Lesen und übersetzen genügt hier nicht, mitzudenken ist gefragt.
Hallo Falkenauge und Sensortimecom!
Formal gesehen hat Sensortimecom recht, und Luther absolut korrekt übersetzt. Von der Situation her ist dennoch der Deutung von Falkenauge zuzustimmen. Denn als Martha und Jesus vor dem Grab stehen, ist es noch nicht geöffnet. Die Aussage der Martha ist deswegen konjunktivisch zu verstehen: er stinkt wohl schon. Es entspracht der allgemeinen Erfahrung, bezogen auf die damalige Situation, dass Leichname am vierten Tage bereits einen unangenehmen Geruch verbreiten. Doch Martha selbst kann noch nichts gerochen haben, das Grab war ja verschlossen. Es sei denn, sie wäre voher schon einmal am Grab gewesen und hätte es geöffnet bzw. wenigstens intensiv beschnuppert. Das war aber damals nicht üblich, außerdem hatte die Familie (das wird auch im Text beschrieben) zahlreiche Kondolenzbesuche im Hause.
Ich biete zunächst den griechischen Orginaltext und parallel dazu die Übersetzung, jeweils Wort für Wort, passt 1:1. Ich war neugierig, ob die Forums-Software die griechischen Buchstaben akzeptieren würde: tut sie!
λέγει ὠἸησοῦς· ἄÏατε τὸν λίθον. λέγει αá½Ï„á¿· ἡ ἀδελφὴ τοῦ τετελευτηκότος ΜάÏθα· κύÏιε, ἤδη ὄζει, τεταÏταῖος Î³á½±Ï á¼ÏƒÏ„ιν
Sagt Jesus: hebt den Stein! Sagt zu ihm die Schwester des Verstorbenen, Martha: Herr, schon stinkt er, der vierte Tag nämlich ist es.
Vielleicht finde ich an Ostern Zeit, noch etwas mehr zum Thema Auferstehung zu schreiben.
Man kann niemals wörtlich 'richtig' übersetzen, sondern interpretiert immer. Gute Übersetzungen der Evangelien sind die von Walter Jens, von Eugen Drewermann, vor allem aber von Fridolin Stier (Tübinger Priester und danach Lehrstuhlstheologe, der eine Tocher hatte, diese aber durch einen Autounfall verlor: er hat auch eine gute Übertragung von AT-Texten, etwa dem Buch Hiob gemacht, vergleichbar den Übersetzungen von Martin Buber).
MfG, Weiner