1x1 des Debitismus: Es wird also in der mainstream-Ökonomie etwas vorausgesetzt, was …

Ostfriese, Montag, 24.07.2023, 17:03 (vor 431 Tagen) @ Beo22580 Views

Hallo Beo2

Dazu

Diese Fiskalpolitik ist der wichtigste Teil der Wirtschaftspolitik und essentielle Voraussetzung für jede funktionierende Volkswirtschaft.

schrieb Paul C. Martin vor mehr als 22 Jahren:

Die Vorstellung der mainstream-Ökonomie in Sachen Geld-, Kredit- und Fiskalpolitik basiert im Wesentlichen auf diesen Vorstellungen:

Man müsse eine "Geldbasis" GB schaffen (ZB-Geld plus ZB-Guthaben der Banken), auf der sich dann in einer Art Automatismus die bekannte Kreditpyramide aufbauen lässt, die das normale "störungsfreie Wachstum" gewährleistet - von M0 also weiter auf M1, M2, M3 usw. Wie der Automatismus genau funktionieren soll, wird leider nirgends deutlich. So können einzelnen "Aggregate" stärker wachsen als andere, einige sogar abnehmen, während andere steigen usw.

Es gibt nirgends klar erkennbare Korrelationen zwischen diesen einzelnen "Geldaggregaten". Es wäre das ZB-Paradies, wenn z.B. eine Erhöhung der GB um 5 %, auch alle folgenden (Klartext: längerfristigen) M's um genau denselben Prozentsatz steigern würde, wobei sich dies optimalerweise dann in einer gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate von 5 % niederschlüge.

Welche Wachstumsrate letztlich der betreffenden Volkswirtschaft als "bekömmlich" zugeordnet wird, ergibt sich aus einer "Kapazitätsbetrachtung": Erlauben die volkswirtschaftlichen Kapazitäten bzw. Ressourcen ein Wachstum von beispielsweise nur 3 %, dann sollte der "Automatismus" eben bei einer Ausweitung der GB um just diese 3 % p.a. ansetzen.

Es ist also eine Art "Parallelstraßenbetrachtung": Erlaubt die Volkswirtschaft eine störungsfreie Steigerung um 3 % (Straße A), dann muss dafür gesorgt werden, dass die monetäre Parallelstraße B ebenfalls um jeweils 3 % verlängert wird.

Woraus die Steigerung des wirtschaftlichen Potenzials um diesen oder jenen Prozentsatz resultiert, kann nicht konkret erhoben, sondern nur "geschätzt" werden. Warum es aber überhaupt zur Steigerung des realwirtschaftlichen Potenzials kommt, bleibt weitgehend im Dunkeln. Ansätze, dies mit Hilfe von Analysen der "Produktivität" (die gleichen Arbeiter können mit Hilfe des "technischen Fortschritts" mehr Produkte erzeugen, ohne dass Input oder Output sich preislich verwerfen) zu ermitteln, scheitern immer wieder, wie zuletzt in den USA zu beobachten: Eben noch lag die Steigerung der Produktivität bei 6 % und mehr, dann ist sie plötzlich auf Null gefallen.

Der "technische Fortschritt" lässt sich mit Hilfe monetärer Maßnahmen nicht beeinflussen; schließlich sind Erfindungen oder "New Economy"-Phänomene niemals ein Ausfluss irgendwelcher ZB-Operationen. Insofern könnte die ZB immer nur auf realwirtschaftliche Vorgaben reagieren, aber welche realwirtschaftlichen Vorgaben wann und wie sich ergeben und entwickeln und vor allem wie sie finanziert werden, liegt weit außerhalb jeder Kontrollmöglichkeit einer ZB.

Andererseits müssen die Vorgaben zuerst existieren und damit auch finanziert sein. Da die ZB sich aber letztlich für die Finanzierung realwirtschaftlicher Vorgänge zuständig hält (daher ja ihre "Geldpolitik") klafft in diesem Bereich ein großes logisches Loch. Der ZB könnte vorgeworfen werden, sie würde nicht genügend "Mittel" bereit stellen (entweder direkt oder auf dem Wege der durch sie angeblich zur Kontrolle anstehenden sonstigen "monetären Aggregate"), um überhaupt die wirtschaftlichen Potenziale entstehen zu lassen, deren spätere Nutzung in Form des gesamtwirtschaftlichen "Wachstums" sie dann mit Hilfe des Parallelstraßeneffekts möglich macht bzw. möglich machen soll und will.

