, an dem wir aus dieser Welt verabschieden?
Hat hier ein intelligenter Geist weitergedacht, als wir es uns eingestehen wollen?
Allein die Möglichkeit – das es so sein könnte – finde ich hilfreich.
Oder gibt es andere Gründe für diese Perspektivlosigkeit, die eher mit aktuellen politischen Verhältnissen zu tun haben?<<
Ich muß mir nicht alles erklären können, mein Vortrag behandelt genau den Wegfall der Spiritualität und die Hinwendung zur Absolutsetzung der wissenschaftlichen Beweisbarkeit. Die wissenschaftliche Methode, die Vorgehensweise der Einkreisung einer Theorie mit der immer möglichen Falsifizierung, finde ich eine sehr bemerkenswerte Vorgehensweise, um sich bestimmter Beobachtungen zu versichern. Diese Methode ist aber nicht universell anwendbar, es gibt Bereiche, in denen sie einfach keinerlei Relevanz hat. Daher bin ich mit Deinen Ausführungen einverstanden, nur den Begriff 'Perspektivlosigkeit' möchte ich zurückweisen. Um mit Spengler zu antworten: 'Optimismus ist Feigheit.'
Zu Deinen Ausführungen zum drohenden (kommenden) ökonomischem Schmelzpunkt habe ich nichts hinzuzufügen - ich erhoffe Milde und weiß um die zu erwartende Härte.
Gruß
Bergamr
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Ehrlich schade für die Heimat! Endgültig verloren seit Sommer 2015 ...