Tesla Y-Modell: Was Fahrtester Zorro Euch nicht erzählt

paranoia, Die durchschnittlichste Stadt im Norden, Montag, 28.04.2025, 00:06 (vor 23 Tagen) @ Zorro1789 Views

Hallo zusammen,

Im Herbst 2023 hatte ich die Gelegenheit, ein Tesla Y-Modell 2700 km auf der Strecke Rheinland Cote d'Azur und zurück testen zu können.
Sein Besitzer, ein ehemaliger Mitstudent von mir, der so ein Zorro-typisches Dachkraftwerk auf seinem Haus installiert hat, wollte gerne noch mal an's Meer fahren. Aus hier nicht weiter zu erwähnenden Gründen habe ich so etwa 2/3 bis 3/4 der Strecke gefahren.

Bekanntermaßen handelt es sich seit 2023 um das meistverkaufte Auto der Welt. Die stärkeren Varianten haben alle knapp 80 kWh an Akku und liegen Neupreis zwischen 55 und 60.000,- €. Mit 2000L Kofferraumvolumen und üppiger Serienausstattung lässt sich gut leben.

Mitstudent B. hatte sich für den Standardakku entschieden. Im Gegensatz zu Zorros 80-kWh-"Performance"-Akku in LiMNC-Technik (Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt), die auch schon Boeings Dreamliner wegen Batteriebränden zu Boden brachte, ist der 60 kWh-Akku in LiFePo4-Technik gebaut. Das ist zwar auch ein Lithium-Akku, der aber nicht das Phänomen des "Thermal Runway" der selbstverstärkende Erwärmung bis zum Brand ab einer bestimmten Temperatur zeigt. Nachteil ist z.B. die geringere Energiedichte. Andererseits soll die LifePO4-Technik aber auch mehr Batteriezyklen ermöglichen.

Im Verbrauch liegt das Model Y Performance bei normaler Fahrweise im Drittelmix, Stadt/Land/AB bis Tempo 130 bei rund 19 kWh Strombedarf. Die Reichweite liegt somit immer über 350 km.

Der Energieverbrauch des Standardmodells lag bei der Urlaubsfahrt insgesamt bei 20,74 kWh/100 km.
Die Autobahnfahrt erfolgte überwiegend mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h (Tempolimit Frankreich). Der Wagen zeigt nach dem Volltanken eine märchenhafte Reichweite von 400 km beim 60 kWh-Akku an. Das entspricht einer Verbrauchsillusion von 15 kWh/100 km.
Sicherlich lässt sich der Verbrauch erreichen, wenn man über Landstraße fährt und so ein Geschwindigkeitsbegrenzungsschild an die Heckscheibe hängt wie die Trecker auf den Landstraßen.

Eines verheimlicht dieses tolle Auto erfolgreich:
Die vom Auto errechnete Restenergiemenge des Akkus! Stattdessen wird die zu erwartende Restfahrstrecke angezeigt. De facto hat das Y-Modell keine Tankanzeige herkömmlichen Stils wie jeder handelsübliche Verbrenner.

Die von mir errechneten 20,74 kWh entsprechen einer (Sommer!)-Reichweite von 289 km abzüglich x km Sicherheitsmarge für die Anfahrt zur nächsten Elektrotankstelle.

Das Auto liegt satt auf der Bahn, auch bei Tempo 220 fühlt man sich sicher.

"Satt auf der Bahn", heißt im Klartext, dass der Wagen knochenhart gefedert ist - ich mag's nicht.
Komofortables Langstreckenreisen geht anders. Wahrscheinlich muss der Wagen so hart sein, wegen den schwedischen Elchtestern...

B. hatte in Kenntnis meines Fahrstils ein Limit von 170 km/h programmiert. Das habe ich aber gar nicht erreicht:
Das von mir gefahrene Y-Modell aus dem Jahre 2023 verfügt über eine viel zu direkte Lenkung.
Schneller als 130 km/h will ich damit nicht fahren.
Für Ralf Schumacher's Kartbahn ist die Lenkung sicherlich angemessen.

Allerdings steigt hier der Verbrauch ins uferlose.