Allerdings beobachtet die ZB sämtliche M's ganz genau (dass sie dabei, wie eben erst die EZB, komplett falsche Statistiken wieder gibt, sollte nicht die Regel sein und bleiben). Immerhin "reagiert" die ZB auf die Veränderung der "größeren" M's, indem sie an der von ihr kontrollierten GB-Änderungen vornimmt, sei es durch quantitative ("Geldmengensteuerung") oder qualitative ("Zinspolitik") Maßnahmen.

Gegen die "Zinspolitik" spricht schon die Tatsache, dass die ZB selbst nichts verleiht, sondern nur ihre Monopolprämie für die Wandlung von bereits existenten Schuldtiteln in ZB-Geld variieren kann. Abgesehen davon wäre selbst ein "Zinssatz" einer ZB immer nur ein Angebots-Zinssatz, der zur Nutzung des Angebots führen kann oder auch nicht.

Banken haben jederzeit die Möglichkeit sich auch außerhalb des ZB-Systems liquide zu halten. Im neuesten "Bankhistorischen Archiv" (2/2000) ist eine Studie dazu erschienen, die sich auf die Banque de France der 20er und 30er Jahre bezieht und die ausführlich auf die Operationen der Geschäftsbanken "hors Banque" (= außerhalb des Bankwesens eingeht), die sich bis heute in den aktuellen Geld-Systemen nicht wesentlich geändert haben. Die Liquiditätsbeschaffungen der US-Geschäftsbanken im Euro-Raum 1999/2000 (ein wichtiger Grund übrigens für die WK-Entwicklung contra Euro) sind ein schönes aktuelles Beispiel für "hors Fed". Ich selbst habe für Drei-Monatsgeld von einer Bank im Euro-Raum einen Zinssatz akzeptiert, der um 85 Basis-Punkte unterhalb des EZB-Satzes liegt: Wozu hätte die Bank also die EZB bemühen müssen?

Gegen die GM-Steuerung spricht, dass sie auf einen Automatismus zielt, der weder einer Korrelationsprüfung stand hält noch dass sie in Betracht zieht, dass jede GM bereits Kreditvorgänge voraussetzt, die in der Wirtschaft abgelaufen sein müssen, bevor sie statistisch relevant werden, da sie ohne zeitlich vorangegangenen Ablauf nicht in der Statistik erscheinen könnten.

Auch die GB selbst kann von der ZB nicht ex nihilo zur Verfügung gestellt werden. Jede GB setzt ihrerseits ebenfalls zeitlich vorangegangene Kreditakte voraus, da die ZBs ausschließlich Sicherheiten "rediskontieren" bzw. via Offenmarkt-Operationen "lombardieren". Auf die Entstehung dieser Sicherheiten (Klartext: Kredit- bzw. Verschuldungsakte selbst) hat die ZB keinerlei direkten Einfluss: Private und Staat sind in der Vergabe und dem Nehmen von Krediten frei.

Der Versuch via Maastricht, die staatliche Kreditaufnahme zu plafondieren, und mit einer fixen Maximalsteigerungsrate auszustatten, ist zwar zu begrüßen, hält aber den politischen Realitäten letztlich nicht Stand, zumal die "Bestrafungen" für Nichteinhalten vernachlässigenswert sind; abgesehen davon hat auch die prozentuale Plafondierung Staatsschulden/BIP das gleiche logische Loch wie wir es oben schon gesehen haben: Sie kann die Steigerung des BIP, die ja Voraussetzung für eine zusätzliche Staatsverschuldung ist, wiederum nur mit der Vermutung unterlegen, dass es so etwas wie eine "natürliche" oder eine sich "von selbst ergebende" Wachstumsrate des BIP gibt, wobei aus keinem mainstream-Modell so Recht ersichtlich ist, woraus diese wiederum resultieren sollte.

man dann "monetär begleiten" muss (ZB) oder "fiskalisch ausnutzen" kann (Staat), ohne zu erklären, wie und woraus sich diese Voraussetzung selbst ergibt.

Dieser Voraussetzung sind aber beide (ZB & Staat) ausgeliefert, Klartext: ZB & Staat hängen mit Geld- und Fiskalpolitik immer von dem ab, was bereits in der privaten Wirtschaft ihrerseits geschehen ist. Eine Politik ex ante ("vorausschauend") kann es daher niemals geben.

