Hypetheater vs. Ernüchternde Realität

Ashitaka, Donnerstag, 18.09.2025, 14:52 (vor 81 Tagen) @ tar2732 Views
bearbeitet von Ashitaka, Donnerstag, 18.09.2025, 15:28

Hi tar,


Hier im Übrigen die veröffentlichte MIT-Studie:
https://mlq.ai/media/quarterly_decks/v0.1_State_of_AI_in_Business_2025_Report.pdf

Das sehe ich zum Großteil anders. Auch ist momentan nicht OpenAI (Altman) der Player, sondern Grok (X, Musk) und Gemini (Google, Alphabet).

Ändert aber nichts an der Tatsache, dass es aktuell und auch in naher Zukunft keinen positiven ROI für diese Untenehmen geben wird. Alles ist auf Large Scaling und damit weiter auf massive Investments in Rechenleistung ausgerichtet, nur um dem User eine KI (ein Denken) durch immer tiefgreifendere Wahrscheinlichkeitsberechnungen der Algorithmen zu simulieren.

Da Google bereits auf Ökosystem-Integration setzt und auch aufgrund der im Hintergrund bereits laufenden Fokusierung auf Werbedienstleistungen im KI-Zeitalter zeitnah ein Ertragsmodell umsetzen wird (auch in Kombo mit dem noch viel mächtigeren LWMs) haben sie klar die Nase vorn. Im Gegensatz zu OpenAI, X und den kleineren Buden haben sie ein felsenfestes Ertragsmodell. Die SEO-Optimierer sind nicht umsonst so nervös, müssen sich auf völlig neue Such- und Vermarktungslandschaften einstellen.

Grok hat momentan rein fachlich (Fehlerfreiheit, Effizienz) die Nase vorn (insb. geeignet für rein technisches Zeug, wie Code).

Grok wird nach meiner Recherche nahezu in keine Unternehmensprozesse integriert und führt genauso wie ChatGPT oder ein bloßer Gemini-Chat zu keinen nachhaltigen Ertragsmodellen. Mit App-Entwicklungen oder Tool für Jedermann sitzt zwar Zeitgewinn drin, aber damit lassen sich noch lange keine Unternehmensprozesse wegrationalisieren. In den meisten Unternehmen ist der Einsatz aus Datenschutzgründen und Halluzinationen sowieso unmöglich. Geschweige denn die Haftungsrisiken aufgrund der enormen Outputfehler. Hausinterne Lösungen die sich auf fachspezifischere Datenquellen oder die hauseigenen Datenbänke konzentrieren fangen bei 70k an (40k allein für die Hardware, vorausgesetzt man findet überhaupt noch ein Systemhaus dafür). Und was kann man dann damit machen? Das zeigt die MIT-Studie, nahezu NICHTS was Kosteneinsparungen oder zusätzliche Ertragsfelder bietet! MCPs, Agenten etc., das ganze führt in den Umsetzungen zu immensen Kosten und instabilen Strukturen. Nicht alles was die Nerds in ihren Coding-Stuben feiern ist am Ende des Tages in den Unternehmen aufgrund der häufigen Veränderungen eingehender und ausgehender Datenquellen umsetzbar. Und der Output von gestern soll dann morgen auch schon wieder anders sein (z.B. Lagerlogistik, Supply Chain Management).

Gemini ist, wie du beschrieben hast, gut in das Ökosystem integriert und sprachlich weit vorn (inbs. geeignet für die Einbeziehung zahlreicher, längerer Texte).

Google ist State of the Art in Punkto KI-Anwendungsmöglichkeiten für private oder fortbildungs- / wissenstechnische Zwecke. Das ist auch die Kaufentscheidung für ein Google Pixel 10. Wer den Google Workspace (auch für privat möglich) vollständig nutzt, hat ein Datenmanagement- und Analysesystem, dass z.B. Apple-Nutzer um Lichtjahre zurückwirft. Ich strukturiere sehr viel im Google Drive. Was bei ChatGPT ein Projekt ist, ist bei Google halt ein Google Drive Ordner. In diesem ist alles was ich zu einem Thema recherchiere oder belegtechnisch vorhalte enthalten und Gemini oder NotebookLM greift auf den Inhalt des Ordners in der Unterhaltung zurück, egal ob vom Pixel, DesktopPC oder Tablet. Da kommt derzeit kein Ökosystem mit, auch wenn es uns immer weiter in die Abhängigkeit zieht. Wer noch im Wettbewerb mit anderen oder sich selbst steht und z.B. Inhalte von Emails (Angebote) direkt mit den eigenen Belegen abgleichen will, sollte es mal ausprobieren.

