Not macht Erfinderisch, aber nicht alle sind Erfinder...

der_Chris 2, Mittwoch, 10.08.2022, 10:58 (vor 625 Tagen) @ ebbes3586 Views

Schon mal irgendeiner hier etwas von Aufwand im betriebswirtschaftlichen Sinn gehört? Oder von Kosten? Break-Even ist auch ein schöner Begriff in diesem Zusammenhang.

Meine Kunden, mit denen ich über das aktuelle wirtschaftliche Umfeld sprechen kann, stehen mit dem Arsch an der Wand!

Es handelt sich um Unternehmen, die in der Massenproduktion von Rohstoffen oder von Lebensmitteln tätig sind. Wie üblich, wird der Gewinn aufgrund der globalen Märkte quasi im Monat Dezember verdient. Die Produktivität ist ausgereizt, der Personalstamm optimiert (wenngleich der Mangel an fähigen Mitarbeitern hier wie dort massiv zuschlägt), die Kostenstruktur unterliegt einem permanenten Controllingprozess und wird immer wieder angepasst.

Vergleichbare Konkurrenten arbeiten auf ähnlich hohem Niveau, sodass ernsthafte Wettbewerbsvorteile nicht zu ziehen sind. Also, was bleibt? Ein bisschen an der Preisschraube drehen und ein bisschen an der eigenen Marge drehen. Mehr iss nicht drin!

Man geht also den allgemeinen Preissteigerungsweg mit, gleichzeitig wird an der Gewinnschraube gedreht, aber nach unten.

Wer es verstanden hat, hat bereits seinen Cash-Flow optimiert und Verbindlichkeiten außerordentlich abgetragen. Ein Aufbau von Vorräten ist aufgrund von Verderblichkeit oder begrenzter Lagerkapazitäten nur in einem gewissen Rahmen möglich.

Allen schwant, dass die Gemengelage aus Lieferproblemen, explodierenden Energiekosten und einer bisher fehlenden Lohnanpassung der Beschäftigten die Nachfrage massiv dämpfen wird. Leider ist aber die Massenproduktion nicht mal eben auf 70% zurück zu fahren, weil dem der Gesamtkostenblock p.a. entgegensteht. Unterhalb einer Anlagenauslastung von rd. 90% setzt der Cash-Burner ein, unter 85% Anlagenlast wird es eng.

Die sind also gefangen!

Entweder sie produzieren auf gut Glück mit 90% Last, müssen aber mit schrumpfenden Erlösen rechnen, weil der Markt die Produkte zu einem adäquaten Preis nicht mehr aufnimmt, oder aber sie laufen bereits in der Produktion Gefahr, einzelne Produktionsstränge abzuschalten und Personal freizusetzen.

Problematisch hierbei aber auch, dass der eine Lohn- und Rohstoffintensiv produziert, der andere aber mit extremem Energieaufwand. Die Abschreibung und Instandhaltung der Anlagen läuft weiter und verursacht nicht unerhebliche Kosten.

  • Preissteigerung sind nur begrenzt umlagefähig
  • Sinkende Anlagenauslastung frisst den Jahresüberschuss auf
  • Beschaffungskosten und -probleme reduzieren die Anlagenlast
  • Gestiegene Rohstoff- und Energiekosten fressen die Liquidität auf

Alle betriebswirtschaftlich drehbaren Schrauben sind mit max. Drehmoment angezogen
Als nächstes folgt:

  • Ausserbetriebnahme von Produktionssträngen
  • Entlassung von Personal (evtl. Kurzarbeit)
  • Verkleinerung der Produkt- und somit Angebotspalette

Das Märchen von der „die Krise bietet auch Möglichkeiten der Effizienzsteigerung“ können die alle getrost vergessen. Wer dass nicht dauerhaft als KVP in seinem Unternehmen etabliert hat, steht jetzt schon vor der Insolvenz. Die Produktivität ist derzeit nicht weiter steigerbar.

So weit das Thema wir drücken die Preissteigerungen am Markt durch. Garnix drücken die, der produzierte Kram bleibt dann einfach liegen. Produziert mit enormen Aufwänden für die Mülltonne.
Von einem dritten Betrieb weiß ich, dass er während Coschissma alles an Lagerkapazitäten angemietet hat, was möglich war. 200 Liter Stahlfässer, Kesselwagen und Tanks in externen Tanklagern. Danach haben die ihre Anlage schlichtweg abgestellt. Jetzt gammelt der Scheiss da immer noch vor sich hin und wir sprechen hier von tausenden von Tonnen Chemikalie, weil der Absatzmarkt derzeit immer noch nicht richtig ans Laufen kommt.

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass bestimmte (Vor-)Produkte nicht dauerhaft stabil sind und nach einer Lagerzeit erneut aufgearbeitet werden müssen. Da sind die Lagerkosten das kleinste Kostenproblem.


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