Ein Präsident allein macht (noch) keinen Sommer

Miesepeter, Dienstag, 26.11.2024, 11:48 (vor 30 Tagen) @ helmut-1930 Views
bearbeitet von Miesepeter, Dienstag, 26.11.2024, 12:29

Hallo Helmut,

vielen Dank für Deine ausführliche Lagebeschreibung und -beurteilung aus RO, das ist für mich immer sehr interessant zu lesen.

Natürlich ist Georgescu immer noch der Favorit, zumal er auf einem anderen Niveau steht und auch parteiunabhängig ist. Als Gegenkandidat Ciolacu zu haben, das wäre für ihn ein leichtes Spiel gewesen, zumal sich der Sozialdemokrat zuviele Negativpunkte geleistet hat.

Das sehe ich im übrigen exakt umgekehrt. Hätte Ciolacu den 2.Platz erreicht, dann kann man davon ausgehen, dass er im 2 Wahlgang 100% der Wähler der USR bekommen hätte, denn diese sind die globalistischen, antinationalen Bürger der Grossstädte, die sich im westlich-globalen Markt zurecht finden wie Fische im Wasser. Keiner von denen würde jemals einen nationalistisch orientierten Kandidaten wählen.

Jetzt aber geht es darum, wer kann die Wähler der PSD für sich gewinnen? Dies sind die älteren, gesellschaftlich-konservativen Wähler aus Kleinstädten oder vom Land, oftmals Ex-Sozialisten mit Anspruchdenken an den Vater Staat. Ich denke, dass diese vom religiös-patriarchalischen Vortrag Georgescus viel besser angesprochen werden als von den jungen, lauten, kreischenden Grossstadtliberalen. Es würde mich daher nicht wundern, wenn er die Hälfte der PSD-Wähler oder sogar mehr für sich gewinnen kann, falls er sich im Fernsehen vorstellen wird können. Bisher kennen ihn ja viele Wähler gar nicht. Man kann sich das kaum vorstellen, aber vmtl. 50% der Wähler, insbesondere die Alten und Landbewohner, kennen den Wahlsieger nicht, haben noch nie von ihm gehört! Weil sie kein TikTok haben und keine Podcasts hören. In den klassischen Medien war er praktisch unbekannt!

Bei Lasconi wird es schwieriger, sie ist auf jeden Fall nicht so bekannt. Das Wahlprogramm der USR hört sich für Otto Normalo gut an, man will die Besteuerung der Einkommen senken (liegen derzeit üer 40%), und noch so manches andere.

Wenn man die Wahlprogramme Georgescus und der USR vergleicht so sind die wirtschaftspolitisch, und auch sonst, weitestgehend deckungsgleich. Schau Dir die Programme mal an. Beide wollen Steuersenkungen, Förderung der Agrikultur, Energiesicherheit, Umweltschutz, mehr Zivilgesellschaft. Lediglich die Wortwahl und der Duktus, mittels welchen sie dies vorstellen, unterscheidet sich marginal.

Nur an einem Punkt unterscheiden sie sich radikal: USR ist mit Haut und Haaren der NATO und der EU verschrieben, während Georgescu die nationalen Interessen Rumäniens in den Vordergrund stellt.

Es ist wirklich erstaunlich, dies ist heute der einzige wesentliche Unterschied zwischen 'freiheitlich-liberal' und 'rechtsextrem'.

Ich denke, wie gesagt, dass die konservative Ansprache Georgescus bei der Zielgruppe der zu gewinnenden Wähler der PSD auf dem Land erheblich besser ankommt als der schrille Alarmismus der Gegenseite.

Dafür braucht man Geld. Von wo das herkommen soll, sagt man nicht. Was mir persönlich nicht gefällt, das ist das Engagement bez. des Militärs. Zum einen will man die Attraktivität des Militärdienstes durch Gehaltserhöhungen heben (derzeit etwas über 15.000 € jährlich, soll auf über 20.000 € jährlich angehoben werden), zum anderen aber auch die NATO-Lager ausbauen. Ich zitiere aus deren Ankündigungen:

Fragt Du Dich ernsthaft, wo das Geld für die NATO-Lager herkommen soll? Wer bezahlt denn die Waffen und Soldaten in der Ukraine?
Antwort: Die Notenbank.


Simion bleibt unverändert, - ein Achtungserfolg (bei der letzten Parlamentswahl hatte er nur 9% erreicht, und bei der letzten Präsidentenwahl hatten sie gar keinen Kandidaten).

Nun, wir werden ja sehen, wie es weitergeht. Am 1. Dezember, am rumänischen Staatsfeiertag, ist der Termin zur Parlamentswahl sowie zur Wahl des Senats. Am 8. Dezember ist die Stichwahl zum Staatspräsidenten.

Die entscheidende Wahl ist dennoch die Parlamentswahl. Bei der Präsidentenwahl gab es nun aufgrund eines ausreichenden Protestpotentials die Konstellation, dass die etablierten Parteien es nicht einmal in die Stichwahl geschafft haben. Nicht zuletzt aufgrund des merkwürdigen Umstands, dass sie ihre eigene Stimmbasis durch die Aufstellung mehrerer, redundanter Kandidaten (Geona zb) völlig zersplittert haben und sich somit gegenseitig die notwendigen Stimmen weggenommen haben.

In der Parlamentswahl wird das nicht passieren. Dort werden die nationalen Suveranisten bei 1/3 der Stimmen gedeckelt werden, und ob mit ihnen jemand koalieren wird, ist mehr als fraglich. In aller Wahrscheinlichkeit wird es dort lediglich eine breitere 'demokratische' Koalition geben - die natürlich dann - siehe Deutschland - auf wackligeren Füssen steht. Ganz besonders dann, wenn sie auch noch mit einem Präsidenten Georgescu kohabitieren muss.

Es wird also in der nächsten Legislaturperiode nicht viel passieren können - entscheidend ist, dass die Kräfte, welche später den Schwenk aus dem kriegswilligen NATO-Lager zur Neutralität durchführen können (falls der Konflikt mit Russland für Rumänien ernsthaft schmerzhaft wird), nunmehr in Stellung sind und sich bereits dem Volk vertraut machen können.

Und dies - davon bin ich überzeugt - ist auch der Hintergrund dessen, warum ein völlig unbekannter Mann diesen Erfolg verzeichnen konnte und durfte. Wie man zwischen den grossen Mächten der Welt laviert, das hat die Geschichte die Rumänen gelehrt.

Gruss,
mp


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