Durch private Umstände vergleiche ich in den letzten Monaten mehrere KIs bzgl. psychotherapeutischer Belange und was dir da in Sekunden(!) an Analyse und sprachlicher Wortgewalt entgegengeworfen wird, ist schlichtweg der schiere Wahnsinn. Je nach Kontext und Detailgrad im Prompt werden sich also einige, bisher sehr teuer bezahlte Berufsgruppen (vor allem querbeet durch sämtliche Analysebereiche), sehr, sehr warm anziehen müssen. Die Fähigkeit, innerhalb von Sekunden aus dem Kontext explizit hergeleitete Detailinformationen zu präsentieren, ist die ultimative Fortführung/Ablösung von Googles Kerngeschäftsmodell: deren Suchmaschine. Kein Wunder also, dass gerade Google hier umdenken muss.

Und wieder keine Werbung, aber das Google Suchnetzwerke ist derzeit die einzige Schleuse um weiter zu skalieren und Umsatz generierende Werbedienstleistungen über LLMs anzubieten. Sie werden die ganze SEO-/Adwords-Landschaft an sich binden, damit du dir demnächst zu Hause von einer KI "weiße Sneaker" präsentieren lassen kannst und zusammen mit Gemini auf Einkaufstour gehst. Schon heute greift eine Deep Research nicht nur auf das LLM-Netz, sondern zeitgleich auf hunderte Quellen des globalen Suchnetzwerks zu. Das ist auch der Grund weshalb bei ChatGPT zwar alles so "nett" getextet wird "Smiley hier und da", die Qualität der ChatGPT-Recherchen bei komplexen Themen / Analysen (vor allem Finanzanalysen) aber nur ein Zehntel von Google ausmacht. Bzgl. Grok bin ich noch skeptischer.

Ich weiß nicht, was Ed Zitron genau kritisiert und welche Sicht er einnimmt, aber aus meiner Sicht geht es hier weniger um das Steigen von Konzernprofiten, sondern um einen grundsätzlichen Shift, in der gewisse Jobs schlicht nicht mehr in dem Umfang benötigt werden, d.h. "der Endverbraucher" für einen Bruchteil seines Aufwands zu einem mitunter besseren Ergebnis gelangt - und sei es nur für eine grobe Ersteinschätzung (bspw. bei der Rechtsberatung, bei der Abwägung eines eigenen Geschäftsmodells, bei Beziehungsfragen, technischen Belangen bis hin zum Prototyping, ...) oder ganz allgemein eine Reduzierung auf Kerninhalte eines Wissensbereich (wie angemerkt: Bildung) oder jedweden sonstigen Mediums.

Und genau hier trennt sich der Hype von realen Kostenbudgets. Für die Unternehmen bedarf es Lösungen die haftungs- und datenschutztechnisch optimiert sind. Mal eben ein ChatGPT per API anbinden ist für Industrien und Verwaltungen keine umsetzbare Lösung. Das werden sie spätestens begreifen, wenn das Consulting der beauftragten Unternehmen vor Ihnen steht und ihnen erklärt: "Sorry, aber dass da nicht immer die richtige Wahrscheinlichkeit errechnet wird, haben wir doch gesagt!" Und dann kommen erst die wirklichen kostenintensiven Lösungen auf den Tisch. Die MIT-Studie hat ja gezeigt, dass sich die in den Umsetzungen befindlichen Unternehmen sehr schnell verrennen.

Irgendwann wird es bei Medien auch soweit gehen, dass sie individuell auf den jeweiligen Menschen abgestimmt live erstellt und abgespielt werden (wrsl. inklusive passender unterschwelliger Werbebotschaften). Langfristig wird dadurch die gesamte Medienwelt (Autoren, Darsteller, Musiker, Dichter, Maler, usw.) zur Beliebigkeit verkommen, damit auch die dahinterstehende Moral. Man erinnere sich an Nietzsches "Gott ist tot.".

Was passend zur MIT-Studie kein Fortschritt und erst recht keinen Profitzuwachs für die Produzenten der Inhalte darstellt. Mit "Google Zero" geht es selbst den größten Medienhäusern in Punkto Werbeeinnahmen an den Kragen.

Versteh mich nicht falsch, ich nutze Gemini, NotebookLM und den Google Workspace auch als alltägliches Werkzeug, habe dadurch immer wieder Effizienzgewinne (vor allem in Punkto Recherche von Gesetzen, Rechtsprechungen, Kommentaren und Verwaltungsanweisungen), um die ohnehin zu langen To-Do-Listen schneller abzuarbeiten, aber es wird meiner Ansicht nach eine Zeit der Ernüchterung einsetzen, in der wir zwischen den Optimierungen einzelner Kräfte durch gezielten Umgang mit KI als Werkzeug und den noch gar nicht funktionierenden Optimierungen von ganzen Unternehmensprozessen durch KI unterscheiden werden. Das ganze Hypetheater kippt gerade.

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Der Ursprung aller Macht ist das Wort. Das gesprochene Wort als
Quell jeglicher Ordnung. Wer das Wort neu ordnet, der versteht wie
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