"Big Change Day": Wie sich eine kommunistische Gemeinschaft …
Hallo Dieter
Hallo, man kann auch sagen, der Kapitalismus ist eine Vorstufe zum Kommunismus.
Zum Verhältnis zwischen Kommunismus und Kapitalismus - das Beispiel Amana (USA)
schrieb Paul C. Martin vor mehr als 20 Jahren.
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Kapitalismus ist ein System mit (vom Obereigentum des Staates abgeleiteten und ihm abgerungenem) Privateigentum und der Möglichkeit, dieses zu verschulden bzw. dieses verschulden zu müssen, um die geforderten Abgaben zu leisten, die (siehe Abgabenquote in allen kapitalistischen Ländern) ununterbrochen steigen, so dass der bekannte Erfüllungsdruck entsteht, der das System vorwärts peitscht, sofern nicht die bekannte Gegenbewegung ("Sozialstaat") einsetzt und immer weitere Teile der Bevölkerung aus dem Prozess "befreit".
Ein kommunistisches System, das das Obereigentum des Staates beibehält ("Volkseigentum"), ist ein reines Abgabensystem (siehe a. Inka, Jesuitenstaat in Paraguay, Münster 1535, die Entwicklung seit 1917 usw.) und führt nicht zu dem, was von den "großen Sozialisten" versprochen wurde, nämlich zur "Entfesselung der Produktivkräfte", sondern ganz im Gegenteil. Nach einer Phase der Euphorie wird und bleibt es bestenfalls statisch, verzehrt das unter einem etwaig vorangegangenen kapitalistischen System aufgebaute "Kapital" (das mehr und mehr verrottet) und gleitet zum Schluss in das ab, was z.B. in Nordkorea zu beobachten ist.
Man beachte auch die unterschiedliche Entwicklung von Dresden und Hiroshima nach der beidseitigen totalen Zerstörung nach 1945.
Es gibt im Sozialismus/Kommunismus kein Geld (was als "Geld" bezeichnet wird, sind Warenbezugsscheine) und ergo keine sich auf Märkten ergebende Preise, die Knappheiten anzeigen könnten (siehe die Ausführung von Ludwig von Mises schon 1922 dazu), so dass entweder "nach Plan" (Planwirtschaft) produziert wird oder letztlich nur auf dem Niveau der Selbsterhaltung (was kein Nachteil sein muss, nur der Abstieg ist unangenehm).
Der Hass auf das Geld war schön in der Wiedertäufer-Stadt Münster, dem "himmlischen Jerusalem" zu beobachten, wo das in der Stadt vorhandene Silber ausgemünzt ("Wiedertäufer-Taler") und über die Stadtmauern geworfen wurde. Münster hatte allerdings das Problem, dass niemand arbeiten wollte und es ergo schon nach einem halben Jahr zu enormen Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung kam.
https://zeitenreise.net/die-wiedertaeufer-in-muenster/ DIE WIEDERTÄUFER IN MÜNSTER Mirja Dahlmann
… innerhalb eines kapitalistischen Ambientes entwickelt, zeigt das Beispiel Amana.
1855 gründeten 800 deutsche Pietisten in Iowa einen kommunistischen Kleinstaat (1040 qkm Land, aufgeteilt in sieben Dörfer, die so angelegt waren, dass jeder etwa gleichweit zu den Äckern hatte; diese gleiche "Nähe" zu den Produktionsstätten zeigen auch andere kommunistische Entwürfe, z.B. die "Ideal-Fabriken" von Owen, Fourier, "La Phalanstère", etc.).
Niemand in Amana hatte privates Eigentum. Jedes Dorf hatte eine Kirche, einen Schlachthof, Schreiner, Schuster, Schneider. Alle Waren wurden über einen "General Store" verteilt, in dem jeder Bewohner ein Konto hatte, von dem ihm monatlich zugeteilte Waren abgebucht wurden.
Essen war in Gemeinschaftsküchen, für jeweils 30 bis 60 Menschen. 6.00 h Frühstück, 11.30 Mittag, 18.30 Abendessen, Kaffeepausen 9.00 und 15.00 h. Kein Haus hatte eine private Küche. Niemand besaß Besteck, Geschirr, Töpfe. Niemand hatte einen eigenen Garten, es gab nur gemeinsame "Küchengärten".
Geld (US-Dollar) gab es nur zum Verkehr mit der Außenwelt: für Saatgut, Rohbaumwolle, Sensen, Messer, Landmaschinen. Die Dollar wurden gegen eigene landwirtschaftliche Überschüsse ertauscht, die freilich immer mehr sanken.
Da die Produktion stetig abnahm, mussten die Ältesten immer häufiger kapitalistische Arbeitskräfte anheuern, was die Handelsbilanz rasch passivierte. Ein Vergleich von 1908 (Bertha Shambough):
"Innerhalb weniger Tage war klar, dass die Maurer aus Amana nicht mit den Maurern aus der Welt mithalten konnten, Sie schafften nur zwei Drittel der Arbeit der Maurer aus der Stadt, die es gelernt hatten, unter Wettbewerbsbedingungen zu arbeiten."
Die Ältesten bestimmten, wer Arzt, Lehrer und Händler werden durfte. 1952 kam die erste Frau in den Vorstand und sie erinnerte sich:
"Man langweilte sich damals sehr. Jeder Tag brachte das Gleiche. Es gab keine Zeitungen, es gab keine guten Bücher."
Martin Dickel, ein Kirchenältester:
"Ein Schwachpunkt lag im System selber: Ohne Antrieb, ohne Initiative machen die Menschen die Arbeit nicht so gut, wie es eigentlich sein müsste. Es gab viele Drohnen unter uns, und ihre Zahl schien ständig zu steigen."
Der Kirchenbruder Don Shoup noch 1989:
"Viele lebten damals in dem Bewusstsein, ich muss nicht arbeiten, ich werde versorgt."
Shoup auch: "Die Ideen von Marx und Engels waren unbekannt."
Um Waren von außen zu beziehen, mussten die Kommunisten schließlich ihr Land belasten und da sie es nicht bezahlen konnten, stand der Ausverkauf bevor.
Schließlich wurde ein Sanierungsplan ausgearbeitet, und am 2. Mai 1932 abgestimmt. Die Mehrheit entschied, den Kommunismus komplett zu streichen und den Kapitalismus einzuführen. Der Übergangstag wird bis heute als "Big Change Day" gefeiert.
Das mobile Gemeinschaftseigentum wurde aufgeteilt, die Produktionsstätten plus das Land wurde in eine AG verwandelt. Jeder über 21 erhielt eine Stamm-Aktie sowie jedes Jahr, das er gearbeitet hatte, eine Vorzugs-Aktie.
Nach einem Jahr gab es die ersten Lohnzahlungen. Wer nicht gearbeitet hatte, ging leer aus. Nur wirkliche Sozialfälle wurden von der Kirchengemeinde unterhalten. Die neue AG gründete 1934 eine Kühlschrank-Firma, die alsbald prosperierte.
Die 45.000 Aktien der Amana AG wurden nach dem sonntäglichen Gottesdienst gehandelt. Vor der Fusion mit dem Hi-Tech-Konzern Raytheon (1965) waren die Amana-Aktien die teuersten der ganzen Welt. Letzter Kurs pro Stück: 60.000 Dollar. Davon konnte Warren Buffet damals nur träumen. Seitdem hat sich der Kurs weiter ca. verzwanzigfacht (Raytheon seit 1983 immer noch ca. vervierfacht, zuletzt knapp 29 $, ATH war über 70).
Wie gesagt: Man kann es so machen oder anders. Man muss nur wissen, was man will. Außerdem ist die Übersiedlung in ein sozialistisches Land unschwer möglich, umgekehrt gibt es Schwierigkeiten, wie allgemein bekannt.
Jedem steht es frei, sich mit Gleichgesinnten irgendwo auf der Welt Land zu kaufen und eine sozialistische Gemeinschaft dort einzurichten. Das Procedere sollte allerdings vorher mit versierten Steueranwälten besprochen werden.
https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=184552 Kommunismus und Kapitalismus - das Beispiel Amana (USA) verfasst von dottore, 21.04.2003, 12:39
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Gruß - Ostfriese