Trotz allem, quand même, unendlich besser als der übliche Amidreck
Realismus und Objektivität gibt's nicht. Doch, hier zwei Gegenbeispiele für eine nicht ganz unrealistische Darstellung, wie Männer ticken:
https://youtu.be/wWFIcsXhCPk?t=2468
Seien wir ehrlich, so ganz falsch ist es nicht, was die Kammerzofe zur orchestralen Leierkastenbegleitung sagt.
Despinas nächste Lektion:
https://youtu.be/wWFIcsXhCPk?t=5404
Auch an dieser Stelle nimmt die deutsche Übersetzung der italienischen Vorlage das Pikante.
*Sie muß die kleinen Tricks kennen, mit denen man Liebhaber ködert*, ist nicht völlig falsch, aber im Original steht *sie (eine 15jährige) muß wissen, wo der Teufel den Schwanz hat*.
In teutschen Landen wurde dieses sowohl vom Text als der Komposition her, wenn man alles zusammennimmt, an Shakespear'sche oder faustische Höhen heranreichende Stück, ab 1800, dem allmählichen Einsetzen der Romantik, als unerträglich misogyn disqualifiziert, wofür es weder textlich noch musikalisch den geringsten Anhaltspunkt gibt.
Das Stück ist realistisch und ehrlich. Es nimmt wenig Rücksicht auf gesellschaftsweit hochgehaltene religiöse Wahnvorstellungen; damit hat es sich. Niemand, keine Gruppe wird isoliert in die Pfanne gehauen. Alle bekommen ihr Fett weg.
Weshalb es dieses Gipfelwerk der abendländischen Kulturgeschichte so schwer gehabt hat, bevor sich der bajuwarische Hedonist Richard Strauss dafür einsetzte, liegt nur daran, daß sich da Ponte und Mozart erlaubt haben, gegen die spießbürgerliche deutsche Religion der Mösenkultur zu ketzern.
Nur das hat ausgereicht, den bierbesoffenen, mösenschweiß- und mutterkultbenebelten teutschen Blödhammeln derart den Verstand zu zersetzen, daß sie nicht mehr wahrgenommen haben, wie viel vom Geist eines Molière und Choderlos de Laclos dieses Libretto aufgesogen hat.
Die beiden oben verlinkten Arien Despinas wären auch ein Beispiel für Mozarts in Töne gesetzte Soziologie.
Die Kammerzofe äußert sich in einfachen musikalischen Formen, drehorgelhaftem Dreiertakt und Volkston, wogegen die komplizierten und mit größter Raffinesse orchestrierten Nummern den Standespersonen vorbehalten sind, vor allem Fiordiligi, mit einem gewissen Abstand Dorabella.
Das feine soziale Gefüge dieser Oper wird durch die amerikanische Muster aufgreifende Regie brutal niedergewalzt, die sich an einigen Stellen das Gegenteil dessen inszeniert, was im Text steht.
Wenn Ferrando Fiordiligi auffordert, ihn zu töten, ist von einem *acciar* Schwert die Rede, nicht einem Taschenmesser. Desgleichen in der letzten Szene, aber vertauschten Rollen.
Sehe ich Despina, die laut Text cioccolata calda anrührt, mit einem Starbucks-Kaffeebecher auftreten, würde ich den Regisseur und Ausstatter am liebsten erwürgen.
Hat Starbuck für diese Form des Product Placements Geld bezahlt?
Wundern würde es mich nicht, so wenig mich wundert, daß nicht einmal die elementarsten Vorhaben respektiert werden.
Così fan tutte spielt in Neapel, einer der wichtigsten Städte des Espresso.
Wenn die englischen Tiere wenigstens eine italienische Espressomaschine mit Siebträger auf die Bühne gestellt hätte, wär die Käuflichkeit ein wenig originell gewesen, sie hätte etwas Pfiff und Charme gehabt, aber so war's einfach nur wieder die billige libertarianistische Hurenmentalität.
Obwohl mich an dieser Vorstellung einiges stört, habe ich nicht wenige Ausschnitte verlinkt. Letztendes kommt es ohnehin nur auf da Ponte und Mozart an, vor allem kann man man eine insgesamt hervorragende deutsche Übersetzung zuschalten, und daß der in Bremerhaven geborene, sehr hanseatische Hengelbrock auch eine italienische Ader hat, ist es wert, aufmerksam registriert zu werden.
Hengelbrock hat in Baden-Baden einen ausgezeichneten Rigoletto in historischer Aufführungspraxis gemacht und mit Cecilia Bartoli Bellinis Norma eingespielt.
So stelle ich mir echte Europäer vor. Italiener, die wie Abbado und Pappano eine deutsche Ader haben und Deutsche, Hengelbrock und Thielemann, mit einem Faible für Italienisches und Französisches.
Tempranillo
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*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).