Raserstrecken oder notorische Schnellfahrer werden hier, völlig egal welches eAuto sie benutzen, locker Verbräuche von 40 kWh und mehr realisieren können, was die tatsächliche Reichweite auf weniger als 200km schrumpfen lässt. In der Praxis sind es dann eher sogar 150 km, da man selten mit SoC 100% starten kann und ein völliges Leerfahren der Batterie nicht empfohlen wird.

Schnellfahren mit dem Tesla auf der Langstrecke lohnt sich nicht. Wenn man schneller fährt, muss man häufiger zur Tankstelle. Es gibt Untersuchung im Netz, bei welchem Tempo man am schnellsten insgesamt vorankommt.

Auf der Autobahn erkennt man die langstreckenfahrenden Teslas immer daran, dass sie in der Saugschleppe eines LKW-Sattelzugs daherschleichen.

Als Tesla Fahrer genießt man das Privileg eines sehr gut ausgebauten Supercharger-Netzes, was im Regelfall Preise zwischen 38 und 52 Cent/kWh aufruft. Sollte man auf Fernstrecke dieses Nutzen müssen, wird man auf der Reiseroute fast schon im Übermaß informiert, wo man überall nachladen kann.

Theoretisch ist das so. In der Praxis fuhren wir ohne "Besetzt!"-Hinweis eine Superladertankstelle in Aix-en-Provence an, wo - entgegen aller bisherigen Erfahrungen - alle Zapfsäulen in Betrieb waren und eine Riesenschlange vorhanden war. Gottseidank hatte wir noch genügend Energie um einen weiter entfernten Lader anzusteuern.

Der südfranzösische E-Tankstellenanbieter "Eborn" schaffte es, für einen Tankvorgang, der anfänglich mehrfach scheiterte, dreimal den Zahlbetrag abzubuchen.
An einem anderen Standort war die Zapfsäule trotz Rücksprache des französischsprachigen Testers mit der Servicerufnummer nicht zur Abgabe von Energie zu bewegen und so mussten wir am Tag vor der Abfahrt noch mal eben zum 50 km entfernten Supercharger und zurück zum Volltanken fahren.
Man kann sich eben nur auf die Tesla-Infrastruktur verlassen.

Mein Fazit:
Wer Dauerraser ist mit hohem Autobahnanteil, hat häufige Ladestops an der Backe, was nerven kann. Auch ist die Kosteneinsparung im Vergleich zum Verbrenner dann überschaubar. (Schnellladesäule)

Eine Langstreckenreise mit dem Tesla dreht sich hauptsächlich darum, wie weit der nächste "Supercharger" entfernt ist. Kann man es mit Geschwindigkeitsreduzierung eventuell noch zum übernächsten Superlader schaffen?
Aus der früher eintägigen Fahrt an die Küste macht das Y-Modell zwei Tage mit Übernachtung - und futsch ist die Elektrorendite... [[top]]

Wer sich beim Ansteuern des Superladers wie ich im Kreisverkehr verfährt und falsch abfährt, riskiert, mit leerem Akku liegenzubleiben.

Das einzig Schöne bei der Kiste ist die LED-Beleuchtung, die mir als Kurzsichtigem viel längere Fahrten bei Dunkelheit ermöglicht ohne zu ermüden.

Leider fand sich in der etwa 500? Seiten fassenden Bedienungsanleitung kein Hinweis darauf, wie man den Gesamtkilometerstand auf das Display einblendet. B. fand diese Möglichkeit 3 Monate später und war ganz begeistert!

Die harte Federung des rollenden Feuerballs lässt den Finger auf dem Riesendisplay zwischen Fahrer und Beifahrer immer wieder verrutschen und so entdeckt man immer neue Funktionen...

Das Y-Modell ist bedienknopfreduziert und man muss relevante Einstellungen am Display vornehmen.
Ich sehe das als einen Nachteil an.

Der Wagen hat übrigens auch noch eine 12 Volt-Batterie. Ist die leer, startet er auch trotz vollem Hauptakku nicht mehr.

Langstreckenfahrern ist die Mitnahme eines Liegestuhls anzuraten um die Tankpausen zu optimieren.

Gruß
paranoia

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Ich sage "Ja!" zu Alkohol und Hunden.


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