Es kann bestenfalls ex post zu Maßnahmen kommen, die eine Fortsetzung des auf Straße A stattfindenden Prozesses beeinflussen, z.B. würde ein ZB-Satz von 10 % den Bau der Straße A abrupt verlangsamen bzw. eine massive Steigerung der Staatsausgaben (z.B. durch Kreditaufnahme im Ausland oder gar durch direktes Ziehen auf die ZB) den Bau entsprechend beschleunigen.

Die in diesen gedachten Fällen sofort auftretenden Risiken (Illiquiditäten bzw. Inflationierungen) liegen auf der Hand.

Letztlich können ZB & Staat also privatwirtschaftliche Abläufe nur in einer trial & error-Methode post festum begleiten und dies auch erst, nachdem diese Abläufe sich statistisch und überprüfbar niedergeschlagen haben. Wie es aber zu den Abläufen kommt und warum und wann sie welche Intensität haben, bleibt rätselhaft.

Es gibt zwar immer wieder interessante Versuche, der letztlich psychologischen Dimension der Abläufe auf die Spur zu kommen, und auch diese zu beeinflussen ("Seelenmassage"), doch nehmen diese, sich aus der Logik des zeitlichen Hintereinander zwangsläufig ergebenden, Beeinflussungsmöglichkeiten mit zunehmenden Misserfolgen ab:

Wer glaubt noch an eine stabile Währung, die ja die ZB immer wieder als "oberstes Ziel" erklärt hat, wenn es immer wieder trotz aller Beteuerungen und Hinweisen auf "völlige Unabhängigkeit" der ZB zu inflationären Trends kommt (Euro-Zone aktuell)?

Wer traut auf Dauer noch den Politikern, wenn deren "Chefsachen" (Abbau der Arbeitslosigkeit, stabile Wachstumsraten, Haushaltsausgleich plus Abbau der Staatsverschuldung usw.) keine Realität werden?

Die offenkundige Diskreditierung selbst der "fähigsten" Institutionen wie aktuell der Fed ist das GAA (größte anzunehmende Alarmzeichen): Wie kann eine Notenbank überhaupt erst eine "irrational exuberance" zu lassen, dann davor "warnen", dann eine Zinspolitik betreiben, die zuerst den zügellosen wealth effect töten will, um den schon aufgebahrt da Liegenden anschließend wieder auferstehen zu lassen?

In dem Gemisch aus dem sich zunächst schleichend ausbreitenden Attentismus und System-Zynismus bedarf es dann nur noch des Zündfunkens, um das Ganze hochgehen zu lassen. Den von nicht erfüllten (weil per se unerfüllbaren) Versprechungen der Geld- und Fiskalpolitik bis zu den Ohren gesättigten Partizipanten kommt plötzlich die Erkenntnis, dass "überhaupt nichts mehr stimmt". Vor allem, dass die bis zum Äußersten aufgepumpte Kredit- und Schuldenblase alsbald platzen könnte.

Ein erster Hinweis darauf, dass die Stunde der Erkenntnis gekommen ist, könnten die Entwicklungen am Goldmarkt sein. Was im Nachhinein verständlich macht, warum die ZBs Gold als für immer "out" erklärt und entsprechende Maßnahmen vorgenommen haben (Direktverkäufe, Gold-Leases), um ihre Position auch nachvollziehbar zu unterfüttern.

Sollte sich nun noch eine nach unten weisende Tendenz zur Aufnahme neuer Kredite und damit Vornahme zusätzlicher Käufe abzeichnen (beides sind absolut freiwillige Akte), führt an einer saftigen weltweiten Rezession kein Weg mehr vorbei, der sich nach Lage der Dinge an der Überschuldungsfront rasch zu einer Depression ausweiten dürfte.

Entscheidend ist jetzt die weitere Entwicklung am Goldmarkt ("Mr. Chairman, could you please explain the strong upward-movement in the gold markets?"). Werden die Argumente, es handle sich um "Short-Coverings", "Nachholbedarf", "Favoritenwechsel" u.ä. aufgebraucht sein, wird es extrem eng! Eine nachhaltige Gold-Hausse wäre von keinem mainstream-Modell auch nur in Ansätzen zu erklären.

Gold kann also durchaus zum Medium werden, das der gesamten, jahrzehntelang in allen Varianten aufgetretenen Causa Decipiens die Maske vom Gesicht reißt. Wir sähen dann die größte Summe von Uneinbringlichkeiten, die je in der Geschichte absolut und relativ zu besichtigen war.
https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=62171 GOLD doch als Trigger? verfasst von dottore, 20.05.2001, 13:17

Gruß - Ostfriese


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung