Neue Zahlen für neue Zeiten
Hallo Paranoia,
Ich weiß nicht, wie groß das ausgewiesene US-Handelsbilanzdefizit wirklich ist. Ich gehe davon aus, dass es kleiner ist als ausgewiesen, kenne aber die Größenordnung nicht.
Das mag durchaus sein.
Wenn Century21 (gibt's die noch?) in Bangladesh ein T-Shirt für USD 0,50 einkauft und in seinen US-Filialen für USD 20,- verkauft, dann geht dieses billige T-Shirt nicht mit USD 0,50 sondern mit einem Betrag x, der viel größer ist als der Anschaffungspreis in Bangladesh ist, und gerade so teuer ist, das die US-Finanzbehörden nicht meckern.
Hintergrund ist, dass der Gewinn für diese Transaktion aus steuerlichen Gründen im Ausland anfallen sollen. In die Handelsbilanz geht aber der "Importwert" des T-Shirts ein, und der bläht das Handelsbilanzdefizit auf.
Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Nehmen wir anstatt eines T-Shirts ein Apple Telefon, dass bei Foxconn gefertigt wird. Foxconn verkauft es zu den Produktionskosten plus ihre Gewinnmarge an Apple.
Welches Apple? Apple China, Apple EU, Apple US?
Apple China kann man vmtl - ausser für Güter für den chinesischen Markt ausschliessen. China ist keine Steueroase, es gibt keinen Grund Apple China zur Gewinnverlagerung nach China zu nutzen.
Damit berechnet sich grosso modo ein realistischer Einkaufspreis an Apple US, Apple EU oder sonst eine Apple Gesellschaft (Apple Bermuda), was immer zur Steueroptimierung besser passt.
Entschiedend aber: der Wert in den Handelsbilanzen ab China ist einigermassen angemessen.
US-Firmen horten meines Wissens Milliarden im Ausland, die bei Repatriierung in die USA versteuert werden müssten.
Ich glaube Du spielst auf die berühmte Dutch Sandwich oder Double Irish Steueroptimierungskonstruktion an.
Ich weiss nicht, ob das heute noch aktuell ist. Die Handelszahlen Irlands weisen ein grosses Defizit mit den USA aus, Bermuda ist nicht (mehr) aufgeführt;
Der Volkswirt, der mir das erklärte sagte auch, dass die USA bei Zinszahlungen mit dem Ausland pro Jahr einen Nettoüberschuss erzielten.
Ja, aber der ist gering, ca 3 Mrd USD in 2024.
Alle Positionen der Leistungsbilanz für 2024 finden sich hier aufgeschlüsselt:
https://www.bea.gov/sites/default/files/2025-03/trans424.pdf
Wie könne das sein, wenn die USA doch an einem chronisches Leistungsbilanzdefizit (Handel- und Dienstleistungsbilanz negativ) litten?
Weil die USA auch viel Kapital (privat & staatlich) in den letzen 50 Jahren in die ganze Welt exportiert haben, und darauf Zinszahlungen erhalten - und selber ebenfalls viel Zinsen zahlen für die im Ausland gehaltenen US Bonds.
Wie auch immer, die USA haben ein BSP von fast 28 Billionen USD, ein Defizit von 1 Billionen (oder 600-800 Mrd) USD ist also irgendwo zwischen 2-3,5% des BSP. Angesichts der Tatsache, dass es die Weltleitwährung ist, welche von allen globalen Marktteilnehmern benötigt wird, ist das für sich allein betrachtet sicher nicht untragbar, 2-3% dürfte eine übliche Seignorage des Leitwährungsprivilegs sein.
Das Problem liegt m.E. eher in den Dynamiken:
-Das Handelsbilanzdefizit steigt rasant an (zuletzt im Jahresverlauf 100%)
-China versucht, sich von seinen extrem hohen USD-Beständen zu trennen - deren Disinvestment würde sich zu den jährlichen 1 Billion Defizit addieren. Wäre die Leistungsbilanz ausgeglichen, könnte China seine Dollarbestände (ca. 4 Billionen, glaube ich) veräussern, ohne den USD dabei in die Tiefe zu reissen.
-Die USA leiden aufgrund des Leitwährungsprivilegs an einer überbewerteten Währung, was ihre Fertigungswirtschaft unwirtschaftlich macht
- Die USA wollen sich für einen Krieg mit China rüsten, und benötigen dafür aber eine funktionierende Fertigungswirtschaft im Inland.
- Das US Budgetdefizit liegt bei 8-10% des BSP. Wenn man nun über Zölle (=versteckte Konsumsteuern) 2,5% und mittels DOGE 2,5% Einsparungen generieren kann, dann kommt man auf eine wesentlich nachhaltigere Grössenordnung)
Es wird nun extrem interessant zu sehen, wie die Handelspartner, insbesondere China, EU, Kanada, Mexico) mit dem deflationären Impuls umgehen, der auf sie zuschwappt.
Das ist ganz grosses Kino - und die einen oder anderen 100 Milliarden hier oder dort kann man als Grössenordnung vernachlässigen. Jetzt wird Politik in Billionen gemacht.
Gruss,
mp